OGH 5Ob96/14z

OGH5Ob96/14z26.9.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Lovrek, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Grundbuchsache betreffend die Verbücherung des Regelungsplans der Agrarbezirksbehörde V***** vom 28. Juli 2009, Zl ABBVL‑REG‑2/1‑2009, teilweise abgeändert durch Erkenntnis des Obersten Agrarsenats beim Bundesministerium für Land‑ und Forstwirtschaft vom 5. Dezember 2012, Zl OAS.1.1.1/0105‑OAS/2012, über den Revisionsrekurs des J***** U*****, vertreten durch Gheneff‑Rami‑Sommer Rechtsanwälte OG in Klagenfurt am Wörthersee, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 15. Jänner 2014, AZ 3 R 229/13f, womit über Rekurs des J***** U***** der Beschluss des Bezirksgerichts Spittal an der Drau vom 19. August 2013, TZ 3687/2013, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0050OB00096.14Z.0926.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden im Umfang der Löschung der Dienstbarkeit der Weide ob der Liegenschaft EZ 259 GB ***** zu Gunsten der Liegenschaften EZ 101 und 107 je GB ***** sowie im Umfang der Löschung der Ersichtlichmachung dieser Grunddienstbarkeit in den Liegenschaften EZ 101 und 107 je GB ***** ersatzlos aufgehoben.

Begründung

Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ 259 GB ***** (in der Folge immer: EZ 259) ist die „N*****“ (in der Folge immer: Agrargemeinschaft).

Zu TZ 190/1898 war die Grunddienstbarkeit der Weide ua zu Gunsten der Liegenschaften EZ 101 und 107 je GB ***** (in der Folge immer: EZ 101 und 107) einverleibt und die Grunddienstbarkeit korrespondierend dazu in EZ 101 und 107 ersichtlich gemacht.

Der Revisionsrekurswerber ist Alleineigentümer der EZ 101 und Hälfteeigentümer der EZ 107.

Ob der EZ 259 war zu TZ 951/1962 die Einleitung des Regulierungsverfahrens angemerkt.

Die zuständige Agrarbehörde erster Instanz „beantragte“, soweit für das Revisionsrekursverfahren noch relevant, mit einer beim Erstgericht am 17. Juli 2013 eingelangten Eingabe unter Anschluss eines Bescheids der Agrarbezirksbehörde V***** (in der Folge immer: ABB) vom 28. 7. 2009, eines in diesem Bescheid enthaltenen Regelungsplans und des mit einer Rechtskraftbestätigung versehenen Erkenntnisses des Obersten Agrarsenats beim Bundesministerium für Land‑ und Forstwirtschaft (in der Folge immer: Oberster Agrarsenat) vom 5. 12. 2012, der den Bescheid der ABB samt dem darin enthaltenen Regelungsplan teilweise abänderte,

1. die Ersichtlichmachung in EZ 259, dass zu der Agrargemeinschaft näher bezeichnete Liegenschaften, darunter die Liegenschaften EZ 101 und 107, mit näher bezeichneten Anteilen zugehörig sind,

2. die Löschung der Grunddienstbarkeit Weide ob der Liegenschaft EZ 259 und

3. die Löschung der Ersichtlichmachung der Grunddienstbarkeit der Weide in den Stammsitzliegenschaften, darunter die Liegenschaften EZ 101 und 107.

Der Beschluss des Erstgerichts, womit die Zugehörigkeit näher bezeichneter Stammsitzliegenschaften, darunter die Liegenschaften EZ 101 und 107, zu näher bezeichneten Anteilsrechten in der Liegenschaft EZ 259 ersichtlich gemacht wurde, erwuchs in Rechtskraft.

Gegen die vom Erstgericht ebenfalls verfügte Löschung der in EZ 259 einverleibten Grunddienstbarkeit der Weide sowie gegen die damit korrespondierende Löschung der Ersichtlichmachung der Grunddienstbarkeit in den EZ 101 und 107 erhob der Revisionsrekurswerber Rekurs.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dazu fehle, ob im Zuge der Umwandlung der Dienstbarkeit der Weide in Anteilsrechte an einer Agrargemeinschaft die grundbücherliche Dienstbarkeit der Weide auch ohne Zustimmung des Dienstbarkeitsberechtigten gelöscht werden könne. Es fehle auch Rechtsprechung dazu, ob der Hälfteeigentümer der berechtigten Liegenschaft allein zum Rekurs gegen die Löschung bzw Ersichtlichmachung der Dienstbarkeit legitimiert sei.

Das Rekursgericht ging unter Berufung auf einen ‑ von der Agrarbehörde nicht vorgelegten und nicht aktenkundigen ‑ Bescheid der ABB vom 30. 4. 1962 davon aus, dass in diesem Bescheid die Rechte aus dem Übereinkommen des Jahres 1898 ‑ welches Eintragungs-grundlage der hier strittigen Dienstbarkeit der Weide ist ‑ in agrargemeinschaftliche Anteilsrechte umgewandelt worden seien. Das Regulierungsverfahren bezüglich der Anteilsrechte an der Agrargemeinschaft sei mit dem Erkenntnis des Obersten Agrarsenats vom 5. 12. 2012 beendet worden.

Unter Verweis auf die Begründung dieses Erkenntnisses ging das Rekursgericht ferner davon aus, dass 1953 mittels Übereinkommen das Eigentum ua an der Liegenschaft EZ 259 unter „Mitnahme“ der darauf haftenden Dienstbarkeit der Weide den „A*****“ ins Eigentum übertragen worden sei, wodurch Berechtigung und Verpflichtung zusammengefallen seien und Weiderechte am eigenen Grund bestanden hätten. Das sei Grund für die Bildung einer Agrargemeinschaft gewesen. Selbst wenn man unterstellen wolle, dass der Bescheid der ABB vom 30. 4. 1962 mangelhaft gewesen sei, so sei diese Entscheidung dennoch rechtskräftig. Die Umwandlung der Weiderechte in Anteilsrechte im Sinn dieses Bescheids sei daher Ausgangspunkt für die weitere Beurteilung. Der Rechtsgrund für die Löschung der Dienstbarkeit und der Ersichtlichmachung der Weiderechte in EZ 101 und 107 liege also im Erkenntnis des Obersten Agrarsenats vom 5. 12. 2012, das sich seinerseits auf den rechtskräftigen Bescheid der ABB beziehe. Auch wenn die Umwandlung der Dienstbarkeit in Anteilsrechte an der Agrargemeinschaft nicht ausdrücklich in einem Spruch der Verwaltungsbehörden angeordnet werde (gemeint: im Bescheid vom 30. 4. 1962 bzw im Erkenntnis des Obersten Agrarsenats), erscheine doch die vom Erstgericht angeordnete Verbücherung iSd § 94 Abs 1 GBG durch die beigebrachten Urkunden gedeckt.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts wendet sich der ‑ nach Verbesserungsaufträgen des Erstgerichts rechtzeitig verbesserte ‑ „Rekurs“ (richtig: Revisionsrekurs) des nunmehrigen Revisionsrekurswerbers, der sich erkennbar gegen die Löschung der Grunddienstbarkeit und die damit korrespondierende Löschung der Ersichtlichmachung in EZ 101 und 107 wendet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig. Er ist im Sinne der erkennbar begehrten ersatzlosen Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen im Umfang der Anfechtung auch berechtigt.

Der Revisionsrekurs macht geltend, dass weder dem Bescheid der ABB vom 30. 4. 1962 noch dem Inhalt des Erkenntnisses des Obersten Agrarsenats vom 5. 12. 2012 eine Umwandlung der Weiderechte in agrargemeinschaftliche Anteilsrechte entnommen werden könne.

Dazu wurde erwogen:

1. Zutreffend hat das Rekursgericht die Rekurslegitimation des nunmehrigen Revisionsrekurswerbers auch in Ansehung der bloß in seinem Hälfteeigentum stehenden Liegenschaft bejaht:

1.1 Die Löschung einer im dienenden Grundstück einverleibten Dienstbarkeit verletzt die bücherlichen Rechte des Eigentümers des herrschenden Grundstücks und berechtigt diesen daher zum Rekurs (RIS‑Justiz RS0006677; RS0006710).

1.2 Die mehreren Personen gemeinschaftlich gehörige Liegenschaft kann weder von einem Miteigentümer zu einem ideellen Teil mit einer Dienstbarkeit belastet werden (RIS‑Justiz RS0013190), noch ist die Teilung einer mehreren Miteigentümern zustehenden Grunddienstbarkeit möglich ( Sailer in KBB 4 § 844 Rz 2 mwN).

1.3 Daraus folgt aber, dass eine „Teillöschung“ der ob der EZ 259 einverleibten Dienstbarkeit zu Gunsten bloß eines Hälfteanteils an der im Miteigentum des Revisionsrekurswerbers stehenden Liegenschaft nicht möglich ist.

1.4 Kommt aber eine Teillöschung der Dienstbarkeit nicht in Betracht, muss es dem Revisionsrekurswerber wegen des auch im Außerstreitverfahren geltenden prozessualen Günstigkeitsprinzips (5 Ob 184/07f immolex 2008/90 [ Neugebauer ]; 5 Ob 21/12t = RIS‑Justiz RS0125593 [T4]) freistehen, Rechtsmittel gegen die Löschung zu erheben, die auch für den weiteren Hälfteeigentümer der EZ 107 ‑ der sich am Rechtsmittelverfahren nicht beteiligte ‑ wirken.

2. Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist die aufgrund einer agrarischen Operation vorzunehmende Richtigstellung des Grundbuchs.

2.1 Hier geht es um die Verbücherung eines Regelungsplans nach Einleitung des Regulierungsverfahrens betreffend die gemeinschaftlichen Nutzungs‑ und Verwaltungsrechte agrargemeinschaftlicher Grundstücke nach dem Kärntner Flurverfassungs-Landesgesetz 1976 (K‑FLG). Nach § 110 Abs 1 K‑FLG hat die Agrarbehörde nach Rechtskraft des Regelungsplans die zur Richtigstellung des Grundbuchs erforderlichen Behelfe den hierfür zuständigen ordentlichen Gerichten und Behörden einzusenden.

2.2 Gemäß § 110 Abs 2 K‑FLG wird das Grundbuch von Amts wegen richtiggestellt. § 110 Abs 2 K‑FLG folgt damit als Ausführungsgesetz der Anordnung in § 47 Abs 2 Flurverfassungs‑Grundsatzgesetz 1951 (FlVerfGG).

2.3 Aus diesem Amtswegigkeitsprinzip folgt, dass Anträge der Agrarbehörde in solchen Verfahren nur die Bedeutung von Anregungen haben (stRsp; RIS‑Justiz RS0061103). Der „Antrag“ der Agrarbehörde ist daher als bloße Anregung für die amtswegig durchzuführende Berichtigung des Grundbuchs aufzufassen.

3. Der ‑ den Bescheid der ABB samt Regelungsplan teilweise abändernde ‑ Bescheid des Obersten Agrarsenats vom 5. 12. 2012 beendete rechtskräftig das in EZ 259 angemerkte Regulierungsverfahren, das der Regelung der gemeinschaftlichen Nutzungs‑ und Verwaltungsrechte und der Ermittlung des dem Anteilsrecht entsprechenden Anspruchs der einzelnen Parteien auf die Nutzung (§ 86 K‑FLG) diente. Die Bestimmung der Anteile der einzelnen Parteien (vgl § 89 lit c K‑FLG) wurde bereits vom Erstgericht rechtskräftig durch Ersichtlichmachung der Zugehörigkeit näher bezeichneter Stammsitzliegenschaften, darunter die Liegenschaften EZ 101 und 107, zu näher bezeichneten Anteilsrechten verbüchert.

4. Entgegen der Auffassung des Rekursgerichts decken allerdings die bisher im Verfahren vorliegenden Urkunden die Löschung der Grunddienstbarkeit Weide in der EZ 259 (und die damit korrespondierende Ersichtlichmachung in den Liegenschaften EZ 101 und 107) nicht:

4.1 Aus dem von der Agrarbehörde erster Instanz übermittelten Bescheid der ABB bzw dem diesen Bescheid teilweise abändernden Erkenntnis des Obersten Agrarsenats lässt sich nur die Zugehörigkeit der Stammsitzliegenschaften EZ 101 und 107 zu Anteilsrechten von je 5/388‑stel ableiten. Jener Bescheid der ABB vom 30. 4. 1962 hingegen, der nach der Begründung des Erkenntnisses des Obersten Agrarsenats die Feststellung enthalten soll, dass es sich bei zwei zu EZ 259 gehörigen Grundstücken um agrargemeinschaftliche Grundstücke im Sinne des ‑ damals noch in Geltung stehenden ‑ § 36 Abs 1 lit b des Kärntner Flurverfassungs-Landesgesetzes 1936 (LGBl 1936/7) handle und worin ebenfalls festgestellt worden sein soll, dass die Gesamtheit der jeweiligen Eigentümer jener Liegenschaften, an deren Eigentum Anteilsrechte an diesen agrargemeinschaftlichen Grundstücken gebunden sind, die Agrargemeinschaft bilden, liegt im Verbücherungsverfahren ebensowenig vor wie die weiteren, im Erkenntnis des Obersten Agrarsenats verwerteten Bescheide der ABB.

4.2 Auch aus der ebenfalls dieses Regulierungsverfahren betreffenden Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (2009/07/0105), auf die das Rekursgericht Bezug nahm, ist für die grundbuchsrechtliche Beurteilung nichts zu gewinnen:

Der Verwaltungsgerichtshof ging zwar aufgrund des Bescheids der ABB vom 30. 4. 1962 von der Annahme aus, dass die mit dem Übereinkommen aus 1898, das Eintragungsgrundlage für die Dienstbarkeit war, begründeten Weiderechte auf fremdem Grund „bescheidmäßig und rechtskräftig“ in agrargemeinschaftliche Anteilsrechte umgewandelt worden wären.

4.3 Ohne Vorliegen dieses Bescheids lässt sich aber weder die entsprechende Annahme des Verwaltungsgerichtshofs noch jene des Obersten Agrarsenats, der in der Begründung seines Erkenntnisses erkennbar ebenfalls von einer „Transformation der ursprünglichen Weiderechte in agrargemeinschaftliche Anteilsrechte“ ausgeht, mit der für das Grundbuchsverfahren erforderlichen Klarheit nachvollziehen.

5. Daraus folgt, dass die Beschlüsse der Vorinstanzen im angefochtenen Umfang ersatzlos zu beheben sind:

5.1 Aus dem Grundsatz, dass die Richtigstellung des Grundbuchs nach Agraroperationen von Amts wegen vorzunehmen ist, wurde in älteren Entscheidungen abgeleitet, dass die Unvollständigkeit von Entscheidungsgrundlagen nicht zur sofortigen Abänderung bzw ersatzlosen Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen zu führen habe, weil in Wahrnehmung der Amtspflichten, die den Gerichten durch § 47 Abs 2 FlVerfGG bzw einschlägiger landesgesetzlichen Vorschriften auferlegt sind, zunächst eine Behebung des Mangels zu versuchen sei (5 Ob 26/94 NZ 1994/313 ‑ GBSlg [ Hoyer ]; 5 Ob 125/94 NZ 1995/328 ‑ GBSlg [krit Hoyer ]; RIS‑Justiz RS0058915; differenzierend 5 Ob 53/95, wenn die Zielrichtung der Agrarbehörde, die ein Berichtigungsverfahren „veranlasst“, das angestrebte Ergebnis von vornherein ausschließt).

5.2 Hoyer (Glosse zu 5 Ob 125/94 NZ 1995/328 ‑ GBSlg) kritisiert diese Rechtsprechung mit dem Argument, dass schon mehr als zweifelhaft sei, ob das grundbuchsrechtliche Verbot der Zwischenerledigung in Fällen amtswegiger Verbücherung in höheren Instanzen durchbrochen sei. Jedenfalls aber müsse das Rangprinzip beachtet werden. Bei Unvollständigkeit der Eintragungsgrundlagen sei daher die angefochtene Entscheidung und jene des Erstgerichts ersatzlos aufzuheben und die Agrarbehörde auf die Möglichkeit der Übermittlung vollständiger Urkunden und Unterlagen an das Erstgericht zu verweisen.

5.3 Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Dabei ist hervorzuheben, dass eine Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen zur Verfahrensergänzung auch deshalb nicht in Betracht kommt, weil derzeit noch nicht feststeht, ob die Verbücherung in dem vom Revisionsrekurswerber angefochtenen Umfang überhaupt angeordnet werden kann.

5.4 Das Erstgericht wird auf eine Vervollständigung der Entscheidungsgrundlagen, insbesondere durch Vorlage des mit einer Rechtskraftbestätigung versehenen Bescheids der ABB vom 30. 4. 1962, allenfalls durch Vorlage weiterer, im Erkenntnis des Obersten Agrarsenats erwähnter Urkunden, zu dringen (vgl auch § 110 Abs 3 K‑FLG) und insbesondere auch das Übereinkommen vom 25. 4. 1898, das Eintragungsgrundlage für die Dienstbarkeit war und das sich nach den vom Obersten Gerichtshof durchgeführten Erhebungen beim Kärntner Landesarchiv befindet, beizuschaffen haben.

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