OGH 3Ob134/14y

OGH3Ob134/14y18.9.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Wagner Rechtsanwälte GmbH in Schärding, gegen die beklagte Partei H***** GmbH, *****, Deutschland, vertreten durch Dr. Johann Poulakos, Rechtsanwalt in Linz, wegen 110.500 EUR sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 6. Juni 2014, GZ 6 R 84/14m‑25, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Linz vom 26. Februar 2014, GZ 2 Cg 72/13f‑20, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0030OB00134.14Y.0918.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Die klagende Partei, die sich mit der Planung, Projektierung und Realisierung von Solarkraftwerken (Photovoltaikanlagen) befasst, begehrt von der beklagten Partei die der Höhe nach unstrittige Vergütung (110.500 EUR inklusive Mahngebühr) aus einem am 10. Mai 2012 geschlossenen ‑Projektübernahmevertrag/Projektkaufvertrag über die Errichtung und den Betrieb einer Photovoltaikanlage in Deutschland. Die beklagte Partei wandte einen von ihr zu tragenden Mehraufwand von 121.000 EUR im Zusammenhang mit der Pacht der Landfläche als Gegenforderung ein.

Grundlage für die Beurteilung der Berechtigung der Gegenforderung ist der Inhalt des Vertrags vom 10. Mai 2012. Demnach hat der Projektverkäufer (= klagende Partei) mit dem Grundstückseigentümer über das Grundstück, auf dem die Photovoltaikanlage errichtet werden soll, einen (dem Übernahme-/Kaufvertrag angeschlossenen) Pachtvertrag abgeschlossen, mit dem dem Käufer das Recht eingeräumt wird, das Grundstück für die Photovoltaikanlage für die Dauer von mindestens 20 Jahren mit 2 x 5 Jahren Verlängerung zu nutzen. In Vollzug des Verkaufs übertrug der Verkäufer sämtliche Rechte und Pflichten aus dem Pachtvertrag und garantierte dem Käufer das zum Zeitpunkt der Übertragung wirksame, insbesondere formwirksame Bestehen der übertragenen Rechte und Verträge.

Nach § 8 des am 8. April 2011 geschlossenen Pachtvertrags konnten die Vertragsparteien vom Vertrag zurücktreten, wenn nicht binnen acht Monaten nach Vertragsschluss mit der Installation der Photovoltaikanlage begonnen würde. Der Pachtzins sollte für die Pachtdauer von 20 Jahren 125.000 EUR betragen.

Der Geschäftsführer der klagenden Partei versicherte dem Geschäftsführer der beklagten Partei vor Abschluss des Übernahme-/Kaufvertrags, dass der Pachtvertrag gültig sei. Im Februar 2012 informierte einer der Grundeigentümer den Geschäftsführer der beklagten Partei, dass diese in den Pachtvertrag einsteigen können, wenn ein Vertrag mit der klagenden Partei zustande komme und die geplante Photovoltaikanlage umgesetzt werde. Die beklagte Partei erfuhr aber während der Vertragsverhandlungen mit der klagenden Partei weder von dieser noch von den Grundstückseigentümern, dass ein neuer Pachtvertrag auszuhandeln sei; insbesondere wurde auch nicht besprochen, dass der Pachtzins neu zu verhandeln sei.

Noch vor Abschluss des Übernahme-/Kaufvertrags teilte einer der Grundeigentümer der klagenden Partei telefonisch mit, dass der Pachtvertrag vom 8. April 2011 „ausgelaufen“ sei und ein neues Pachtverhältnis abzuschließen sei. Die klagende Partei bereitete in weiterer Folge jedoch keinen neuen Pachtvertrag vor. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Übernahme-/Kaufvertrags bestand zwischen der klagenden Partei und den Grundstückseigentümern kein aufrechtes Pachtverhältnis mehr.

Einem Ersuchen der beklagten Partei, die Sache zu regeln, kam die klagende Partei nicht nach. Da mit einer geplanten Gesetzesnovellierung die Einspeisevergütungen gesenkt werden sollten, fühlte sich die beklagte Partei unter Zeitdruck und schloss am 25. Mai 2012 mit den Grundstückeigentümern einen neuen Pachtvertrag ab; der Pachtzins betrug für die Laufzeit von 20 Jahren 246.000 EUR, also 121.000 EUR mehr. Vor Abschluss dieses Pachtvertrags hat die beklagte Partei keinen Kontakt mehr mit der klagenden Partei hergestellt.

Ausgehend von der Anwendung österreichischen Rechts erkannten die Vorinstanzen die Klageforderung als mit 110.000 EUR zu Recht bestehend und die Gegenforderung als bis zur Höhe der Klageforderung ebenfalls zu Recht bestehend; das Klagebegehren wurde daher abgewiesen.

Ungeachtet einer teilweise unterschiedlichen Begründung liegt der rechtlichen Beurteilung beider Vorinstanzen zugrunde, dass die beklagte Partei angesichts der dargestellten Umstände darauf vertrauen habe dürfen, dass sie entweder in den bestehenden Pachtvertrag zum Pachtzins von 125.000 EUR eintreten könne oder dass die klagende Partei einen Pachtvertrag der beklagten Partei mit den Grundstückseigentümern mit denselben Konditionen „abschlussreif“ vorbereiten werde. Wegen der Verletzung ihrer vertraglichen Verpflichtung hafte die klagende Partei der beklagten Partei für den Ersatz des entstandenen Mehraufwands.

In ihrer außerordentlichen Revision stellt die Klägerin in den Vordergrund, dass eine anfängliche Unmöglichkeit vorliege, weil ein nicht bestehendes Pachtverhältnis nicht weitergegeben werden könne und weil es auch niemandem gelungen wäre, einen neuen Pachtvertrag mit einem Pachtzins von 125.000 EUR auszuhandeln; auf dieser Grundlage könne die klagende Partei höchstens für den Vertrauensschaden aus dem Titel der culpa in contrahendo haften, nicht aber für den Erfüllungsschaden. Weiters scheitere ein Schadenersatzanspruch der beklagten Partei an einer nachträglich von ihr verschuldeten Unmöglichkeit: Die beklagte Partei habe ohne neuerliche Kontaktaufnahme mit der klagenden Partei einen neuen Pachtvertrag zu einem Pachtzins von 246.000 EUR abgeschlossen und der klagenden Partei damit die Möglichkeit genommen, einen günstigeren Pachtzins für die beklagte Partei auszuhandeln. Letztlich habe schon das Erstgericht den Inhalt des Übernahme-/Kaufvertrags unvertretbar ausgelegt, weil der Käufer nicht davon ausgehen habe können, ohne Zustimmung des Verpächters in einen bestehenden Pachtvertrag zu einem Pachtzins von 125.000 EUR eintreten zu können; unter der Vorbereitung eines Vertrags verstehe man nicht dessen Abschluss. Die klagende Partei habe ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht verletzt.

Rechtliche Beurteilung

Eine erhebliche Rechtsfrage wird von der klagenden Partei damit nicht aufgezeigt.

1. Fragen der Vertragsauslegung kommt in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, sofern keine auffallende Fehlbeurteilung, also eine krasse Verkennung der Auslegungsgrundsätze vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss (RIS‑Justiz RS0042936; RS0112106 [T1]). Eine in diesem Sinn vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende auffallende Fehlbeurteilung der Vorinstanzen bei der Auslegung des Übernahme-/Kaufvertrags liegt jedoch nicht vor.

Nach den Feststellungen übertrug der Verkäufer sämtliche Rechte und Pflichten aus dem Pachtvertrag und garantierte dem Käufer das zum Zeitpunkt der Übertragung wirksame Bestehen der übertragenen Rechte und Verträge. Nach dem Pachtvertrag vom 8. April 2011, den die klagende Partei der beklagten Partei übermittelte, betrug der Pachtzins für die Pachtdauer von 20 Jahren 125.000 EUR.

2. Es besteht kein Zweifel, dass zwar eine anfängliche Unmöglichkeit vorliegt, allerdings nur in Form einer „schlichten“ anfänglichen Unmöglichkeit. Die Rechtsfolgen, auf die die klagende Partei abzielt (§ 878 ABGB), würden ein dauerhaftes Leistungshindernis voraussetzen. § 878 ABGB wird im Hinblick auf § 923 ABGB restriktiv interpretiert; die herrschende Ansicht versteht unter Unmöglichkeit nur die rechtliche Unmöglichkeit oder faktische Absurdität der Leistungszusage. In den übrigen Fällen kommt der Vertrag zustande („schlichte Unmöglichkeit“). Selbst der Verkauf einer fremden Sache ist wirksam (RIS‑Justiz RS0010866).

Wie die gewählte Vertragskonstruktion und die grundsätzliche Zustimmung der Liegenschaftseigentümer zur Übernahme des Pachtverhältnisses durch die beklagte Partei augenscheinlich zeigen, bestand im vorliegenden Fall durchaus die Möglichkeit, das Pachtvertragsverhältnis auf die beklagte Partei zu überbinden. Angesichts der von der klagenden Partei abgegebenen, zum Teil als Garantie bezeichneten und auch als solche zu wertenden Zusage, dass das Pachtverhältnis aufrecht ist (und übertragen werden kann), haftet sie der beklagten Partei für das Erfüllungsinteresse (1 Ob 688/83 = SZ 57/37 = JBl 1986, 49 mit kritischer Anmerkung von Wilhelm , JBl 1986, 10 zur konkreten Qualifikation der Garantiezusage; RIS-Justiz RS0110334).

3. Auch aus ihrer Argumentation mit der nachträglichen Unmöglichkeit ist für die klagende Partei nichts zu gewinnen. Abgesehen davon, dass sie (im Rahmen ihres Vorbringens zur angeblichen anfänglichen Unmöglichkeit) selbst behauptet, sie wäre nicht in der Lage gewesen, einen unter 246.000 EUR liegenden Pachtzins auszuhandeln, hat sie nach den Feststellungen ‑ trotz des Ersuchens der beklagten Partei ‑ keinen Versuch unternommen, die Angelegenheit zu regeln. Es liegt kein Fall vor, in dem die beklagte Partei die Erfüllung durch die klagende Partei unmöglich gemacht hätte; vielmehr war die Einhaltung der Leistungszusage schon bei Vertragsabschluss schlicht (anfänglich) unmöglich.

4. Mangels erheblicher Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) ist die außerordentliche Revision der klagenden Partei zurückzuweisen.

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