OGH 9ObA69/14h

OGH9ObA69/14h26.8.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk und Mag. Ernst Bassler als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ö*****, vertreten durch Dr. Alexandra Knell, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei E***** W*****, vertreten durch Freimüller/Obereder/Pilz & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Zustimmung zur Entlassung, in eventu Zustimmung zur Kündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 28. April 2014, GZ 9 Ra 28/14z‑21, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:009OBA00069.14H.0826.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts ist die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt. Bereits die fehlende Relevanz für die Entscheidung schließt das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage aus (RIS‑Justiz RS0088931 [T2, T4, T8]). Dies ist hier aber bei den vom klagenden Arbeitgeber relevierten Rechts- und Verfahrensfragen, die sich ausschließlich mit dem Problem der Wirksamkeit eines auf Betriebsvereinbarungs‑ bzw Einzelvertragsebene vereinbarten Kündigungsausschlusses befassen, der Fall. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO):

Die Zustimmung zur Kündigung kann erteilt werden, wenn das Betriebsratsmitglied die ihm aufgrund des Arbeitsverhältnisses obliegenden Pflichten beharrlich verletzt und dem Betriebsinhaber die Weiterbeschäftigung aus Gründen der Arbeitsdisziplin nicht zugemutet werden kann (§ 121 Z 3 ArbVG). Schon diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die beklagte Arbeitnehmerin und Mitglied des Betriebsrats war als Personalreferentin mit sämtlichen Personalangelegenheiten von ca 290 Mitarbeitern beschäftigt. Dabei war sie regelmäßig auch mit den An‑ und Abmeldungen zur Sozialversicherung sowie mit Drittschuldneranfragen betraut. Wenn der Beklagten Fehler im Zusammenhang mit einzelnen An‑ und Abmeldungen von Mitarbeitern zur Sozialversicherung unterlaufen sind, und sie einmal eine sie betreffende Drittschuldneranfrage nicht sogleich korrekt abgewickelt hat, ist das Kriterium der Beharrlichkeit der Dienstpflichtverletzung noch nicht erfüllt. Unter „beharrlich“ ist nämlich die Nachhaltigkeit, Unnachgiebigkeit oder Hartnäckigkeit des in der Dienstverweigerung zum Ausdruck gelangenden, auf die Verweigerung der Dienste beziehungsweise der Befolgung der Anordnung gerichteten Willens zu verstehen (RIS‑Justiz RS0029746). Für das Vorliegen einer beharrlichen Pflichtverletzung iSd § 121 Z 3 ArbVG ist grundsätzlich eine Abmahnung durch den Arbeitgeber erforderlich (RIS‑Justiz RS0115138). Nur wenn die Weigerung von derart schwerwiegender Art ist, dass auf die Nachhaltigkeit der Willenshaltung des Angestellten mit Grund geschlossen werden kann, ist eine solche Ermahnung nicht erforderlich, weil dann dem Arbeitnehmer die Bedeutung oder das Gewicht seines pflichtwidrigen Verhaltens bekannt sein muss (RIS‑Justiz RS0029746; RS0060669; RS0060612 [T4] uva).

Die Beklagte wurde im Zusammenhang mit den oben genannten Vorfällen vom Arbeitgeber nie verwarnt. Es handelt sich aber auch nicht um derart schwerwiegende Pflichtverletzungen, die eine Ermahnung entbehrlich erscheinen ließen, weil ohne weiteres auf die Nachhaltigkeit der Willenshaltung des Angestellten mit Grund geschlossen werden kann. Allfällige von der Beklagten zu verantwortende Fehler im Zusammenhang mit einzelnen An‑ und Abmeldungen von ca 290 Mitarbeitern lassen nicht schon darauf schließen, dass sie grundsätzlich nicht gewillt ist, ihre Aufgaben als Personalreferentin ordnungsgemäß zu erfüllen. Selbstverständlich hätte die Beklagte die sie betreffende Drittschuldneranfrage sogleich bearbeiten müssen. Berücksichtigt man aber, dass die letztlich bloß verspätete Abwicklung darin lag, dass sie sich zuerst um eine außergerichtliche Klärung und Bereinigung der Angelegenheit bemühte, dann erscheint dieser einmalige Vorfall nicht derart schwer, dass er eine Beendigung des Dienstverhältnisses ohne vorherige Ermahnung rechtfertigt, weil auf die Nachhaltigkeit der Willenshaltung des Angestellten mit Grund geschlossen werden kann.

Schließlich gelang es dem dafür behauptungs- und beweispflichtigen Arbeitgeber auch nicht, das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung der seit November 1999 sonst ohne Beanstandung beschäftigten und seit Oktober 2007 auch als Betriebsratsmitglied tätigen Beklagten aus Gründen der Arbeitsdisziplin (vgl RIS‑Justiz RS0051325) nachzuweisen.

Da somit schon der vom Kläger geltend gemachte Kündigungsgrund nicht vorliegt, ist die von ihm als erheblich im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO bezeichnete Frage der Wirksamkeit des in einer Betriebsvereinbarung festgelegten Kündigungsausschlusses nicht mehr entscheidungsrelevant.

Die außerordentliche Revision des Klägers ist daher zurückzuweisen.

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