OGH 10Ob49/14z

OGH10Ob49/14z26.8.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei *****GmbH, *****, vertreten durch Mag. Jürgen Payer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Hasberger Seitz & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Kosten, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 11. Juni 2014, GZ 5 R 90/14s‑36, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0100OB00049.14Z.0826.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 402 abs 4 und § 78 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Zur Sicherung des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs auf Erbringung vertraglicher Leistungen erließ das Erstgericht am 20. 12. 2013 die begehrte einstweilige Verfügung und trug der Klägerin eine Sicherheitsleistung von 100.000 EUR auf, die erlegt wurde.

Der dagegen erhobene Rekurs der Beklagten blieb erfolglos. Ein Revisionsrekurs wurde nicht erhoben.

In der Verhandlungstagsatzung am 11. März 2014 hob das Erstgericht über Antrag der Beklagten die einstweilige Verfügung auf, nachdem die Klägerin vorgebracht hatte, wegen der durch Kündigung der Beklagten mit 28. 2. 2014 beendeten Geschäftsbeziehung der Streitteile keinen Einwand gegen die Aufhebung zu erheben. Die Klägerin schränkte ihr Klagebegehren auf Kosten ein. Die Beklagte behauptete, das Vertragsverhältnis habe bereits am 15. 12. 2013 geendet. Die Streitteile vereinbarten Ruhen des Verfahrens.

Mit Schriftsatz vom 20. 3. 2014 stellte die Beklagte den Antrag, die von der Klägerin erlegte Kaution nicht der Klägerin auszufolgen, sondern der Beklagen zu überweisen. Sie habe durch die einstweilige Verfügung einen Schaden von zumindest 139.043,67 EUR erlitten. Rechtzeitig vor Ablauf der Frist des § 400 EO habe sie ihren Ersatzanspruch insbesondere gemäß § 394 EO geltend gemacht.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Es sei keiner der in § 394 EO normierten Tatbestände eines Ersatzanspruchs gegeben.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Das Erstgericht habe den Schriftsatz der Beklagten als Antrag zur Geltendmachung eines Anspruchs nach § 394 EO behandelt und zutreffend das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nach dieser Norm verneint. Der Antrag sei zu Recht abgewiesen worden, weil der geltendgemachte Ersatzanspruch jedenfalls derzeit ungerechtfertigt sei und damit keine Grundlage für eine Zurückbehaltung der Sicherheitsleistung biete. Außerdem sei die Anordnung einer Ausfolgung der Sicherheit an den Gegner der gefährdeten Partei ohne Zustimmung der gefährdeten Partei im Provisorialverfahren unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Beklagten dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist unzulässig.

1. Zutreffend und von der Rechtsmittelwerberin ungerügt hat das Gericht zweiter Instanz ausgeführt, dass die Ausfolgung einer Sicherheitsleistung der gefährdeten Partei (§ 390 EO) an den Gegner der gefährdeten Partei ohne Zustimmung der gefährdeten Partei im Provisiorialverfahren unzulässig ist ( G. Kodek in Burgstaller/Deixler-Hübner , EO § 400 Rz 11), fehlt doch hiefür eine gesetzliche Grundlage. Die Realisierung der Sicherheit erfolgt durch Exekutionsführung nach §§ 294 ff EO (3 Ob 2021/96y SZ 69/35; RIS‑Justiz RS0003482; G. Kodek aaO).

2. Die Rechtsmittelwerberin hält den Revisionsrekurs für zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Rechtsfrage fehle, ob sich das Ansuchen der gefährdeten Partei auch dann als „sonst ungerechtfertigt“ im Sinne des § 394 EO erweise, wenn sich dies im Verfahren nach § 394 EO zweifelsfrei erweise.

Dem ist zu erwidern:

3. Der Entschädigungsanspruch nach § 394 Abs 1 EO setzt voraus, dass der Anspruch, zu dessen Sicherung die einstweilige Verfügung bewilligt wurde, rechtskräftig aberkannt wird (1. Fall) oder sich das „Ansuchen ... sonst als ungerechtfertigt erweist“ (2. Fall) oder die Rechtfertigungsfrist (§ 391 Abs 2 EO) ungenützt verstrichen ist (3. Fall).

Unter „Ansuchen“ ist der Antrag auf einstweilige Verfügung zu verstehen, nicht jedoch der der Rechtfertigungsklage zugrundeliegende Anspruch; dessen Schicksal ist durch Fall 1 erfasst (6 Ob 47/99a; König , Einstweilige Verfügungen im Zivilverfahren Rz 5/81). Der Sicherungsantrag erweist sich „sonst als ungerechtfertigt“, wenn er etwa im Rechtsmittelverfahren (oder aufgrund eines Widerspruchs) abgewiesen und die einstweilige Verfügung aufgehoben wird, etwa, weil der zu sichernde Anspruch oder die Gefährdung im Zeitpunkt der Bewilligung nicht bescheinigt waren. Der Sicherungsantrag muss daher grundsätzlich von Anfang an zu Unrecht gestellt worden sein (17 Ob 28/07b SZ 2007/198 mwN). Es handelt sich demnach um Fälle, in denen zwar nicht der zu sichernde Anspruch verneint wurde, wohl aber die Voraussetzungen gefehlt haben, unter denen eine einstweilige Verfügung erlassen werden kann (17 Ob 28/07b). Das trifft im vorliegenden Fall nicht zu. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist im Verfahren über den Ersatzanspruch nach § 394 EO der zu sichernde Anspruch nicht zu prüfen, wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat (17 Ob 28/07b).

4. Die gerügte Nichtigkeit des Verfahrens erster Instanz liegt nicht vor, weil sich die Klägerin zum Ersatzanspruch der Beklagten geäußert hat.

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