OGH 1Ob106/14s

OGH1Ob106/14s24.7.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr.

Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** S*****, vertreten durch Dr. Erich Moser, Rechtsanwalt in Murau, gegen die beklagte Partei P***** S*****, vertreten durch Mag. Günter Novak‑Kaiser, Rechtsanwalt in Murau, wegen Unterhalts, gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 24. März 2014, GZ 2 R 12/14k‑22, womit die außerordentliche Revision der beklagten Partei als „Zulassungsvorstellung samt der ordentlichen Revision“ zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0010OB00106.14S.0724.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung:

Die Ehe der Streitteile wurde im Dezember 2002 einvernehmlich geschieden.

Der anlässlich der Scheidung zwischen den Streitteilen geschlossene Vergleich lautet auszugsweise:

„8. Der … [Beklagte] verpflichtet sich, der … [Klägerin] für die Zeit nach der Ehescheidung Unterhalt zu gewähren wie folgt:

a.) Der Unterhalt wird nach § 66 EheG gewährt.

b.) Für die Zeit … bis zum Erreichen aller Voraussetzungen für die Berufsunfähigkeitspension vereinbaren die Antragsteller einen monatlichen Vertragsunterhalt … an die … [Klägerin] … von EUR 420,-- …

Ab Erreichen des pensionsfähigen Alters oder der Voraussetzungen für eine Berufsunfähigkeitspension erlischt der Vertragsunterhalt und kommt der Unterhaltsanspruch nach § 66 EheG zum Tragen.“

Die Klägerin brachte vor, sie habe mit April 2013 das pensionsfähige Alter erreicht, sodass nun der Unterhaltsanspruch nach § 66 EheG zu erfüllen sei. Der Beklagte habe ab April 2013 verspätet und zu wenig Unterhalt bezahlt, weil ihr monatlich nun 966,83 EUR zustünden. Sie begehrte, den Beklagten schuldig zu erkennen, von 1. 4 bis 31. 7. 2013 die Differenz zum tatsächlich geleisteten Unterhalt (gesamt 1.547,32 EUR sA) sowie ab 1. 8. 2013 an laufendem nachehelichen Unterhalt monatlich 966,83 EUR zu bezahlen und gab den Streitwert mit 13.149,28 EUR an.

Der Beklagte wandte ein, er sei für seine zweite Ehegattin sorgepflichtig, dies sei mit 4 % zu berücksichtigen. Vorrangig stütze er sich darauf, dass die Klage als Titelergänzungsklage jedenfalls abzuweisen sei, weil es sich bei einer solchen um eine Feststellungsklage handeln müsse. Eine Titelergänzungsklage diene nicht dazu, einen neuen Titel zu schaffen. Das Klagebegehren hätte daher richtigerweise darauf lauten müssen, den im Scheidungsvergleich der Klägerin zugesprochenen Unterhaltsanspruch ziffernmäßig zu präzisieren.

Die Klägerin setzte dem entgegen, ihre Klage ziele darauf ab, in Umsetzung von Punkt 8. des Scheidungsfolgenvergleichs einen (neuen) auf Leistung laufenden Unterhaltstitel zu schaffen. Die Bezeichnung (in der Klage) als Titelergänzungsklage stehe ihrer Erledigung nicht entgegen.

Das Erstgericht gab der Klage zur Gänze statt, wobei es davon ausging, dass es sich um eine Titelergänzungsklage handle. Es gab dem Urteilsspruch von Amts wegen die Fassung einer Feststellung.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge und bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, dass es dem modifizierten Klagebegehren der Klägerin auf Leistung stattgab. Es tätigte keinen Bewertungsausspruch und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Letzteres begründete es mit dem Fehlen einer erheblichen Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO.

Die fristgerecht erhobene außerordentliche Revision des Beklagten deutete das Berufungsgericht als Antrag auf Abänderung des Ausspruchs im Berufungsurteil, wonach die ordentliche Revision nicht zulässig sei, und wies diesen samt der „ordentlichen“ Revision zurück.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Beklagten ist berechtigt.

Das Berufungsgericht ging in seiner Entscheidung über die Berufung davon aus, dass eine Klage auf Unterhalt mit einem 30.000 EUR nicht übersteigenden Streitwert vorläge, und beurteilte den Rechtsstreit als Streitigkeit nach § 49 Abs 2 Z 2 JN.

Nach § 502 Abs 4 ZPO ist in den im § 49 Abs 2 Z 1 und 2 JN bezeichneten familienrechtlichen Streitigkeiten die Revision ‑ außer im Falle des § 508 Abs 3 ZPO ‑ jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat.

Zutreffend hat das Berufungsgericht keinen Bewertungsausspruch vorgenommen, weil es keines Ausspruchs des Berufungsgerichts über den Wert des Streitgegenstands gemäß § 500 Abs 2 ZPO bedarf, wenn der Wert des Streitgegenstands nach § 58 JN zu ermitteln ist (RIS‑Justiz RS0042432; RS0110920). Gemäß § 58 Abs 1 JN ist allerdings der Anspruch auf Zahlung des laufenden Unterhalts mit dem Dreifachen der Jahresleistung zu bewerten. Zusätzlich begehrte, bereits fällige Ansprüche führen zu keiner Erhöhung dieser Bewertung (RIS‑Justiz RS0103147 [T1, T12, T14, T23]).

Für die Beurteilung der Berechtigung des Rekurses bedarf es weder der Klärung der Frage, ob es sich bei der Klage um eine Leistungsklage gerichtet auf die Schaffung eines neuen Unterhaltstitels oder um eine Titelergänzungsklage handelt, noch ist im derzeitigen Verfahrensstadium entscheidungserheblich, ob eine Streitigkeit nach § 49 Abs 1 und 2 JN oder eine solche nach § 49 Abs 2a oder 2b JN ‑ wie der Rekurswerber meint ‑ vorliegt.

Läge eine im § 49 Abs 2 Z 2a und 2b JN bezeichnete familienrechtliche Streitigkeit vor, dann wären die streitwertbezogenen Einschränkungen nach § 502 Abs 2 und 3 ZPO für die Zulässigkeit der Revision nicht anwendbar (§ 502 Abs 4 ZPO).

Mit dem Berufungsurteil wurde über laufenden Unterhalt abgesprochen. Auch der Streitwert einer Titelergänzungsklage nach § 10 EO richtet sich nach dem Wert des im zugrundeliegenden Exekutionstitel verbrieften Anspruchs bzw nach dem von der Klage betroffenen Teil davon ( Jakusch in Angst, EO 2 § 10 Rz 18; vgl 3 Ob 127/78 = SZ 51/125).

Bei einem Begehren auf laufenden Unterhalt in Höhe von monatlich 966,83 EUR wäre gemäß § 507b Abs 3 ZPO die außerordentliche Revision des Beklagten dem Obersten Gerichtshof vorzulegen gewesen, weil nach der Bewertungsvorschrift des § 58 Abs 1 JN das Dreifache der Jahresleistung von 11.601,96 EUR (34.805,88 EUR) 30.000 EUR übersteigt.

Da der Rechtsmittelausschluss des § 508 Abs 4 letzter Satz ZPO für die Zurückweisung einer (hier zutreffend erhobenen) außerordentlichen Revision nicht gilt (2 Ob 82/07h ua; RIS‑Justiz RS0122264; RS0115271; vgl auch RS0114002) ist der angefochtene Beschluss ersatzlos aufzuheben. Das gilt auch für den vom Berufungsgericht infolge irriger Umdeutung zurückgewiesenen Antrag auf Abänderung des Zulassungsausspruchs nach § 508 ZPO (RIS‑Justiz RS0115271 [T3]).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO, weil mangels Beteiligung der Klägerin kein Zwischenstreit vorliegt (vgl 3 Ob 275/07y).

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