European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0090OB00047.14Y.0722.000
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.674,80 EUR (darin 445,80 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Mit Urteil des Handelsgerichts Wien vom 27. 9. 2013, GZ 23 Cg 23/11z‑25, wurde das primär auf Zahlung von 633.290,10 EUR sA gerichtete Klagebegehren abgewiesen. Der Kläger hatte sein Begehren darauf gestützt, dass die Beklagte als „Rating-Agentur“ zumindest fahrlässig unrichtige Angaben über die A***** Gruppe AG und die mit diesem Unternehmen eng verflochtene A***** AG gemacht habe, die ihn dazu veranlasst hätten, Genussscheine der A***** Gruppe AG (Emittentin) zu erwerben. Diese Wertpapiere seien nach Insolvenz dieser Gesellschaft im Jahr 2010 wertlos.
Mit Urteil des Oberlandesgerichts Wien ‑ in der Besetzung gemäß § 8 Abs 2 JN ‑ vom 26. 2. 2014, GZ 1 R 237/13z‑29, wurde der dagegen erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge gegeben und ausgesprochen, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
In seiner außerordentlichen Revision lehnte der Kläger den an der Berufungsentscheidung beteiligten fachmännischen Laienrichter KR Mag. S***** ab. Der enge branchenspezifische Zusammenhang zwischen dem Unternehmen der Beklagten, das Businessreports erstelle, und jenem des fachmännischen Laienrichters, das im Geschäftszweig Vermögensberatung tätig sei und seinen Kunden Wertpapierdienstleistungen, Depotanalysen sowie Rendite‑ und Risikobewertungen anbiete, lasse weder die objektive noch subjektive Befangenheit des fachmännischen Laienrichters ausschließen.
Der abgelehnte fachmännische Laienrichter erklärte in seiner Stellungnahme, dass er sich die Ablehnung nicht erklären könne. Eine interne Recherche habe zwar ergeben, dass eine Mitarbeiterin seines Unternehmens über die Firma A***** vier Verträge abgewickelt habe, er selbst habe aber mit diesem Unternehmen keine Geschäfte getätigt und kenne auch keine der in die Rechtssache involvierten Parteien.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Oberlandesgericht Wien den Ablehnungsantrag des Klägers zurück. Es vertrat die Ansicht, das keine Hinweise vorlägen, dass sich der abgelehnte fachmännische Laienrichter von anderen als sachlichen Motiven bei der Willensbildung zur Berufungsentscheidung leiten habe lassen. Er habe erklärt, sich persönlich nicht befangen zu fühlen und zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung von der einmaligen Tätigkeit seiner Mitarbeiterin im Zusammenhang mit einem Unternehmen der A***** Gruppe AG, nichts gewusst zu haben. Aber auch einen äußeren Anschein der Befangenheit des abgelehnten fachmännischen Laienrichters zeige der Kläger mit dem Verweis auf dasselbe Geschäftsfeld, in dem die Unternehmen der Beklagten und des fachmännischen Laienrichters tätig seien, nicht auf. Vielmehr verfüge der fachmännische Laienrichter damit über eine zur Entscheidungsfindung hilfreiche, aus eigener beruflicher Erfahrung erworbene Sachkunde, die nicht vermieden, sondern gesucht werde. Bei anderer Ansicht müssten regelmäßig auch Sachverständige befangen sein. Dass der abgelehnte fachmännische Laienrichter einen ähnlichen Haftungsfall wie jenen, über den im gegenständlichen Verfahren entschieden worden sei, für sein Unternehmen vermeiden müsse ‑ dies stellte allenfalls einen Befangenheitsgrund dar ‑, habe der Kläger nicht behauptet.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Stattgebung des Ablehnungsantrags abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt ‑ im zweiseitigen Rekursverfahren (2 Ob 43/11d; vgl RIS‑Justiz RS0126587; Ballon in Fasching/Konecny³ § 24 JN Rz 2) ‑, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig (§ 24 Abs 2 JN). Er ist aber nicht berechtigt.
Die behauptete Aktenwidrigkeit liegt nicht vor, weil der Kläger tatsächlich keinen konkreten „ähnlich gelagerten Haftungsfall“ genannt hat, der das Unternehmen des abgelehnten fachmännischen Laienrichters betrifft.
Der Berechtigung des vom Rekurswerber behaupteten Verfahrensmangels wegen unterlassener Erhebungen des Oberlandesgerichts Wien im Zusammenhang mit der Involviertheit des Unternehmens des fachmännischen Laienrichters in die A*****‑Causa steht schon das ‑ auch im Rekursverfahren geltende (RIS‑Justiz RS0042091) ‑ Neuerungsverbot des § 482 ZPO entgegen. Da der fachmännische Laienrichter zudem erklärte, über die einmalige Tätigkeit seiner Mitarbeiterin zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung noch gar nicht in Kenntnis gewesen zu sein, war das Oberlandesgericht auch nicht gehalten, von Amts wegen Erhebungen über diesen Sachverhalt zu pflegen. Gegenteiliges war auch nicht im Ablehnungsantrag des Klägers behauptet worden.
In seiner Rechtsrüge wendet sich der Rekurswerber gegen den vom Oberlandesgericht Wien angestellten Vergleich eines fachmännischen Laienrichters mit einem Sachverständigen. Aufgrund der frappierenden Gleichartigkeit der unternehmerischen Interessen des abgelehnten fachmännischen Laienrichters und der Beklagten sei die Neigung, die Tendenz und der Hang des abgelehnten fachmännischen Laienrichters, die Beklagte von einer Haftung freizuhalten, nicht auszuschließen.
Der Oberste Gerichtshof hält diese Rechtsmittelausführungen für nicht stichhältig, erachtet hingegen die damit bekämpften Entscheidungsgründe des angefochtenen Beschlusses für zutreffend (§ 500a ZPO iVm § 526 Abs 3 ZPO).
Das Oberlandesgericht Wien hat die Umstände, die vorliegen müssen, um einen Richter als befangen im Sinne des § 19 Z 2 JN anzusehen, zutreffend dargestellt (RIS‑Justiz RS0046024; RS0045975; RS0046052 ua). Die Bestimmungen der §§ 19 bis 25 JN gelten auch für (fachkundige und fachmännische) Laienrichter (Ballon in Fasching/Konecny³ § 19 JN Rz 2; vgl 17 Ob 30/08y und RIS‑Justiz RS0045951). Davon geht auch der Kläger in seinem Rechtsmittel aus.
Der vom Oberlandesgericht Wien angestellte Vergleich mit der Befangenheit von Sachverständigen ist ‑ jedenfalls in einem weiteren Sinn ‑ durchaus plausibel, weil gemäß § 20 Abs 1 GOG diejenigen Personen zum Amt eines fachmännischen Laienrichters befähigt sind, die infolge ihres Berufes über eine genaue Kenntnis des Handels‑, Schifffahrts‑ oder Bergbaubetriebs und der dafür geltenden Gesetze und Gewohnheiten verfügen. Eine (auch beruflich erworbene) Fachkenntnis des fachmännischen Laienrichters wird vom Gesetz vorausgesetzt.
Mit der bloßen vom Rekurswerber angestellten Vermutung, eine Befangenheit des abgelehnten fachmännischen Laienrichters sei jedenfalls „nicht auszuschließen“, vermag er keinen konkreten Befangenheitsgrund (vgl RIS‑Justiz RS0045962 [T5, T6, T7]) darzulegen.
Aus diesen Gründen muss dem Rekurs des Ablehnungswerbers ein Erfolg versagt bleiben.
Das Ablehnungsverfahren ist ein Zwischenstreit, über dessen Kosten nach den Regeln des Ausgangsverfahrens unabhängig von dessen Ausgang zu entscheiden ist (RIS‑Justiz RS0126588; 2 Ob 43/11d). Der Kläger hat der Beklagten die Kosten ihrer Rekursbeantwortung (Tarifpost 3B) nach §§ 41 iVm 50 ZPO zu ersetzen (3 Ob 18/14i).
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