OGH 10Ob33/14x

OGH10Ob33/14x15.7.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. C***** und 2. J*****, beide *****, 3. J*****, 4. M*****, 5. R*****, 6. C*****, 7. L*****, 8. F*****, 9. J*****, 10. F*****, alle vertreten durch Zumtobel Kronberger Rechtsanwälte OG in Salzburg, gegen die beklagte Partei Anlegerentschädiung von Wertpapierfirmen GmbH, 1040 Wien, Rainergasse 31/8, vertreten durch Preslmayr Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 93.625,82 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 19.371,85 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 6. März 2014, GZ 16 R 209/13t‑12, womit das Teilzwischenurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 27. Juni 2013, GZ 62 Cg 167/12b‑8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei ist die nach § 32 Z 8 WAG 1996, BGBl 1996/753, idF BGBl I 1999/63 eingerichtete Entschädigungseinrichtung nach den §§ 23b bis 23d WAG 1996. Die A***** AG („A*****“) und deren Tochtergesellschaft A***** F***** AG („AF*****“) waren Wertpapierdienstleistungsunternehmen (WPDLU) iSd § 19 Abs 1 WAG 1996 und als solche Mitglieder der beklagten Partei. Über das Vermögen der A***** wurde mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 2. 11. 2005 zu 36 S 41/05z der Konkurs eröffnet, über das Vermögen der AF***** mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 7. 11. 2005 zu 36 S 42/05x.

Die Erstklägerin sowie der Zweitkläger haben am 18. 7. 2000 mit der A***** bzw der AF***** Vermögensverwaltungsverträge geschlossen. Mit Forderungsanmeldung vom 20. 12. 2005 meldeten sie gemeinsam eine Forderung über 68.398,08 EUR in den beiden Konkursverfahren der A***** und der AF***** an. Mangels Deckung ihrer Ansprüche in den Massen meldeten sie gemeinsam diese Forderung am 27. 2. 2006 bei der beklagten Partei an, welche diese Forderungen am 10. 4. 2006 ablehnte. Mit Schreiben vom 24. 9. 2010 korrigierten sie ihre Forderungsanmeldung bei der beklagten Partei auf gemeinsam 20.000 EUR.

Mit der am 24. 12. 2012 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehren die zehn Kläger von der beklagten Partei jeweils Entschädigung für die von ihnen bei der A***** sowie der AF***** angelegten Beträge, die sie jeweils nicht zurückerhalten haben. Die Erstklägerin fordert 20.000 EUR und der Zweitkläger 19.371,85 EUR.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klagebegehren und wendete zu den Forderungen der Erstklägerin und des Zweitklägers, soweit diese einen Betrag von insgesamt 20.000 EUR übersteigen, Verjährung ein. Der Entschädigungsanspruch verjähre gemäß § 1489 ABGB in drei Jahren ab Kenntnis vom Schaden und Schädiger. Die beklagte Partei habe nur für den in der korrigierten Forderungsanmeldung genannten Betrag von insgesamt 20.000 EUR einen Verjährungsverzicht abgegeben.

Die Erstklägerin und der Zweitkläger hielten diesem Vorbringen entgegen, ihr Anspruch sei insbesondere deshalb noch nicht verjährt, weil es sich bei der Haftung der beklagten Partei nach § 23b WAG 1996 um einen Spezialfall einer Ausfallsbürgschaft handle, auf welchen die dreißigjährige Verjährungsfrist anzuwenden sei. Im Übrigen komme die lange Verjährungsfrist nach § 1489 Satz 2 ABGB auch deshalb zur Anwendung, weil ihr Schaden dadurch entstanden sei, dass die verantwortlichen Organe der A*****‑Gruppe das Verbrechen des gewerbsmäßig schweren Betrugs begangen hätten und hiefür auch rechtskräftig verurteilt worden seien.

Das Erstgericht sprach mit Teilzwischenurteil aus, dass die geltend gemachten Ansprüche der Erstklägerin von 20.000 EUR und des Zweitklägers von 19.371,85 EUR nicht verjährt seien.

Es führte in seiner rechtlichen Beurteilung aus, im vorliegenden Fall sei noch das WAG 1996 idF BGBl I 1999/63 anzuwenden. Der Anspruch nach § 23b Abs 2 WAG 1996 habe den wesentlichen Zweck, Anleger vor Betrügereien zu schützen und die Sicherung ihrer Ansprüche im Insolvenzfall zu gewährleisten. Daraus zeige sich, dass der gesicherte Anspruch nicht als Schadenersatzanspruch, sondern als betragsbeschränkte Bürgschaft für den der dreißigjährigen Verjährung unterliegenden Rückzahlungsanspruch der Anleger gegen das WPDLU zu qualifizieren sei. Auch der Anspruch auf Enteignungsentschädigung sowie der Anspruch gegen den Entschädigungsbürgen unterliege nicht der kurzen Verjährungsfrist. Die Ansprüche der beiden Kläger gegen die beklagte Partei verjährten mangels speziellerer Norm nach dreißig Jahren und seien daher unabhängig von der Frage eines Verjährungsverzichts der beklagten Partei nicht verjährt. Die Fragen, ob das Schreiben der Kläger vom 24. 9. 2010 eine Forderungseinschränkung bzw einen teilweisen Forderungsverzicht enthalte, eine Solidarforderung der Kläger vorliege und ob bereits die Fälligkeit der Forderungen eingetreten sei, seien derzeit noch nicht zu prüfen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei keine Folge. Die Frage, ob ein Anspruch nach §§ 23b ff WAG 1996 der kurzen oder langen Verjährungsfrist unterliege, sei in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bisher noch nicht entschieden worden. In der Literatur werde dazu die Ansicht vertreten, dass die Anlegerentschädigung einen Spezialfall der Ausfallsbürgschaft darstelle und daher der für Bürgschaftsschulden geltenden allgemeinen Verjährungsfrist von dreißig Jahren unterliege. Das Berufungsgericht schließe sich dieser Ansicht an, weil sich der gesetzliche Anspruch des Anlegers gegen die Entschädigungseinrichtung nicht aus einem rechtswidrigen, schuldhaften Verhalten ableite, sondern dieser Anspruch dem Anleger eine ‑ betraglich begrenzte ‑ Sicherheit für den Fall gewähre, dass er von seinem in Konkurs befindlichen Vertragspartner keine Leistung erhalte. Es handle sich daher inhaltlich nicht um einen Schadenersatzanspruch des Anlegers, sondern um eine besondere Sicherstellung seiner Forderungen. Das WAG 1996 enthalte keine spezielle gesetzliche Regelung der Verjährungsfrist. Der Hinweis der Berufungswerberin auf die kurze (einjährige) Frist des § 23c Abs 2 WAG 1996 für die Anmeldung der Forderung bei der beklagten Partei vermöge die Anwendbarkeit der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1489 erster Satz ABGB nicht zu begründen, weil dieser Zwang zur raschen Anmeldung der baldigen Klärung der Frage, ob und in welchem Umfang die beklagte Partei in Anspruch genommen werde, diene. Mit der Annahme einer langen Verjährungsfrist für die Durchsetzung der Ansprüche selbst stehe dies nicht im Widerspruch, weil der Zweck der raschen Klärung bereits mit der kurzen Anmeldungsfrist erreicht werde.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil die Frage der rechtlichen Qualifikation von Ansprüchen nach § 23b WAG 1996 und damit nach der Anwendbarkeit der (kurzen) Verjährungsfrist des § 1489 ABGB bisher ‑ soweit überblickbar ‑ vom Obersten Gerichtshof noch nicht entschieden worden sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Wesentlichen dahin abzuändern, dass das Klagebegehren der Erstklägerin und des Zweitklägers von insgesamt 39.371,85 EUR hinsichtlich eines Betrags von 19.371,85 EUR wegen Verjährung abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Erstklägerin und der Zweitkläger beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision der beklagten Partei als unzulässig zurückzuweisen bzw ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Die beklagte Partei macht in ihrem Rechtsmittel im Wesentlichen geltend, der von den beiden Klägern geltend gemachte Entschädigungsanspruch leite sich entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts sehr wohl aus einer widerrechtlichen Verhaltensweise, nämlich der rechtswidrigen Aneignung von Kundengeldern durch den Wertpapierdienstleister ab. Diesen für die Bestimmung der Verjährungsfrist maßgeblichen schadenersatzrechtlichen Charakter der Anlegerentschädigung lasse die von den Vorinstanzen vorgenommene Einordnung als Ausfallsbürgschaft außer Acht. Nach § 1489 ABGB sei jede Entschädigungsklage in drei Jahren von der Zeit an verjährt, zu der der Schaden und die Person des Schädigers dem Geschädigten bekannt wurden. Diese Bestimmung sei auf alle Ersatzansprüche aus einer widerrechtlichen Handlung anwendbar, insbesondere auch auf verschuldensunabhängige Schadenersatzansprüche. Nach der Rechtsprechung fielen unter den Begriff der „Entschädigungsklage“ auch alle Ersatzforderungen wegen Nichterfüllung oder mangelnder Erfüllung, auch wenn der Erfüllungsanspruch selbst der dreißigjährigen Verjährung unterliege. Auch Garantieansprüche in dreipersonalen Verhältnissen, die schadenersatzrechtlicher Natur seien, verjährten nach der Rechtsprechung nach bereits drei Jahren. Nichts anderes könne für die Anlegerentschädigung gelten. Auch für Ansprüche aus einer Versicherung sehe der Gesetzgeber eine dreijährige Verjährungsfrist vor. Ein Bedürfnis nach einer längeren Verjährungszeit bestehe nicht. Entschädigungsansprüche gemäß § 23b WAG 1996 verjährten daher innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1489 ABGB, welche im vorliegenden Fall jedenfalls mit dem Zeitpunkt der Forderungsanmeldung der beiden Kläger am 27. 2. 2006 zu laufen begonnen habe und daher hinsichtlich eines Betrags von 19.371,85 EUR verstrichen sei. Dementsprechend hätten die Vorinstanzen das Klagebegehren der Erstklägerin und des Zweitklägers im Umfang von 19.371,85 EUR wegen Verjährung abweisen müssen.

Weiters macht die beklagte Partei geltend, dass entgegen der Rechtsansicht der beiden Kläger § 1489 zweiter Satz ABGB ihr gegenüber keine Anwendung finde. Die dreißigjährige Verjährungsfrist aufgrund gerichtlich strafbarer Handlungen, die nur vorsätzlich begangen werden können und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht sind, laufe nämlich nur gegen diejenigen, deren Tathandlung iSd § 1489 zweiter Satz ABGB qualifiziert sei; für andere Mithaftende gelte die dreijährige Verjährungsfrist.

Diesen Ausführungen der Revisionswerberin ist zunächst insoweit beizupflichten, als die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 1489 zweiter Satz zweiter Fall ABGB nach herrschender Auffassung nur auf den Straftäter selbst anwendbar ist. Für Personen, die ‑ aus welchen Gründen immer ‑ mithaften, ohne selbst eine qualifiziert strafbare Handlung verübt zu haben, kommt die dreißigjährige Verjährungsfrist nicht zur Anwendung (vgl Vollmaier in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang ³ § 1489 Rz 47; R. Madl in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.01 § 1489 Rz 23 jeweils mwN; RIS‑Justiz RS0034423 [T2]). Die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 1489 Satz 2 zweiter Fall ABGB kommt daher im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung.

Hingegen kann der weiteren Rechtsansicht der Revisionswerberin, Entschädigungsansprüche gemäß § 23b WAG 1996 unterlägen der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1489 Satz 1 ABGB aufgrund folgender Erwägungen nicht gefolgt werden:

1. Es ist nicht strittig, dass auf Sachverhalte, die sich ‑ wie hier ‑ vor dem Inkrafttreten des WAG 2007 mit 1. 11. 2007 verwirklicht haben, weiterhin das WAG 1996 idF der Novelle BGBl I 1999/63 anzuwenden ist (7 Ob 165/10f).

2. Nach § 23b Abs 1 WAG 1996 haben Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die die Verwaltung von Kundenportefeuilles mit Verfügungsvollmacht im Auftrag des Kunden durchführen, einer Entschädigungseinrichtung anzugehören. Die Entschädigungseinrichtung ist gemäß § 23b Abs 2 WAG 1996 in Form einer Haftungsgesellschaft als juristische Person zu betreiben. Die Entschädigungseinrichtung hat zu gewährleisten, dass insbesondere im Fall der Eröffnung des Konkurses über ein Mitgliedsinstitut Forderungen eines Anlegers aus Wertpapierdienstleistungen gemäß § 93 Abs 2a BWG bis zu einem Höchstbetrag von 20.000 EUR oder Gegenwert in fremder Währung pro Anleger auf dessen Verlangen und nach Legitimierung innerhalb von drei Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem Höhe und Berechtigung der Forderung festgestellt wurden, ausbezahlt werden. Die Entschädigungseinrichtung hat gemäß § 23b Abs 3 WAG 1996 Anleger für Forderungen aus Wertpapierdienstleistungen zu entschädigen, die dadurch entstanden sind, dass ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen nicht in der Lage war, entsprechend den gesetzlichen oder vertraglichen Regelungen Gelder zurückzuzahlen, die Anlegern im Zusammenhang mit Wertpapierdienstleistungen geschuldet werden oder den Anlegern Instrumente zurückzugeben, die diesen gehören und für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften verwaltet werden.

2.1 Wesentlicher Zweck des Systems der Anlegerentschädigung ist der Schutz der Anleger vor „Betrügereien“ (vgl Erwägungsgrund 3 der Anlegerentschädigungs‑Richtlinie 97/9/EG) und die Sicherung ihrer Ansprüche im Insolvenzfall. Das Anlegerentschädigungssystem bezweckt typischerweise die Sicherung des Insolvenzrisikos eines Finanzdienstleisters. Es soll ein unternehmensbezogenes wirtschaftliches Risiko im volkswirtschaftlichen Interesse der Stabilität der Finanzmärkte abgesichert werden ( Linder in Gruber/N. Raschauer , WAG § 75 Rz 1). Eine Pflicht zur Entschädigung besteht gemäß § 23b Abs 3 WAG 1996 nur für Forderungen von Anlegern aus Wertpapierdienstleistungen, die daraus resultieren, dass ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen außer Stande war, entsprechend den gesetzlichen oder vertraglichen Regelungen Anlegern ihr im Zusammenhang mit Wertpapierdienstleistungen geschuldetes Geld zurückzuzahlen oder Anlegern ihre Instrumente, die auf deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapierdienstleistungen verwaltet wurden, zurückzustellen. Mit „gesetzlichen Regelungen“ iSd § 23b Abs 3 WAG 1996 ist der allgemeine Rückforderungsanspruch des Anlegers für sein Geld oder seine Instrumente gemeint, der sich aus dem Schadenersatz‑, Bereicherungs‑ oder Sachenrecht ergeben kann ( Linder aaO WAG § 75 Rz 23; Isola/Rapani in Brandl/Saria , WAG² § 75 Rz 7 mwN). Die Entschädigung ist gemäß § 23b Abs 2 WAG 1996 auf Verlangen und nach Legitimierung des Anlegers innerhalb von drei Monaten ab dem Zeitpunkt auszubezahlen, zu dem Höhe und Berechtigung der Forderung festgestellt wurden. Dies bedeutet, dass Anleger zunächst innerhalb des Anmeldezeitraums von einem Jahr ab Konkurseröffnung ihre Ansprüche anzumelden haben (vgl § 23c Abs 2 WAG 1996). Der Entschädigungsanspruch des Anlegers ist nach fristgerechter Anmeldung grundsätzlich mit Ablauf der Auszahlungsfrist nach § 23b Abs 2 WAG 1996 fällig (vgl Linder aaO § 75 WAG Rz 30). Die Entschädigungseinrichtung hat gegen das betroffene Wertpapierdienstleistungsunternehmen einen Rückgriffs‑ anspruch hinsichtlich der Entschädigungsleistung und der Kosten. Beruht der Entschädigungsfall auf fehlerhafter Aufsicht und stehen Anlegern gegen den Bund aus diesem Grund Amtshaftungsansprüche zu, gehen diese in Höhe der geleisteten Entschädigungen auf die Entschädigungseinrichtung über. Der Regressanspruch der Entschädigungseinrichtung gegen den Bund verjährt nach der Rechtsprechung in dreißig Jahren (vgl Linder aaO § 75 WAG Rz 33 mwN; 1 Ob 31/08b).

3. Die im vorliegenden Fall strittige Frage, ob ein Anspruch nach § 23b WAG 1996 der dreijährigen oder der dreißigjährigen Verjährungsfrist unterliegt, konnte der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 7 Ob 165/10f unter Hinweis auf die diesbezüglichen Literaturmeinungen von Linder in Gruber/N. Raschauer , WAG § 75 Rz 30 und Winternitz/Aigner , WAG 2007, 61 f unbeantwortet lassen. Auch in der Entscheidung 9 Ob 55/12x konnte eine Auseinandersetzung mit der Anwendbarkeit der kurzen oder langen Verjährungsfrist unterbleiben, weil die Fälligkeit des Anspruchs erst im Laufe des Verfahrens eingetreten war.

3.1 In der Literatur vertritt Wilhelm (Zur Anlegerentschädigung nach dem Wertpapier‑ aufsichtsgesetz, ecolex 2007, 422 [426]) die Ansicht, dass die Anlegerentschädigung ein Spezialfall der Ausfallsbürgschaft sei, weshalb mit Zahlung die Konkursforderung des Anlegers gegen das Wertpapierdienstleistungsunternehmen ipso iure auf die Entschädigungseinrichtung übergehe. Winternitz/Aigner (in WAG 2007, 61 f) verweisen darauf, dass die Frage der Verjährung der Forderungen gegenüber der Entschädigungseinrichtung vom Gesetzgeber nicht geregelt werde. Sehe man mit der Ansicht von Wilhelm (ecolex 2007, 426) die Deckungspflicht der Entschädigungseinrichtung als sondergesetzlichen Fall der Ausfallsbürgschaft an, dann wären konsequenterweise auch die für die Bürgschaft geltenden Verjährungsregeln heranzuziehen. Für Bürgschaftsschulden gelte die allgemeine Verjährungszeit von dreißig Jahren. Da aber die Verbindlichkeit des Bürgen verhältnismäßig mit der Verbindlichkeit des Schuldners aufhöre, erlösche die Bürgschaft mit der Verjährung der Hauptschuld. Der Anspruch, der dem Anleger zustehe, sei auf Erstattung (Naturalrestitution, Rückgabe, Rückzahlung) gerichtet und unmittelbar im Gesetz begründet. Die Qualifikation als Schadenersatzanspruch überzeuge im Ergebnis nicht, weil Verschulden keine Tatbestandsvoraussetzung sei. Richtigerweise und mangels anderer ausdrücklicher Regelung werde man daher für den Anspruch gegenüber der Anlegerentschädigungseinrichtung eine Verjährungszeit von dreißig Jahren annehmen müssen. Auch Linder (in Gruber/N. Raschauer , WAG § 75 Rz 30) vertritt unter Berufung auf die zitierten Ausführungen von Winternitz/Aigner , WAG 2007, 61 f die Auffassung, dass Ansprüche des Anlegers gegen die Entschädigungseinrichtung in dreißig Jahren verjähren.

4. Der erkennende Senat schließt sich den Argumenten der zitierten Literaturmeinungen an. Gemäß § 23b Abs 2 WAG 1996 hat die Entschädigungseinrichtung zu gewährleisten, dass im Fall der Eröffnung des Konkurses über ein Mitgliedsinstitut Forderungen eines Anlegers aus Wertpapierdienstleistungen bis zu einem Höchstbetrag von 20.000 EUR innerhalb von drei Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem Höhe und Berechtigung der Forderung festgestellt werden, ausbezahlt werden. Die Entschädigungseinrichtung hat nach § 23b Abs 3 WAG 1996 Anleger für Forderungen zu entschädigen, die dadurch entstanden sind, dass ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen nicht in der Lage war, entsprechend den gesetzlichen oder vertraglichen Regelungen die geschuldeten Gelder zurückzuzahlen oder die für die Rechnung der Anleger verwalteten Instrumente zurückzugeben. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass der Anspruch des Anlegers auf Erstattung (Naturalrestitution, Rückgabe, Rückzahlung) gerichtet ist und die Zahlung der Entschädigungseinrichtung daher in der Regel bloß den Rückzahlungs‑ bzw Herausgabeanspruch des Anlegers gegenüber dem betroffenen Kreditinstitut substituiert (vgl Gaggl , Rückangriffsansprüche der Einlagensicherungseinrichtung gegen Dritte, ZFR 2007/27, 87 [88]; B. Raschauer/N. Raschauer , Unmittelbare Anwendbarkeit der Anlegerentschädigungsrichtlinie? ÖZW 2014, 2 [7]). Dem Anleger wird daher von der Entschädigungseinrichtung nicht Schadenersatz für ein rechtswidriges, schuldhaftes Verhalten geleistet, sondern es wird dem Anleger nach zutreffender Rechtsansicht des Berufungsgerichts eine ‑ betraglich begrenzte ‑ Sicherheit für den Fall gewährt, dass er von seinem in Konkurs befindlichen Vertragspartner keine Leistung erhält. Diese in § 23b Abs 2 WAG 1996 vorgesehene Deckungspflicht der Entschädigungseinrichtung ist nach zutreffender Ansicht von Wilhelm (in ecolex 2007, 426) als sondergesetzlicher Fall der Ausfallsbürgschaft anzusehen. Die Haftung besteht im Wesentlichen nur im Fall der Zahlungsunfähigkeit des betreffenden Wertpapierdienstleistungsunternehmens, sodass insofern die Konstruktion einer gesetzlichen Ausfallsbürgschaft vorliegt.

5. Dem Hinweis der Revisionswerberin auf die Entscheidungen 7 Ob 194/09v und 7 Ob 197/09k hat bereits das Berufungsgericht zutreffend entgegengehalten, dass in beiden Fällen nur die Frage zu beantworten war, ob die beklagte Rechtsschutzversicherung nach ihren Allgemeinen Vertragsbedingungen (ARB) eine Deckungspflicht für die Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Haftungsgesellschaft nach dem WAG treffe. Der Oberste Gerichtshof bejahte diese Frage mit der Begründung, dass die Durchsetzung dieser Ansprüche, weil sie Schadenersatzansprüche voraussetzen, zumindest im Zweifel (§ 915 ABGB) „die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts wegen eines erlittenen Vermögensschadens“ im Sinne des nach Vertragsauslegungsgrundsätzen (§§ 914 f ABGB) entsprechend dem Verständnis eines durchschnittlich versierten Versicherungsnehmers zu interpretierenden Art 19 ARB 1995 darstelle. Der Oberste Gerichtshof hat somit die Natur der Entschädigungsansprüche nach dem WAG nur im Zusammenhang mit den ARB beurteilt und zur Frage des Vorliegens einer gesetzlichen Ausfallsbürgschaft inhaltlich nicht Stellung genommen.

6. Nach § 1489 Satz 1 ABGB ist jede Entschädigungsklage grundsätzlich in drei Jahren von der Zeit an verjährt, zu welcher der Schaden und die Person des Schädigers dem Beschädigten bekannt wurde. Der Zweck dieser kurzen Verjährungsfrist wird darin gesehen, Schadenersatzansprüche im Interesse aller Beteiligten möglichst rasch zu klären, um die (gerade bei Delikten) mit dem Verlauf der Zeit immer größer werdenden Beweisschwierigkeiten zu vermeiden (vgl R. Madl in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.01 § 1489 Rz 3 mwN).

6.1 Der Revisionswerberin ist darin zu folgen, dass unter dem Begriff der „Entschädigungsklage“ iSd § 1489 ABGB alle Schadenersatzansprüche, und zwar sowohl deliktische als auch vertragliche, zu verstehen sind, daher auch Ersatzforderungen wegen Nicht‑ oder Schlechterfüllung, mag auch der Erfüllungsanspruch selbst erst in dreißig Jahren verjähren. Dabei kommt es auf den Rechtsgrund der Entschädigungsklage ebenso wenig an wie auf den Gegenstand des Ersatzes oder den Grad des Verschuldens. Nach § 1489 ABGB verjähren weiters Ansprüche eines Verbrechensopfers gegen den Bund nach dem Verbrechensopferhilfegesetz sowie Garantieansprüche in dreipersonalen Verhältnissen. § 1489 ABGB ist jedoch jedenfalls nicht auf solche Ansprüche anzuwenden, die auf keiner Schadenszufügung beruhen, daher zum Beispiel nicht auf Aufwandersatzansprüche wegen Geschäftsführung ohne Auftrag, Bereicherungsansprüche oder Enteignungsentschädigungen (vgl R. Madl in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.01 § 1489 Rz 5 f mwN).

7. Das Gesetz enthält keine Regelung über die Verjährung von Ansprüchen nach den §§ 23b ff WAG 1996. Auch in dem hier noch nicht anwendbaren WAG 2007, BGBl I 2007/60, findet sich dazu keine Regelung. Da es sich bei der Deckungspflicht der Entschädigungseinrichtung nach Ansicht des erkennenden Senats um einen Fall der gesetzlichen Ausfallsbürgschaft handelt, sind konsequenterweise auch die für die Bürgschaft geltenden Verjährungsregeln heranzuziehen. Für Bürgschaftsschulden gilt die allgemeine Verjährungszeit von dreißig Jahren, wobei aber die Bürgschaft erlischt, wenn sie zur Sicherung einer der kurzfristigen Verjährung unterliegenden Forderung eingegangen worden ist, mit der Verjährung der Hauptschuld (RIS‑Justiz RS0032296; RS0032209). Der Anspruch, der dem Anleger zusteht, ist aber auf Erstattung (Naturalrestitution, Rückgabe, Rückzahlung) seines Geldes bzw seiner Wertpapiere gerichtet und unmittelbar im Gesetz begründet. Mangels anderslautender Regelung beträgt daher die Verjährungszeit für den Anspruch des Anlegers gegenüber der Anlegerentschädigungseinrichtung dreißig Jahre (vgl Winternitz/Aigner , WAG 2007, 62; Linder in Gruber/N. Raschauer , WAG § 75 Rz 30).

7.1 Soweit die Revisionswerberin demgegenüber unter Bezugnahme auf einen schadenersatzrechtlichen Charakter der Anlegerentschädigung die Anwendung der kurzen Verjährungsfrist nach § 1489 Satz 1 ABGB verlangt, ist ihr wiederum entgegenzuhalten, dass die Anlegerentschädigung nicht den Ersatz einer rechtswidrigen Schädigung, sondern die teilweise Erstattung der vom betreffenden Wertpapierdienstleistungsunternehmen geschuldeten Gelder bzw Wertpapiere zum Inhalt hat. Den von der Revisionswerberin bei einer Geltung der dreißigjährigen Verjährungsfrist befürchteten Beweisschwierigkeiten hat der Gesetzgeber insofern Rechnung getragen, als er eine kurze (einjährige) Frist für die Anmeldung der Forderung vorgesehen hat (§ 23c Abs 2 WAG 1996) und der Zweck der raschen Klärung bereits weitgehend mit dieser kurzen Anmeldungsfrist erreicht wird.

8. Da ausgehend von einer dreißigjährigen Verjährungsfrist die von der Erstklägerin und dem Zweitkläger geltend gemachte Klagsforderung keinesfalls verjährt ist, erübrigt sich ein weiteres Eingehen auf die Revisionsausführungen zum Beginn der Verjährungsfrist.

Der Revision musste daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 4 iVm § 52 Abs 4 ZPO (vgl 2 Ob 6/13s mwN).

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