OGH 8Ob57/14m

OGH8Ob57/14m26.6.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** Baugesellschaft mbH, *****, vertreten durch Mag. Christian Posch, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei H***** P*****, vertreten durch Dr. Roland Reichl, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 200.000 EUR sA und Feststellung (Gesamtstreitwert 210.000 EUR), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 13. März 2014, GZ 3 R 35/14h‑12, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wels vom 17. Dezember 2013, GZ 36 Cg 53/14t‑9, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.430,54 EUR (darin enthalten 405,09 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Mit Kaufvertrag vom 22. 7. 2010 erwarb die Klägerin vom Beklagten ein Baugrundstück mit einer Fläche von 3.074 m² zum Kaufpreis von 260.000 EUR. Am 2. 5. 2011 wurde der Klägerin von der zuständigen Gemeinde die Bauplatz‑ und Baubewilligung zur Errichtung von drei Mehrfamilienhäusern mit je sechs Wohnungen erteilt. Im Zuge der Baumaßnahmen stellte sich heraus, dass das Grundstück im Einflussbereich der Gleitflächen witterungsbedingter Hangbewegungen (Kriechhang) liegt.

Das Grundstück weist eine Neigung auf, die offenkundig war. Nach dem Flächenwidmungsplan ist das Grundstück als Bauland gewidmet. Unmittelbar angrenzend an dieses befinden sich zahlreiche Einfamilienhäuser. Im Kaufvertrag wurde der Klägerin das Recht eingeräumt, die zur Prüfung der Bebaubarkeit der Liegenschaft erforderlichen Maßnahmen zu treffen. In einer von der Klägerin eingeholten (vor-)gutachterlichen Stellungnahme wurde festgehalten, dass das Grundstück aus geotechnischer Sicht als bebaubar angesehen werden könne. Im Rahmen des Bauverfahrens verlangte die Baubehörde von der Klägerin die Vorlage eines geotechnischen Bodengutachtens. In diesem Gutachten wurde ausgeführt, dass der Untergrund grundsätzlich als standsicher bezeichnet werden könne. Aufgrund der doch großen Aushubtiefen seien entsprechende Sicherungsmaßnahmen erforderlich.

Die Klägerin begehrte Preisminderung aus dem Titel der Gewährleistung, in eventu Vertragsanpassung wegen listiger Irreführung bzw wegen Irrtums; zudem erhob sie ein Feststellungsbegehren. In den vergangenen Jahrzehnten hätten sich im Bereich des fraglichen Grundstücks wiederholt Kriechbewegungen und Rutschvorgänge in unterschiedlicher Intensität ereignet. Der Beklagte habe seine Aufklärungspflichten verletzt, zumal er von der geologischen Problematik des Kaufgegenstands gewusst habe. Die durch die Hangrutschungen erforderlichen Sanierungskosten würden rund 1 Million EUR betragen.

Der Beklagte entgegnete, dass ihm die Kriechbewegungen bzw Hangrutschungen nicht bekannt gewesen seien. Die vereinbarte Baulandwidmung sei gegeben. Alle Vertragspflichten seien von ihm ordnungsgemäß erfüllt worden. Der Umstand, dass die Kosten für eine Bebauung des Grundstücks wahrscheinlich höher als vorgesehen seien, begründe eine Fehlkalkulation der Klägerin, für die er nicht einzustehen habe. Der Klägerin sei sogar die Vollmacht erteilt worden, die für die Prüfung der Bebaubarkeit der Liegenschaft erforderlichen Maßnahmen zu treffen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Die Gewährleistungsverpflichtungen des Beklagten seien im Kaufvertrag taxativ aufgezählt worden. Ein Gewährleistungsfall liege nicht vor. Zudem könne dem Beklagten auch keine Verletzung der Aufklärungspflicht angelastet werden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge, hob das angefochtene Urteil des Erstgerichts auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Der Ansicht des Erstgerichts, dass der Beklagte nur für die im Kaufvertrag ausdrücklich angeführten Fallgestaltungen gewährleistungsrechtlich einzustehen habe, sei nicht zu folgen. Ein Gewährleistungsverzicht sei im Kaufvertrag nicht vereinbart worden. Grundsätzlich habe die Klägerin als Käuferin des als Bauland gewidmeten Grundstücks das Baugrundrisiko und damit die im Rahmen der Bauführung aus einer unerwarteten Bodenbeschaffenheit resultierenden Mehrkosten zu tragen. Dies gelte nur dann nicht, wenn die Bauführung bei objektiver Betrachtung mit wirtschaftlich vertretbaren Mitteln, also wirtschaftlich vernünftig, nicht möglich sei. Dagegen spreche allerdings, dass die Klägerin von der Weiterverfolgung des Projekts nicht Abstand genommen habe. Aus diesem Grund komme ein auf Gewährleistung gegründeter Preisminderungsanspruch nicht in Betracht, es sei denn, der Beklagte hätte im Übergabezeitpunkt von einer allenfalls gegebenen „Rutschhangeigenschaft“ (Kriechhang) Kenntnis gehabt. Da es das Erstgericht unterlassen habe, zu dieser Frage die als Zeugen angebotenen Anrainer einzuvernehmen, liege ein relevanter Verfahrensmangel vor. Aus diesem Grund sei das angefochtene Urteil des Erstgerichts aufzuheben. Eine Irrtumsanfechtung infolge gemeinsamen Irrtums sei von der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren nicht geltend gemacht worden. Die entsprechenden Berufungsausführungen verstießen gegen das Neuerungsverbot. Die geltend gemachte Schadenersatzforderung sei mit der Klägerin zu erörtern. Für den Fall, dass sie ihren Preisminderungsanspruch aufrechterhalte, seien jene Beträge aus dem Schadenersatzbegehren auszuscheiden, die auf die Hangsicherungskosten zur Herbeiführung der Bebaubarkeit des Grundstücks zurückzuführen seien. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil zur Reichweite der gewährleistungsrechtlichen Einstandspflicht eines Verkäufers eines als Bauland gewidmeten Grundstücks bei im Rahmen der Bauführung auftretenden Mehrkosten, die aus einer unerwarteten Bodenbeschaffenheit resultierten, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen den Aufhebungsbeschluss richtet sich der Rekurs der Klägerin, die auf eine Bejahung ihres Preisminderungsanspruchs, in eventu ihres Vertragsanpassungsanspruchs, abzielt.

Mit seiner Rekursbeantwortung beantragt der Beklagte, den Rekurs zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs erweist sich als unzulässig.

1. Aufgrund eines Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts im Sinn des § 519 Abs 1 Z 2 ZPO wird ein Aufhebungsbeschluss grundsätzlich anfechtbar. Der Zweck des Rekurses besteht allerdings in der Überprüfung der Rechtsansicht des Berufungsgerichts durch den Obersten Gerichtshof. Dementsprechend muss im Rekurs eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO geltend gemacht werden. Ist dies nicht der Fall, so muss der Rekurs zurückgewiesen werden (8 Ob 101/11b mwN).

Die Grundsätze zur Beurteilung der vom Berufungsgericht als erheblich qualifizierten Rechtsfrage sind in der Rechtsprechung längst geklärt. Auch sonst zeigt die Klägerin in ihrem Rekurs keine erhebliche Rechtsfrage auf.

2.1 Die Klägerin stützt sich in ihrem Rekurs in erster Linie auf einen Preisminderungsanspruch aus dem Titel der Gewährleistung und in eventu auf eine Vertragsanpassung nach § 872 ABGB zufolge eines gemeinsamen Irrtums.

Eine Mangelhaftigkeit im Sinne einer Vertragswidrigkeit besteht in einer qualitativen oder quantitativen Abweichung der Leistung vom vertraglich Geschuldeten. Der geschuldete Vertragsgegenstand wird durch die gewöhnlich vorausgesetzten oder die ausdrücklich oder stillschweigend zugesicherten Eigenschaften bestimmt. Ob eine Eigenschaft als zugesichert anzusehen ist, hängt nicht davon ab, was der Erklärende wollte, sondern was der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben aus der Erklärung des Vertragspartners erschließen durfte. Seine berechtigte Erwartung ist an der Verkehrsauffassung zu messen. Der Kaufgegenstand muss auch der Natur des Geschäfts oder der geschlossenen Verabredung entsprechend benützt und verwendet werden können. Die Vertragswidrigkeit eines Leistungsgegenstands ist allerdings nicht abstrakt, sondern immer aufgrund des konkreten Veräußerungsvertrags zu beurteilen (9 Ob 50/10h).

Aus diesen Grundsätzen folgt, dass beim Erwerb eines Baugrundstücks ohne Hinweis auf eine besondere Bodenbeschaffenheit im Allgemeinen ein natürlich gewachsener Untergrund erwartet werden kann (vgl 9 Ob 50/10h). Geschuldet wird die objektive Bebaubarkeit. Durch die allgemein gehaltene Mitteilung des Verwendungszwecks kann der Käufer das an die freie Auswahl des Kaufgegenstands geknüpfte Eigenrisiko grundsätzlich aber nicht auf den Verkäufer überwälzen (RIS‑Justiz RS0018569). Den Vorinstanzen ist daher darin beizupflichten, dass für die Möglichkeit des Bauens nach einem bestimmten Plan oder zu einer bestimmten Zeit grundsätzlich nicht Gewähr zu leisten ist. Das Risiko erhöhter Baukosten trägt mangels gegenteiliger Vereinbarung grundsätzlich der Käufer.

2.2 Die objektive Bebaubarkeit des Grundstücks war im Anlassfall zweifellos gegeben. Dafür spricht schon die Baulandwidmung des hier fraglichen Grundstücks sowie der Umstand, dass der Klägerin für die Verwirklichung ihres Bauprojekts eine Baubewilligung erteilt wurde. Im Anlassfall kommt entscheidend hinzu, dass die Klägerin zunächst ‑ entsprechend der Vertragslage ‑ eine (vor‑)gutachterliche Stellungnahme eingeholt hat. Danach wurde das Grundstück aus geotechnischer Sicht als bebaubar angesehen; größere Aushubtiefen sollten vermieden werden, um ein Nachrutschen der benachbarten Böschung auszuschließen. Im Rahmen des Bauverfahrens wurde von der Klägerin die Vorlage eines geotechnischen Bodengutachtens verlangt. Darin wurde der Untergrund grundsätzlich als standsicher bezeichnet. Aufgrund der großen Aushubtiefen wurde auf das Erfordernis entsprechender Sicherungsmaßnahmen hingewiesen.

2.3 Aus der zugrunde liegenden Vertragslage ergibt sich keine andere Risikoverteilung. Vielmehr wurde im Kaufvertrag ausdrücklich die Prüfung der Bebaubarkeit durch die Klägerin vorgesehen. Nach den Feststellungen machte der Beklagte auch keinerlei Äußerungen und Zusagen zur Bebaubarkeit des Grundstücks.

2.4 Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass - für den Fall, dass der Beklagte keine Kenntnis von der Rutschhangeigenschaft (Kriechhang) des Grundstücks hatte - ein Gewährleistungsanspruch (Preisminderungsanspruch) nicht in Betracht kommt, erweist sich damit als nicht korrekturbedürftig.

3.1 Bei Unterlassung einer nach Treu und Glauben berechtigt erwarteten Aufklärung ‑ hier über die allenfalls bekannte Bodenbeschaffenheit ‑ darf nicht ohne weiteres eine schlüssige Zusage angenommen werden, wenn der Erwerber keine Auskünfte oder Belehrungen verlangt. Wenn aber der Verkäufer die Wichtigkeit der tatsächlich fehlenden Eigenschaft für den Käufer kennt oder diese zumindest erkennen muss, ist er bei Nichtaufklärung über das Fehlen der berechtigt erwarteten Eigenschaft grundsätzlich gewährleistungspflichtig (vgl RIS‑Justiz RS0018468; 9 Ob 50/10h).

3.2 Das Erstgericht hat dazu festgestellt, dass der Beklagte zu keiner Zeit in Kenntnis von allfälligen Hangrutschungen oder Kriechbewegungen gewesen sei; er sei auch nicht von den Grundnachbarn auf solche Umstände angesprochen oder gar mit Ansprüchen konfrontiert worden. Zudem wurde festgestellt, dass sich unmittelbar angrenzend an das fragliche Grundstück zahlreiche Einfamilienhäuser befinden, die zum Teil mehrgeschossig ausgeführt sind.

Das Berufungsgericht bejahte in diesem Zusammenhang das Vorliegen eines relevanten Verfahrensmangels, den es darin begründet sah, dass es das Erstgericht unterlassen habe, einer Reihe von Anrainern zur Frage der Kenntnis des Beklagten über die Bodenbeschaffenheit bzw die Kriechbewegungen im Bereich des Grundstücks einzuvernehmen. Aus diesem Grund erachtete es das erstinstanzliche Verfahren als ergänzungsbedürftig.

Ist die dem Aufhebungsbeschluss zugrunde liegende Rechtsansicht des Berufungsgerichts ‑ wie hier ‑ nicht zu beanstanden, so kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht überprüfen, ob sich die vom Berufungsgericht angeordnete Ergänzung des Verfahrens oder der Feststellungen tatsächlich als notwendig erweist (RIS‑Justiz RS0042179; RS0043414). Der zugrunde liegenden Beurteilung des Berufungsgerichts kann somit nicht entgegengetreten werden.

4.1 Zu dem im Rekurs der Klägerin thematisierten gemeinsamen Irrtum ist in der Rechtsprechung ‑ trotz Kritik in der Lehre (vgl Rummel in Rummel ³ § 871 ABGB Rz 18; Apathy/Riedler in Schwimann ³ § 871 ABGB Rz 28; Bollenberger in KBB³ § 871 ABGB Rz 17; Pletzer in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.01 § 871 Rz 57) ‑ anerkannt, dass auch ein gemeinsamer Geschäftsirrtum der Vertragspartner die Anfechtung oder Anpassung des Vertrags rechtfertigen kann (RIS‑Justiz RS0016230; 1 Ob 23/04w). Ein gemeinsamer Irrtum setzt voraus, dass beide Parteien demselben Irrtum unterliegen (RIS‑Justiz RS0016226). Eine Anfechtung bzw Anpassung wegen gemeinsamen Irrtums ist daher mit der Behauptung, (arglistig) getäuscht worden zu sein, begrifflich unvereinbar (5 Ob 144/98g). Das tatsächliche Vorbringen zu einer arglistigen Irreführung oder einem veranlassten Irrtum schließt daher grundsätzlich nicht auch die rechtserzeugenden Tatsachen in Bezug auf einen gemeinsamen Irrtum mit ein (vgl RIS‑Justiz RS0014766; 5 Ob 144/98g).

4.2 Im Anlassfall hat sich die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren auf eine arglistige Irreführung durch den Beklagten sowie auf Irrtum berufen und dazu vorgetragen, dass den Bewohnern in der Umgebung die Bewegungen des Hanges in den letzten Jahrzehnten ebenso wie dem Beklagten bekannt gewesen seien und der Beklagte diesen Umstand gegenüber der Klägerin anlässlich der Verkaufsgespräche arglistig verschwiegen habe.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass eine Irrtumsanfechtung wegen gemeinsamen Irrtums von der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren nicht geltend gemacht wurde und ihre diesbezüglichen Ausführungen in der Berufung gegen das Neuerungsverbot verstoßen, erweist sich jedenfalls als nicht korrekturbedürftig.

5. Insgesamt ist der Rekurs der Klägerin trotz Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen (vgl RIS‑Justiz RS0123222).

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