European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:009OBA00140.13Y.0625.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.470,24 EUR (darin enthalten 245,04 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Entlohnung nach dem Schema IV KAV A 3 des Gesetzes über das Besoldungsrecht der Beamten der Bundeshauptstadt Wien (BO 1994) iVm § 17 der Wiener Vertragsbedienstetenordnung (VBO 1995) hatte ist ebenso zutreffend, wie jene, dass allfällige Ansprüche auf Überstundenentgelte bereits verjährt sind. Es kann daher auf die Begründung des Berufungsgerichts verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO).
Den Ausführungen der Klägerin ist ergänzend Folgendes entgegenzuhalten:
Zusammenfassend lässt sich den wesentlichen, vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen zu diesen Fragen entnehmen, dass die Klägerin vom 1. 3. 2005 bis 31. 8. 2007 im Rahmen eines befristeten Dienstverhältnisses als Turnusärztin (nach dem Dienstvertrag im Schema IV A Dienstklasse III Gehaltsstufe 6 ‑ vgl den Dienstvertrag Beilage ./5) beschäftigt war. Während dieser Zeit erwarb sie am 1. 7. 2006 das „jus practicandi“. Dazu wurde ihr mitgeteilt, dass Voraussetzung für eine Überstellung in die begehrte Verwendungsgruppe A 3 sei, dass sie auch tatsächlich als Ärztin für Allgemeinmedizin verwendet werde. Eine dahingehende Planstelle war in ihrem Krankenhaus aber nicht vorhanden. Nach den zusammenfassenden Feststellungen wurde die Klägerin dann weiter als Turnusärztin eingesetzt. Ihre Tätigkeit wurde regelmäßig von den Oberärzten oder Oberärztinnen vidiert. Sie wurde als gut ausgebildete kompetente, sympathische, rasch und effizient arbeitende Turnusärztin geschätzt.
Die Arbeitszeiteinteilung erfolgte im Wesentlichen durch die Ärzte und Ärztinnen untereinander. Es waren einerseits Nachtdienste (8:00 Uhr in der Früh bis nächsten Tag 9:00 Uhr früh) und normale Dienste (8:00 bis 13:00 Uhr) zu leisten. Danach liegende Dienste wurden in separaten Listen als Überstunden eingetragen und mit dem Monatsgehalt des nächsten Monats gemeinsam ausbezahlt. Die Klägerin hatte auch die Wahl diese in Freizeit abgegolten zu erhalten, und zwar Überstunden an Werktagen im Verhältnis 1 : 1,5 und Überstunden an Sonn‑ und Feiertagen im Verhältnis 1 : 2. Sie erhielt gegen Ende des Monats den Gehaltszettel für den laufenden Monat, auf dem auch die Überstundenentlohnung angeführt war. Ferner erhielten alle Ärzte eine Zulage, in der ein 75%iger Überstundenanteil und eine 25%ige Erschwerniszulage unabhängig von der Überstundenleistung enthalten war. Für die ersten drei Nachtdienste im Monat wurde die Nachtdienstzulage von je 59,13 EUR (Kennzahl 974102), ab dem 4. Nachtdienst eine solche von 335,62 EUR (Kennzahl 986101) geleistet. Grundsätzlich wurde bei der Arbeitszeiteinteilung davon ausgegangen, dass durch vier monatliche Nachtdienste insgesamt eine Arbeitszeit von 173 Stunden erreicht wird. Die darin enthaltenen Überstunden wurden ausbezahlt.
Mit ihrer am 27. 5. 2010 eingebrachten und hinsichtlich der behaupteten Überstundenleistungen am 31. 8. 2010 ausgedehnten Klage begehrte die Klägerin zuletzt die Entgeltdifferenz zum von ihr behaupteten Anspruch auf ein Entgelt nach der Einstufung im Schema IV KAV A 3 von insgesamt 6.876,87 EUR sowie Überstundenentgelt in Höhe von 18.337,44 EUR. Die Entgeltdifferenz stützte sie im Wesentlichen darauf, dass sie mit 1. 7. 2006 das jus practicandi erlangt habe und auch als Ärztin mit jus practicandi eingesetzt worden sei. Sie habe sämtliche Tätigkeiten iSd § 2 Abs 2 ÄrzteG ohne Aufsicht ausgeführt.
Zum Überstundenanspruch machte die Klägerin geltend, dass die Wochenarbeitszeit im Wesentlichen im Dienstplan auf 3 x 5 Stunden, 1 x 24 Stunden und 1 x 1 Stunde aufgeteilt gewesen sei. Die darüber hinausgehenden Überstunden seien im Verhältnis 1 : 1,5 bzw 1 : 2 bei Sonn‑ und Feiertagen abzugelten. Diese nicht bezahlten Überstunden seien frühestens mit der Abrechnung im September 2007 fällig gewesen. Es gehe im Wesentlichen um den 4. Nachtdienst. Erst ab Beendigung des Dienstverhältnisses sei für die Klägerin erkennbar gewesen, über welche Ansprüche auf Mehrleistungen sie verfüge, da auch ein Ausgleich in Freistunden erfolgen hätte können.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im Wesentlichen ein, dass die Klägerin allein aufgrund des jus practicandi noch keinen Rechtsanspruch auf Verwendung als Ärztin habe. Sie sei während ihrer Beschäftigung im Wesentlichen nur als Sekundarärztin zum Zwecke der Ausbildung zur Ärztin für Allgemeinmedizin ‑ Turnusärztin ‑ angestellt gewesen und ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass eine Verwendung als Ärztin für Allgemeinmedizin mangels freier Planstelle nicht möglich sei. Sie sei auch nur in diesem eingeschränkten Umfang ohne eigenständige Verantwortung verwendet worden. Zu den geltend gemachten Überstundenleistungen verwies die Beklagte darauf, dass die Ärzte für die ersten drei Nachtdienste die Zulagen in Höhe von 59,13 EUR und für den 4. und jeden weiteren tatsächlichen Nachtdienst eine Mehrstundenentschädigung in Höhe von 335,62 EUR erhielten. Dies sei eine Nebengebühr im Sinne des § 33 Abs 2 der Besoldungsordnung bzw des Nebengebührenkatalogs. § 36 der Besoldungsordnung lasse ausdrücklich eine Abgeltung von Mehrleistungen auch in zeitlicher Hinsicht durch Mehrleistungsvergütungen zu. In den Nebengebühren seien auch entsprechende Überstunden‑, Sonn‑ und Feiertagszuschläge sowie Erschwernis‑ und Nachtarbeitszulagen enthalten.
Die Klägerin habe zu jedem Zeitpunkt Kenntnis von der Entlohnung der geleisteten Überstunden gehabt. Es seien daher innerhalb von drei Jahren nach der Entstehung sämtliche der Klägerin angeblich zustehenden Leistungen bereits verjährt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es ging rechtlich zusammengefasst davon aus, dass Voraussetzung für die von der Klägerin begehrte Einstufung eine tatsächliche Verwendung als selbständige Ärztin iSd § 3 ÄrzteG sei. Dies habe die Klägerin nicht nachweisen können. Allfällige Überstundenleistungen, die die Klägerin erst im Rahmen ihrer Klagsausdehnung am 31. 8. 2010 geltend gemacht habe, seien verjährt, da es sich um Überstunden gehandelt habe, die spätestens im Juli 2007 geleistet worden seien.
Das Berufungsgericht schloss sich im Wesentlichen der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts an. Es komme auf die tatsächlichen Dienste an. Auch ein ausgebildeter Lehrer, der als Schulwart eingesetzt werde, sei nicht als Lehrer zu entlohnen. Ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot liege nicht vor, da die Klägerin gar nicht als Allgemeinmedizinerin tätig gewesen sei, sondern nur als gut ausgebildete Turnusärztin. § 3 Abs 3 des ÄrzteG ermächtige die in Ausbildung stehenden Ärzte nur zu unselbständiger Ausübung unter Anleitung und Aufsicht der ausbildenden Ärzte. Es werde allerdings auch vorgesehen, dass ‑ sofern Krankenanstaltenorganisationsvorschriften keine dauernde Anwesenheit eines Facharztes erfordern ‑ Turnusärzte, die bereits über entsprechende Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, vorübergehend auch ohne Aufsicht eines für die Ausbildung verantwortlichen Facharztes tätig werden können. Die gebotene Intensität der Aufsicht sei individuell zu beurteilen und hänge mit dem Ausbildungsstand des Turnusarztes sowie der Gefährlichkeit der jeweiligen Tätigkeit zusammen. Die Aufsicht solle das erforderliche Ausmaß, um den Turnusarzt zu selbständigen und eigenverantwortlichen Entscheidungen und Tätigkeiten zu entwickeln, nicht übersteigen.
Die Verjährung der geltend gemachten Überstundenentgelte sei eingetreten, da die Mehrdienstleistungen der Klägerin monatlich abgerechnet und bezahlt worden seien. Die behaupteten Ansprüche seien mit dem folgenden Monatsersten entstanden. Die erst am 31. 8. 2010 erfolgte Klagsausdehnung sei daher auch für die im Juli 2007 erbrachten Mehrdienstleistungen verspätet.
Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Maßgeblichkeit der tatsächlich erbrachten Tätigkeit des Vertragsbediensteten im Anwendungsbereich der VBO 1995 und der Besoldung von Turnusärzten nach Erlangung des jus practicandi sowie der Verjährungsfrist des § 10 Abs 1 der Wiener Besoldungsordnung nicht vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht berechtigt.
§ 17 der unstrittig anzuwendenden Wiener VBO 1995 ordnet die Geltung der Besoldungsordnung 1994 auch für Vertragsbedienstete an. Allerdings werden in § 17 VBO gewisse Modifikationen vorgesehen.
§ 2 der Besoldungsordnung 1994, auf die die VBO 1995 verweist, hält die Einteilung der verschiedenen Bedienstetengruppen in Schemen fest und verweist für die Aufteilung auf die Anlage 1. Eine Änderung der Aufteilung kann in einem bestimmten Verfahren vorgenommen werden, wenn sich das Berufsbild der Bedienstetengruppen oder die von ihnen wahrzunehmenden Aufgaben und Anforderungen wesentlich ändern.
In der Anlage 1 zur Besoldungsordnung 1994 befand sich im Schema KAV in der von der Klägerin angestrebten Verwendungsgruppe A 3 die Beschreibung „Ärzte/Ärztinnen für Allgemeinmedizin des Krankenanstaltenverbundes ausgenommen Betriebsärzte/Be-triebsärztinnen“.
Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass zur Erfüllung der Voraussetzungen dieser Besoldungsgruppe nicht bloß die Erreichung der Befugnis zur Ausübung von ärztlichen Tätigkeiten ausreicht, sondern auch eine Beschäftigung für eine selbständige ärztliche Tätigkeit vorliegen muss, ist zutreffend. Nach § 3 Abs 2 des Ärztegesetzes umfasst die selbständige Ausübung des ärztlichen Berufs die eigenverantwortliche Ausführung der im § 2 Abs 2 ÄrzteG umschriebenen ärztlichen Tätigkeiten, gleichgültig ob solche Tätigkeiten freiberuflich oder im Rahmen eines Dienstverhältnisses ausgeübt werden. Der Abs 3 des § 3 ÄrzteG stellt dann ausdrücklich auf die in Ausbildung befindlichen Ärzte und deren unselbständige Ausübung dieser Tätigkeiten an anerkannten Ausbildungsstätten im Rahmen von Lehrpraxen oder Ambulatorien unter Aufsicht und unter Anleitung der ausbildenden Ärzte ab. Auch wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sofern krankenanstaltenrechtliche Organisationsvorschriften keine dauernde Anwesenheit eines Facharztes erfordern, Turnusärzte, die bereits über die entsprechenden Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, vorübergehend auch ohne Aufsicht eines für die Ausbildung verantwortlichen Facharztes tätig werden dürfen (zum Ausbildungsmodell, das den jeweiligen Wissensstand berücksichtigt, etwa Stellamor/Steiner Handbuch des Arztrechts I 435; Aigner/Kletečka/Kletečka-Pulker/Memmer, Handbuch Medizinrecht für die Praxis III/16 ff; Kopetzki, Zum Kompetenzumfang der Turnusärzte in Lehrpraxen, RdM 2013/141 uva).
Entscheidend ist nun, welches Verständnis dem gesetzlichen Entlohnungsschema zugrunde liegt. In der Verwendungsgruppe A1 waren bestimmte ärztliche Leitungspositionen (ärztlicher Direktor) erfasst. In die Verwendungsgruppe A2 wurden unter anderem Institutsvorstände eingereiht. Dies spricht dafür, dass in der nächsten ‑ hier maßgeblichen Verwendungsgruppe ‑ A3 die nächste Ebene erfasst sein sollte, also Ärzte, die selbständig ihre Tätigkeit als Arzt ausüben. Da aber die Klägerin eine solche selbständige Tätigkeit nicht nachweisen konnte, sind die Vorinstanzen schon deshalb zutreffend vom mangelnden Nachweis der Voraussetzungen für die Entgeltdifferenz ausgegangen. Gegen die Auffassung, bloß auf die Befähigung und nicht die konkret vereinbarte und erfolgte Verwendung abzustellen, spricht auch die ständige Rechtsprechung zu den Einstufungsvoraussetzungen. Dabei wird regelmäßig - auch im öffentlichen Bereich, soweit nicht zusätzliche Einstufungserfordernisse festgelegt sind ‑ auf die tatsächlich zu erbringenden Leistungen abgestellt (RIS‑Justiz RS0064956, RS0054493, RS0081501 mwN). Die Ausführungen der Revision, die im Ergebnis von einer umfassenden selbständigen Ausübung der ärztlichen Tätigkeit durch die Klägerin ausgehen, weichen auch von dem festgestellten Sachverhalt ab.
Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz sieht, vermag sie nicht darzustellen, warum Arbeitnehmer, die unterschiedliche Arbeiten verrichten, nicht auch unterschiedlich entlohnt werden könnten (vgl allgemein RIS‑Justiz RS0016819). Dass in dem Einsatz der Klägerin eine Umgehung der im Gesetz festgelegten Entlohnungsgruppen liegen würde, hat die Klägerin nicht nachgewiesen.
Zu der Frage der Verjährung der geltend gemachten Überstundenvergütungen ist vorweg darauf hinzuweisen, dass die gesondert außerhalb der normalen Dienstzeiten und Nachtdienste erbrachten und eingetragenen Überstunden ohnehin unstrittig richtig entlohnt wurden. Im Wesentlichen geht es um die Abgeltung des 4. bzw zusätzlicher Nachtdienste, die von der Beklagten durch die festgestellten Zulagen vorgenommen wurde. Diesen Zulagen hat die Klägerin die Einzelberechnung nach Normal‑ und Feiertagsüberstunden gegenübergestellt und daraus ihren Anspruch, zuletzt für Juli 2007 abgeleitet (ON 30 AS 203 f).
Hier ist also eine Abgeltung der Überstunden nach Besoldungsvorschriften iSd § 11 Abs 6 der VBO 1995 erfolgt. Dazu sieht § 36 der Besoldungsordnung 1994 auch ausdrücklich vor, dass für über das vorgeschriebene Ausmaß der Arbeitszeit hinausgehende Mehrleistungen monatliche Pauschalvergütungen festgelegt werden können. Im Nebengebührenkatalog wurde für die Klägerin ab dem 4. monatlichen Nachtdienst als Abgeltung der über die Normalarbeitszeit von 173 Stunden monatlich hinausgehenden Mehrstunden eine erhöhte Nachtdienstzulage von 335,62 EUR (KZ 986101) festgelegt (vgl zum Verordnungscharakter der Nebengebührenfestlegung RIS‑Justiz RS0114997) und ausbezahlt. Zusätzlich erhielt die Klägerin noch die Nachtdienstzulage von 59,13 EUR (KZ 974102) für die ersten drei Nachtdienste.
Die Klägerin hatte also stets Anspruch auf eine Geldleistung für diese Arbeitsleistungen und begehrt auch jetzt nur ‑ ausgehend davon dass die Mehrdienstzulagen unzureichend bzw bedenklich wären ‑ eine höhere Geldleistung dafür. Der Anspruch auf die Entlohnung ist gemäß § 17 Abs 1 Z 4 VBO 1995 mit dem Monatsletzten entstanden. Damit hat die Verjährungsfrist des § 10 Abs 1 der Besoldungsordnung 1994 von drei Jahren für allfällige höhere Leistungen zu laufen begonnen. Die Vorinstanzen sind daher zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte gegen die erst Ende August 2010 geltend gemachten Ansprüche für Juli 2007 berechtigt den Verjährungseinwand erhoben hat.
Im Ergebnis war daher der Revision der Klägerin nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 2 ASGG, §§ 50 und 41 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)