OGH 15Os45/14b

OGH15Os45/14b27.5.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Mai 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Dr. Michel‑Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ante J***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 15, 206 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 3. Dezember 2013, GZ 24 Hv 67/13s‑38, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: AT:OGH:2014:E107767

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ante J***** des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 15, 206 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er zwischen Frühjahr 2012 und 14. April 2013 in Wien mit der am 18. September 2006 geborenen Aleyna F***** eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung zu unternehmen versucht, indem er sich seine Hose bis zu den Knien hinunterzog, seinen nackten Penis in die Hand nahm und Aleyna F***** dazu aufforderte, diesen in den Mund zu nehmen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit a und lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Ablehnung der Vernehmung der Zeugen Miodrag G***** (zum Beweis dafür, dass „am 14. April 2013 nicht Aleyna F*****, sondern ihre Mutter an die Türe des Angeklagten kam und dort von diesem und seiner Frau abgewiesen wurde“), Manuela M***** („zum Beweis dafür, dass die Eltern bereits bei der Anzeigenerstattung einen fragwürdigen Eindruck hinterließen, da sie wissen wollten, was mit dem Angeklagten passieren werde“) und Karl T***** („zum Beweis dafür, dass der Angeklagte aus charakterlichen Gründen zur Tat nicht geeignet ist“) keine Verteidigungsrechte des Angeklagten verletzt. Die darauf bezogene Antragstellung (ON 37 S 3) ließ nämlich eine Begründung vermissen, inwiefern das zu erwartende Ergebnis der Beweisaufnahmen Aussagewert für die Beurteilung der konkreten Tat und solcherart für die Schuld- und Subsumtionsfrage haben sollte (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 327). In der Beschwerde nachgereichte Gründe zur Antragsfundierung unterliegen dem Neuerungsverbot und sind daher unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099618).

Die Mängelrüge (Z 5) vermisst eine beweiswürdigende Auseinandersetzung mit einer vom Angeklagten über seine Wohnräumlichkeiten angefertigten (und dem Hauptverhandlungsprotokoll als Beilage ./1 angeschlossenen) Skizze, lässt aber nicht erkennen, inwieweit gerade diese Zeichnung in einem erörterungsbedürftigen Widerspruch (Z 5 zweiter Fall) zum Urteilssachverhalt stehen sollte, wonach Aleyna F***** am Vorfallstag alleine beim Angeklagten war. Der Vorwurf, das Erstgericht habe die Aussage der Zeugin F***** in Betreff der Anwesenheit der Marija J***** in der Wohnung zur Tatzeit nicht erörtert, trifft nicht zu (US 7 f).

Die Ableitung der Feststellungen zum Tathergang aus den als glaubwürdig erachteten Angaben des kindlichen Tatopfers (US 7 ff) ist unter dem Gesichtspunkt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden. Der Einwand, mangels Konstatierung eines exakten Wortlauts der vom Angeklagten gegenüber dem Kind getätigten Aufforderung, seinen Penis in den Mund zu nehmen, sei die Ernstlichkeit des bekundeten Ansinnens zweifelhaft, kritisiert bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag unter Hinweis auf die ‑ als nicht überzeugend eingestufte ‑ Behauptung der Zeugin Marija J*****, wonach sie stets zu Hause sei (vgl US 7), sowie einer eigenständigen Würdigung der Angaben der Zeugen Mustafa F***** (ON 36 S 44 ff) und Gülsah F***** (ON 36 S 17 ff) betreffend Umstände der Besuche ihrer Tochter in der nachbarlichen Wohnung keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu wecken. Der formelle Nichtigkeitsgrund der Z 5a greift nämlich seinem Wesen nach erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können, nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, mit anderen Worten, intersubjektiv gemessen an Erfahrungs- und Vernunftsätzen eine unrichtige Lösung der Schuldfrage qualifiziert nahelegen. Eine über diese Prüfung hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen ‑ wie es die Berufung wegen Schuld im Einzelrichterverfahren einräumt ‑ wird dadurch nicht ermöglicht (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 488 ff).

Der zur Überzeugung des Schöffengerichts von der Glaubwürdigkeit des Tatopfers aufgrund des von ihm in der Hauptverhandlung (mittels Vorführung der Ton- und Bildaufnahmen über die kontradiktorische Vernehmung) gewonnenen persönlichen Eindrucks führende kritisch‑psychologische Vorgang ist einer Anfechtung mittels Nichtigkeitsbeschwerde gleichermaßen entzogen (RIS‑Justiz RS0106588).

Der Einwand der Rechtsrüge (Z 9 lit a), das hier konstatierte, mit dem Vorsatz, die unmündige Aleyna F***** zum Oralverkehr zu verleiten, getätigte Entblößen des eigenen Penis verbunden mit der an das Kind gerichteten Aufforderung, diesen in den Mund zu nehmen (US 2 und 5), vermöge den Schuldspruch nach § 206 Abs 1 StGB nicht zu tragen, entbehrt einer Erklärung, weshalb es für die Strafbarkeit des hier angenommenen Versuchs (§ 15 Abs 1 StGB) auf ein bereits erfolgtes „Unternehmen“ der dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung, nämlich des Oralverkehrs ankäme (Philipp in WK2 § 206 Rz 12 und 24 f; RIS‑Justiz RS0090496).

Weshalb die Konstatierungen, wonach dem Angeklagten bei diesem Vorhaben bewusst war, eine Unmündige zum Oralsex, nämlich zur Penetration des Mundes des Kindes mittels seines männlichen Geschlechtsteils und somit zu einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung zu verleiten und gegebenenfalls einen solchen mit ihr zu vollziehen, was er billigend hinnahm (US 5 und US 10), die für eine Subsumtion nach § 206 Abs 1 StGB erforderliche subjektive Tatseite (Philipp in WK2 § 206 Rz 20 f) nicht zum Ausdruck bringen sollten, wird ebenfalls nicht deutlich.

Dass Tatbegehung nach § 206 Abs 1 StGB Erektionsfähigkeit voraussetzen (vgl dazu: RIS‑Justiz RS0090720 [T2]; RS0116530 [T6 und T8]) und solcherart die beim Angeklagten vorliegende erektile Dysfunktion (US 4) absolute Versuchsuntauglichkeit (§ 15 Abs 3 StGB) bedingen und daher die Realisierung des Penetrationsvorsatzes durch (zumindest) Berührung des kindlichen Mundes mit dem eigenen Geschlechtsteil geradezu denkunmöglich machen sollte (vgl dazu: RIS-Justiz RS0115363 [T13]), unterstellt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) ohne Ableitung aus dem Gesetz.

Die weitere, einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch (§ 16 StGB) reklamierende Rechtsrüge (Z 9 lit b) macht nicht klar, weshalb der Umstand, dass die dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung aufgrund der Weigerung des Tatopfers, der Aufforderung zu entsprechen, unterblieben ist (US 5), einer ‑ insofern geforderten ‑ Freiwilligkeit der Aufgabe des Tatplans entsprechen sollte. Dass sich der Angeklagte nicht dazu entschlossen hat, den vorerst erfolgreichen Widerstand des Opfers durch Einsatz von Gewalt zu überwinden, genügt diesem Erfordernis im Übrigen nicht (Hager/Massauer in WK2 §§ 15, 16 Rz 128; RIS-Justiz RS0089897, RS0090327 [insbes T10]).

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen er hiezu erstatteten Äußerung des Verteidigers ‑ bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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