OGH 9ObA47/14y

OGH9ObA47/14y27.5.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald Fuchs und Peter Schönhofer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. P***** W*****, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Wirtschaftskammer Österreich, *****, vertreten durch Graf & Pitkowitz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 25. Februar 2014, GZ 7 Ra 10/14p‑26, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: AT:OGH:2014:E107920

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger bekämpft in seiner Revision die Abweisung seines Begehrens, den aufrechten Bestand seines Dienstverhältnisses festzustellen, in eventu, die ihm gegenüber zum 31. 7. 2013 ausgesprochene Kündigung für rechtsunwirksam zu erklären. In seiner außerordentlichen Revision zeigt er jedoch keine Rechtsfrage von der Bedeutung des § 502 Abs 1 ZPO auf:

1. Eine Unwirksamkeit der Prozessvollmacht des für die Beklagte einschreitenden Vertreters wurde schon vom Berufungsgericht verneint. Selbst wenn die diesbezüglichen Ausführungen des Klägers zuträfen, ist die Wahrnehmung eines bereits vom Berufungsgericht verneinten Verfahrensmangels oder einer von diesem verneinten Nichtigkeit des Verfahrens in dritter Instanz nicht mehr möglich (RIS‑Justiz RS0042963; RS0042981).

2. Der Kläger ist der Ansicht, dass seine Kündigung von einer dazu nicht befugten Person, nämlich dem Generalsekretär-Stellvertreter der Beklagten, ausgesprochen worden sei. Es wäre an der Beklagten gelegen gewesen, dessen Vertretungsberechtigung nachzuweisen.

Die Beklagte hatte dazu auf den Beschluss ihres Präsidiums vom 24. 6. 2010 (Beil ./12) verwiesen, in dem der Wirkungsbereich des Generalsekretär-Stellvertreters gemäß § 40 Abs 3 WKG ua mit „Abteilung Personal und Organisationsentwicklung“ festgelegt wurde. Soweit der Kläger dagegen einwendet, zur Gültigkeit dieses Beschlusses wäre die Beteiligung zweier Personen erforderlich gewesen, die daran nicht teilgenommen hätten, vermisst er offenbar die iSd § 35 Abs 1 Z 3 WKG zum Präsidium der Bundeskammer zählenden kooptierten Mitglieder, übersieht allerdings, dass die Beschlussfähigkeit des Präsidiums auch ohne deren Anwesenheit gegeben war (§ 61 Abs 1 WKG). Da der Wirkungsbereich des Generalsekretär-Stellvertreters, wie sogleich dazulegen sein wird, auch das Vertretungsrecht für die Beendigung von Dienstverhältnissen wie jenem des Klägers umfasste, bedurfte es auch keiner weiteren Approbationsbefugnis des Generalsekretär-Stellvertreters.

3. Der Kläger argumentiert weiter, dass dem Generalsekretär-Stellvertreter auch unter der Annahme eines wirksamen Präsidiumsbeschlusses vom 24. 6. 2010 kein Vertretungsrecht für die Kündigung zugekommen sei, weil damit die Trennung zwischen dem Entscheidungen treffenden „Funktionssystem“ der Wirtschaftskammerorganisation einerseits und dem Entscheidungen nur vorbereitenden oder durchführenden „Geschäftssystem“ andererseits verkannt werde. Die Personalkompetenz der Beklagten liege gemäß § 55 WKG ausschließlich bei ihrem Präsidenten. Sie könne gemäß § 65a WKG nur ausnahmsweise auch auf Kammerbedienstete übertragen werden. Zudem bedürfe jede Kompetenzübertragung gemäß § 65a WKG zu ihrer Rechtsgültigkeit einer Verlautbarung gemäß § 141 WKG, die hier nicht vorliege.

§ 40 Abs 3 WKG sieht vor:

(3) Der Wirkungsbereich der Generalsekretär-Stellvertreter wird durch das Präsidium im Einvernehmen mit dem Generalsekretär bestimmt. Einzelne Organisationseinheiten oder Aufgabenbereiche des Generalsekretariats können der ausschließlichen Leitung und Verantwortung eines Stellvertreters übertragen werden.

Schon der Wortlaut der Bestimmung bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass mit einem dem Generalsekretär-Stellvertreter zur ausschließlichen Leitung und Verantwortung übertragenen Aufgabenbereich nicht auch die entsprechende Vertretungsmacht für die Beklagte verbunden wäre. Dieses Verständnis wird auch durch die weitere Entwicklung der Bestimmung unterstrichen:

§ 40 Abs 5 WKG wurde durch die WKG‑Novelle 2011, BGBl I 2012/3, um einen zweiten Satz ergänzt, sodass die Bestimmung nunmehr lautet:

(5) Der Generalsekretär und seine Stellvertreter sind berechtigt, im Interesse einer raschen und zweckmäßigen Geschäftsführung bestimmte Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches an Mitarbeiter zur Besorgung und Erledigung zu übertragen. Diese Mitarbeiter sind berechtigt, die Kammer in diesen Angelegenheiten zu vertreten.

Satz zwei setzt voraus, dass dem Generalsekretär und seinen Stellvertretern Vertretungsmacht für die Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches zukommt, weil die Vertretungsmacht der Mitarbeiter sonst nicht aus dem Übertragungsakt des Generalsekretärs oder seiner Stellvertreter ableitbar wäre. Da § 40 WKG im Übrigen unverändert blieb, besteht aber kein Grund zur Annahme, dass der Gesetzgeber nicht auch schon vor der WKG‑Novelle 2011 von einer entsprechenden Außenvertretungsmacht des Generalsekretärs bzw seiner Stellvertreter ausging.

4. Dass die Mitarbeiter der Beklagten gemäß § 55 Abs 2 WKG in dienstrechtlicher und fachlicher Hinsicht dem Präsidenten der jeweiligen Wirtschaftskammer unterstehen, ändert daran nichts, weil damit eine Zuweisung der Vertretungsmacht zum Abschluss oder zur Beendigung von Arbeitsverträgen an andere Personen noch nicht ausgeschlossen ist. Das gilt nicht anders für die vom Kläger angesprochene Bestimmung des § 3 der Dienstordnung 1999 der Beklagten („Sämtliche … Angestellten unterstehen in dienstrechtlicher Hinsicht ausschließlich dem Präsidenten der jeweiligen Kammer.“).

5. Der vom Kläger ins Treffen geführten „Schulungsbroschüre“ der Beklagten kommt keine rechtliche Relevanz zu, sodass darauf nicht näher einzugehen ist.

6. Soweit der Kläger gegen die Zulässigkeit der Kündigung seine Behinderteneigenschaft einwendet, wurde er bereits vom Berufungsgericht auf die Entscheidung 8 ObA 68/13b verwiesen, deren Begründung er hier nicht widerlegt.

7. Die Revision ist daher insgesamt mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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