OGH 9Ob24/14s

OGH9Ob24/14s27.5.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin A***** S*****, gegen den Antragsgegner J***** H*****, vertreten durch Mag. Wilfried Huber, Rechtsanwalt in Zell am Ziller, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 10. Jänner 2014, GZ 53 R 198/13a‑11, mit dem dem Rekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Zell am Ziller vom 31. Oktober 2013, GZ 1 FAM 27/13f‑7, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0090OB00024.14S.0527.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die am ***** 1993 geborene Antragstellerin, Tochter des Antragsgegners, brachte nach Abschluss ihrer Ausbildung zur zahnärztlichen Assistentin im März 2013, mit der sie die Berechtigung zur Berufsausübung erhielt, am 17. 4. 2013 ein Kind zur Welt. Von 25. 2. 2013 bis 15. 7. 2013 bezog sie Wochengeld, seit 16. 7. 2013 bis voraussichtlich 16. 10. 2015 bezieht sie Kinderbetreuungsgeld. Das Erstgericht, bestätigt vom Rekursgericht, wies den Antrag des Antragsgegners, den Unterhaltsanspruch der Antragstellerin wegen eingetretener Selbsterhaltungsfähigkeit seit 1. 4. 2013, jedenfalls aber seit 1. 7. 2013 für erloschen zu erklären, mit Beschluss vom 31. 10. 2013 ab.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) ‑ Zulassungsausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs nicht zulässig, weil die Frage der Selbsterhaltungsfähigkeit eines Unterhalts-berechtigten immer nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist (RIS‑Justiz RS0047567 [T9]), sie auch im vorliegenden Fall anhand der bisherigen Rechtsprechung beantwortet werden kann und zur Rechtsansicht der Vorinstanzen kein Korrekturbedarf besteht:

1. Die elterliche Unterhaltspflicht entfällt mit Erreichung der Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes. Sie tritt unabhängig vom Alter des Kindes dann ein, wenn das Kind die bei selbstständiger Haushaltsführung für eine Deckung des angemessenen Lebensbedarfes erforderlichen Mittel entweder aus Vermögenserträgnissen besitzt, selbst erwirbt oder auf Grund zumutbarer Beschäftigung zu erwerben imstande ist (stRsp, s RIS‑Justiz RS0047602 [T3]; RS0047567). Da Selbsterhaltungsfähigkeit die eigene Fähigkeit zur angemessenen Bedürfnisdeckung bedeutet, tritt sie grundsätzlich mit Abschluss einer Berufsausbildung ein (s RIS‑Justiz RS0047621). Mit abgeschlossener Berufsausbildung wird der Unterhaltsberechtigte dem Anspannungsgrundsatz unterworfen, sodass er auch dann als selbsterhaltungsfähig gilt, wenn er verschuldeterweise kein ausreichendes Einkommen erzielt (Neuhauser in Schwimann/Kodek ABGB4 Ergänzungsband 1a, § 231 [idF KindNamRÄG 2013] Rz 405). Dem Verschuldenskriterium entsprechend ist dem Kind nach Ausbildungsabschluss auch ein angemessener Zeitraum für die Suche nach einem ausbildungsadäquaten Arbeitsplatz zu gewähren, währenddessen es unterhaltsberechtigt bleibt. Die Zumutbarkeit der Erwerbstätigkeit eines unterhaltsberechtigten Kindes wird daher im Allgemeinen für die Zeit nach Abschluss einer Berufsausbildung und Zuerkennung eines angemessenen Zeitraums für die zielstrebige Arbeitsplatzsuche bejaht (RIS‑Justiz RS0047621 [T3]). Für die Stellensuche wurde bereits ein Zeitraum von etwa sechs Monaten ab Abschluss der Berufsausbildung als angemessen erachtet (3 Ob 270/97w).

2. In der vorliegenden Konstellation kann der Anspannungsgrundsatz für den Zeitraum des Beschäftigungsverbots nach der Geburt eines Kindes (§ 5 MSchG) keine Anwendung finden, weil eine Erwerbstätigkeit der Antragstellerin in diese Phase ausgeschlossen war (vgl RIS‑Justiz RS0103111).

Soweit sich der Antragsgegner auf eine fiktive Selbsterhaltungsfähigkeit der Antragstellerin seit Ablauf des Wochengeldbezugs bezieht, ist aber für den hier entscheidungsrelevanten Zeitraum (Beschluss des Erstgerichts: 31. Oktober 2013) die Ansicht der Vorinstanzen, dass die Antragstellerin noch nicht selbsterhaltungsfähig war, vertretbar, ist doch zu berücksichtigen, dass sie auch ohne die Geburt ihres Kindes für die ‑ häufig mehrmonatige ‑ Dauer einer Arbeitsplatzsuche Anspruch auf Unterhalt gehabt hätte. Ob und inwieweit für eine weitere Dauer der Unterhaltsberechtigung auf die Möglichkeit der Fremdbetreuung des Kindes und/oder auf die Dauer des Kinderbetreuungsgeldbezugs Bedacht zu nehmen ist, ist hier nicht weiter zu prüfen. Anzumerken ist aber, dass die Eigenbetreuung eines Kindes nach der gesetzlichen Wertung des KBGG ‑ wenngleich das Kinderbetreuungsgeld den Unterhaltsanspruch der Antragstellerin nicht verringert (§ 42 KBGG) ‑ jedenfalls für die Dauer von zwölf Monaten gefördert wird (s § 5c Abs 3, § 24b KBGG).

3. Auch eine Aussage über vom Antragsgegner befürchtete Mehrfachschwangerschaften der Antragstellerin, die ihren Unterhaltsanspruch beliebig verlängern würden, ist hier nicht zu treffen. Es bedürfte vielmehr einer gesonderten Prüfung, inwieweit die Antragstellerin damit zum Ausdruck brächte, ihre Lebensgestaltung nach Abschluss der Ausbildung (vorerst) gerade nicht auf ihre Selbsterhaltung ausrichten zu wollen.

4. Die Entscheidung 6 Ob 609/91, auf die der Antragsgegner hinweist, ist nicht ausreichend einschlägig, weil sie letztlich die Frage der Ermittlung des Eigeneinkommens des Unterhaltsberechtigten betraf und bei Prüfung seiner (teilweisen) Selbsterhaltungsfähigkeit nach § 7 Abs 1 Z 2 UVG nur die Berücksichtigung einer Geldunterhaltsleistung eines Vorschussempfängers abgelehnt wurde.

5. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG war der Revisionsrekurs daher zurückzuweisen.

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