OGH 4Ob88/14s

OGH4Ob88/14s20.5.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen T***** T***** P*****, geboren am ***** 2006, vertreten durch die Mutter Dr. B***** P*****, diese vertreten durch Dr. Andrea Haniger-Limburg, Rechtsanwältin in Innsbruck, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters Dr. I***** R***** S*****, vertreten durch Mag. Klaus Pichler, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 27. Februar 2014, GZ 54 R 20/14h‑155, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0040OB00088.14S.0520.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Das Rekursgericht hat in einer Obsorge- und Kontaktrechtssache den Revisionsrekurs nicht zugelassen. Daher ist gegen seine Entscheidung nach § 62 Abs 5 AußStrG (nur) ein außerordentlicher Revisionsrekurs zulässig. Das Rekursgericht hat daher das Erstgericht zutreffend angewiesen, das als „Zulassungsvorstellung und ordentlicher Revisionsrekurs“ bezeichnete Rechtsmittel des Vaters unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vorzulegen. Die unrichtige Bezeichnung hindert nicht die Behandlung des Rechtsmittels in einer dem Gesetz entsprechenden Weise (RIS-Justiz RS0036258).

Das Rechtsmittel ist als außerordentlicher Revisionsrekurs zu behandeln. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt nicht vor.

Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (6 Ob 41/13t = EF‑Z 2013, 164 [ Beck ] = EvBl 2013/137 [ Gottschamel ] = iFamZ 2013, 288 [ Thoma‑Twaroch ]; 4 Ob 32/13d = iFamZ 2013, 289 [ Thoma‑Twaroch ]; RIS-Justiz RS0128812; zuletzt etwa 10 Ob 53/13m) setzt eine sinnvolle Ausübung der Obsorge beider Eltern ein gewisses Mindestmaß an Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit voraus. Um Entscheidungen gemeinsam im Sinn des Kindeswohls treffen zu können, ist es erforderlich, in sachlicher Form Informationen auszutauschen und Entschlüsse zu fassen. Es ist daher eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob bereits jetzt eine entsprechende Gesprächsbasis zwischen den Eltern vorhanden ist oder ob zumindest in absehbarer Zeit mit einer solchen gerechnet werden kann. Ob das zutrifft, hängt in hohem Maß von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher im Allgemeinen keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung.

Im vorliegenden Fall ist die ausführlich begründete Auffassung der Vorinstanzen, dass keine ausreichende Gesprächsbasis bestehe, jedenfalls vertretbar. Die Unfähigkeit der Eltern, anders als durch gereizte E-Mails und Textnachrichten miteinander zu kommunizieren, ist nach dem Akteninhalt evident; Indizien für eine Änderung sind ‑ nach mehreren gescheiterten Mediations-versuchen ‑ nicht einmal ansatzweise erkennbar. Unter diesen Umständen führte eine gemeinsame Obsorge zu einer dem Kindeswohl abträglichen Erhöhung des Konfliktpotentials.

Neue Umstände, die zu einer Änderung des erst vor eineinhalb Jahren geregelten Kontaktrechts führen könnten, zeigt auch der Revisionsrekurs nicht auf. Es liegt im Interesse des Kindes, dass die im Wesentlichen funktionierende Regelung vorerst beibehalten und von beiden Eltern mit einer gewissen Großzügigkeit umgesetzt wird. Dann ist nicht ausgeschlossen, dass diese Regelung jenseits aller rechtlichen Auseinandersetzungen zu einer gewissen Normalität im Verhältnis zwischen den Eltern und ihrer Tochter führt, die nicht nur für T***** weitere Entwicklung von entscheidender Bedeutung wäre, sondern längerfristig auch ganz selbstverständlich ‑ und ohne dass der Vater dies als Sieg oder die Mutter als Niederlage verstehen müsste ‑ eine gemeinsame Obsorge beider Eltern ermöglichen könnte.

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