OGH 10Ob53/13m

OGH10Ob53/13m28.1.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, die Hofrätin Dr. Fichtenau und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen K*****, geboren am 29. August 2001, und N*****, geboren am 10. August 2006, über den ordentlichen Revisionsrekurs des Vaters M*****, und den außerordentlichen Revisionsrekurs des Bruders S*****, beide vertreten durch Dr. Thomas Krankl, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 14. August 2013, GZ 42 R 236/13m‑114, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 6. Mai 2013, GZ 26 Ps 6/12m‑95, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0100OB00053.13M.0128.000

 

Spruch:

1. Der Revisionsrekurs des Vaters gegen Punkt 2. des angefochtenen Beschlusses wird zurückgewiesen.

2. Dem Revisionsrekurs des Bruders wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Rekursgerichts wird in seinem Punkt 1. ‑ ebenso wie der dazu korrespondierende Punkt 3. der Entscheidung des Erstgerichts ‑ aufgehoben. Die Rechtssache wird auch in diesem Umfang zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Der Antrag der A***** auf Zuspruch von Kosten für die Beantwortung des Revisionsrekurses des S***** wird abgewiesen.

 

Begründung:

Die beiden Minderjährigen sind eheliche Kinder von A***** und M*****, deren Ehe mit Urteil des Erstgerichts vom 11. 9. 2012 zur AZ 26 C 3/12i aus dem Verschulden beider Teile geschieden wurde. Der Ehe entstammt weiters der bereits volljährige S*****, geboren am 28. 6. 1994. Die Kinder und ihre Eltern sind österreichische Staatsbürger. Die Kinder leben seit der Trennung der Eltern Ende 2011 im Haushalt der Mutter. Der bereits volljährige S***** lebt bei seinem Vater.

Mit Beschluss des Erstgerichts vom 26. 7. 2012 wurde der Antrag des Vaters, der Mutter die Obsorge für die beiden Minderjährigen zu entziehen und an ihn zu übertragen, abgewiesen. Weiters wurde das Besuchsrecht des Vaters zu den beiden Minderjährigen geregelt und ein darüber hinausgehender Besuchsrechtsantrag abgewiesen. Zuletzt wurde der Antrag von S***** auf Regelung des Besuchsrechts zu seinen beiden Geschwistern zurückgewiesen. Dem dagegen von S***** erhobenen Rekurs wurde mit Beschluss des Rekursgerichts vom 21. 11. 2012 (ON 70) Folge gegeben, der angefochtene Beschluss in diesem Umfang aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Mit Schriftsatz vom 10. 12. 2012 (ON 73) begehrte der Vater wiederum, ihm die alleinige Obsorge für die beiden Minderjährigen zu übertragen. Hilfsweise wurde beantragt, die gemeinsame Obsorge für die Minderjährigen zu beschließen. Dazu brachte der Vater im Wesentlichen vor, die Mutter habe ihm gegenüber einige Monate bewusst die Entfremdung der Kinder betrieben. Erst ab Sommer 2012 sei es zu einigen Besuchskontakten in einem Besuchskaffee und danach im Zuge der im Scheidungsverfahren vereinbarten Besuchskontakte zu umfangreicheren Kontakten zwischen dem Vater und den minderjährigen Kindern gekommen. Bei diesen Besuchskontakten habe sich gezeigt, dass die Kinder es eigentlich bevorzugen würden, beim Vater zu wohnen. Aufgrund der Äußerung entsprechender Wünsche durch die Kinder habe die Mutter wiederum ein Bedrohungsszenario durch den Vater fingiert und die Besuchskontakte einseitig ausgesetzt. Diese Vorgangsweise schädige das Kindeswohl.

Die Mutter sprach sich gegen diesen Antrag aus und wendete im Wesentlichen ein, der Vater sei trotz Scheidung „nach wie vor krankhaft eifersüchtig“. Das Besuchsrecht und der gegenständliche Antrag auf Übertragung der Obsorge sei nicht durch die Zuneigung oder die Sorge um das Wohlbefinden der Kinder motiviert. Der Vater versuche vielmehr, seinen psychischen Terror, den er schon während der Ehe ausgeübt habe, weiter fortzusetzen. Die Kinder würden während des Besuchs beim Vater gegen die Mutter aufgehetzt und negativ beeinflusst.

Das Erstgericht betraute mit Beschluss vom 6. 5. 2013 (ON 95) die beiden Eltern gemeinsam mit der Obsorge für die beiden Minderjährigen, wobei die hauptsächliche Betreuung durch die Mutter festgesetzt wurde (Punkt 1.). Die Kontakte des Vaters mit den Kindern in den Ferien wurden derart geregelt, dass der Vater die Kinder zwei Wochen hintereinander im Juli innerhalb der ersten drei Ferienwochen und die siebte und achte Ferienwoche im August zu sich nehmen kann (Punkt 2.). Dem Bruder der Minderjährigen, S*****, wurden nicht eigens persönliche Kontakte zu den Minderjährigen eingeräumt, sondern stehe es diesem frei, seine persönlichen Kontakte mit seinen Geschwistern im Rahmen des dem Vater zugesprochenen Kontaktrechts zu pflegen (Punkt 3.). Die „abweichenden Anträge“ wurden abgewiesen (Punkt 4.)

Das Erstgericht stellte im Wesentlichen fest, dass die beiden Minderjährigen seit Ende 2011 allein bei der Mutter leben. Sie ist Hauptbezugsperson und kümmert sich um alle ihre Angelegenheiten. Zum Vater bestand etwa von Oktober 2012 bis 1. 5. 2013 ‑ mit Ausnahme der Treffen beim Sachverständigen ‑ kein Kontakt.

Bei den Minderjährigen zeigen sich bereits Anzeichen der Entfremdung vom Vater. Das von den Kindern behauptete negative und bedrohliche Verhalten als Grund dafür, den Vater nicht sehen zu wollen, bzw nur dann, wenn der Vater nicht mehr über die Mutter schimpfe, wurde wesentlich von der Mutter suggestiv vorgegeben, wie auch die Angst vor einer Entführung. Im persönlichen Kontakt gehen die Minderjährigen jedoch unbefangen auf den Vater zu und das Vater‑Kind‑Verhältnis ist in der tatsächlichen Interaktion positiv. Eine nachhaltige Entfremdung besteht daher noch nicht, weshalb gerade noch keine Kindeswohlgefährdung vorliegt. Beide Kinder wünschen sich intensive Kontakte zum Vater. Der Vater hat weder vor, seinen Aufenthalt von Österreich nach Ägypten zu verlegen, noch jenen seiner Kinder.

Zwischen den Eltern bestand zunächst gar keine Gesprächsbasis. Die Situation hat sich jedoch verbessert, sodass es den Eltern in der letzten Zeit gelang, friedlich miteinander per Telefon oder SMS zu kommunizieren und es gelang ihnen zuletzt sogar, außergerichtlich zu vereinbaren, dass der Vater den Feiertag des 1. Mai mit N***** verbringt. Es klappte sowohl das Abholen als auch das Zurückbringen friedlich zwischen den Eltern. Es bestehen zwar nach wie vor Konflikte, Mutter und Vater arbeiten aber bereits an einem besseren Umgangsklima.

Die gemeinsame Obsorge der Eltern ist ein Signal für beide Eltern, insbesondere aber für die Mutter, dass es im Sinne der Kinder ist, wenn die Beziehung zum Vater aufrecht erhalten bleibt und vertieft wird, der Vater im Alltag der Kinder eine aktive Rolle spielen soll und es für die Kinder wichtig ist, wenn die Eltern ihre Erziehungsziele gemeinsam umsetzen. Gerade aufgrund der fehlenden Bindungstoleranz der Mutter zum Vater ist die Betrauung beider Elternteile mit der Obsorge samt hauptsächlicher Betreuung durch die Mutter eher geeignet für die gedeihliche Entwicklung der Minderjährigen als die alleinige Obsorge der Mutter, welche suggestiv ein schlechtes Bild vom Vater vermittelte.

Das ausgedehnte Ferienbesuchsrecht entspricht dem Alter und dem Wohl der beiden Minderjährigen. Es ist zum Wohl der Minderjährigen jedoch nicht erforderlich, dass die persönlichen Kontakte zu ihrem älteren Bruder S***** gesondert geregelt werden, sondern ermöglicht das dem Vater eingeräumte Kontaktrecht ebenso einen intensiven Kontakt zwischen den Geschwistern, zumal S***** beim Vater wohnt.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht unter Hinweis auf die §§ 180 ff ABGB nF im Wesentlichen aus, dass die im Zuge des Trennungsprozesses eingeengte und verzerrte Wahrnehmung des Vaters durch die Mutter zu einer diffusen Angst geführt habe und zu dem Gefühl, die Kinder vor seinem Einfluss schützen zu müssen. Hingegen erfülle die gemeinsame Obsorge wichtige emotionale Bedürfnisse und könne das seelische Gleichgewicht stabilisieren. Die Entwicklungsinteressen der Kinder seien nämlich dann gefährdet, wenn die Obsorgeentscheidung die Konflikte der Eltern noch verschärfe. Ein zunächst fehlendes Einvernehmen der Eltern über die Betrauung beider mit der Obsorge sei kein verlässlicher Indikator dafür, dass die gemeinsame Obsorge nach der Scheidung nicht gelingen könne. Die Festsetzung der hauptsächlichen Betreuung durch die Mutter spiegle die realen Betreuungsverhältnisse wider und es solle sich daran im Hinblick auf das Wohl der Kinder auch nichts ändern.

Da (der ältere Bruder der Minderjährigen) S***** beim Vater lebe, sei diesem kein gesondertes Kontaktrecht zuzusprechen. Es sei für ihn ausreichend, wenn auch er im Rahmen des dem Vater eingeräumten Kontaktrechts Zeit mit seinen Geschwistern verbringe.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Bruders der Minderjährigen keine Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs dagegen nicht zulässig sei. Hingegen gab es dem Rekurs der Mutter dahin Folge, dass es den angefochtenen Beschluss in seinem Punkt 1. hinsichtlich der Anordnung der gemeinsamen Obsorge aufhob und dem Erstgericht insoweit die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auftrug. Es sprach weiters aus, dass der Revisionsrekurs insoweit zulässig sei.

Das Rekursgericht gelangte in seiner ausführlichen rechtlichen Beurteilung im Wesentlichen zu dem Ergebnis, dass nach der durch das KindNamRÄG 2013 geänderten Rechtslage die Betrauung beider Elternteile mit der Obsorge auch gegen deren Willen oder gegen den Willen eines von beiden angeordnet werden könne. Maßgeblich sei dabei das dem Willen der Eltern übergeordnete Kindesinteresse. Eine sinnvolle Ausübung der Obsorge beider Eltern setze dabei allerdings ein gewisses Mindestmaß an Kooperations‑ und Kommunikationsfähigkeit voraus. Es sei daher eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob bereits jetzt eine entsprechende Gesprächsbasis zwischen den Eltern vorhanden sei oder ob zumindest in absehbarer Zeit mit einer solchen gerechnet werden könne. Aus den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen über eine im Wesentlichen erst unmittelbar vor der Beschlussfassung erfolgte Verbesserung des Klimas zwischen den Eltern könne noch keine einigermaßen verlässliche Prognose über die jedenfalls notwendige Gesprächsbasis zwischen den Eltern abgeleitet werden. Die Beurteilung des Erstgerichts sei im Hinblick auf die davor gezeigten Verhaltensweisen der Eltern im gegenseitigen Umgang und den damit verbundenen monatelangen Abbruch der Kontakte zwischen den Kindern und dem Vater noch zu unsicher. Das Gesetz sehe in § 180 ABGB nF nunmehr die Möglichkeit vor, über einen gewissen Zeitraum die vorläufige Regelung der elterlichen Verantwortung zu regeln und dabei zu beachten und zu prüfen, welche Maßnahme nach der Sachlage dem Wohl des Kindes entspreche.

Ausgehend von der erst unmittelbar vor Beschlussfassung erster Instanz eingetretenen Verbesserung des Gesprächsklimas zwischen den Eltern wäre es daher zwecks Erlangung halbwegs gesicherter Grundlagen für eine Zukunftsprognose angezeigt gewesen, eine derartige Phase einzuleiten, in der beide Elternteile dem Gericht, dem jeweils anderen, insbesondere aber auch ihren Kindern zeigen können, dass sie trotz der Zerwürfnisse in der Vergangenheit in der Lage seien, in der Zukunft gemeinsam im Sinne ihrer Kinder zu handeln. Dies sei insbesondere auch deshalb erforderlich, weil sich aus dem Situationsbericht des Jugendamts vom 19. 7. 2013 ‑ derzeit allerdings noch nicht näher geprüfte ‑ gravierende Hinweise darauf ergeben, dass sich die Gesprächsbasis zwischen den Eltern zwischenzeitig wieder erheblich verschlechtert haben könnte. Gerade der vorliegende Fall erscheine dafür geeignet, eine vorläufige Phase der elterlichen Verantwortung anzuordnen und deren Ergebnisse abzuwarten. Weiters erscheine die Bestellung eines Kinderbeistands für die beiden Minderjährigen angezeigt und es sei auch die Verpflichtung zum Besuch einer Elternberatung oder eine vergleichbare Maßnahme zu erwägen.

Der Revisionsrekurs sei insoweit zulässig, weil den relevierten Rechtsfragen, insbesondere über die erforderlichen Grundlagen für eine Zukunftsprognose und die Einleitung einer Phase der vorläufigen elterlichen Verantwortung, eine erhebliche Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG zukomme.

Hinsichtlich des Rekurses des Bruders der Minderjährigen vertrat das Rekursgericht im Wesentlichen die Ansicht, gemäß § 188 Abs 2 ABGB nF habe das Gericht auf Antrag unter anderem eines Dritten die zur Regelung der persönlichen Kontakte nötigen Verfügungen zu treffen, wenn persönliche Kontakte des Kindes mit einem hiezu bereiten Dritten dem Wohl des Kindes dienten. Das dem Vater eingeräumte Kontaktrecht ermögliche ebenso einen intensiven Kontakt zwischen den Geschwistern, sodass die gesonderte Regelung von Kontakten mit dem Bruder zum Wohl der Kinder nicht erforderlich sei. Der Bruder der Minderjährigen habe sich außerdem damit einverstanden erklärt, dass kein separates Kontaktrecht zwischen ihm und seinen Geschwistern festgelegt werde, sondern er dieses während des Besuchsrechts zum Vater wahrnehme. Die Regelung weitergehender Kontakte der Kinder zu ihrem Bruder liege derzeit nicht im Wohl der beiden Kinder.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs insoweit mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs des Vaters mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass die Entscheidung des Erstgerichts über die gemeinsame Obsorge wiederhergestellt werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Mutter der beiden Minderjährigen beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, dem Rechtsmittel des Vaters keine Folge zu geben.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich auch der außerordentliche Revisionsrekurs des Bruders der Minderjährigen mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass ihm im Rahmen der Besuchskontakte des Vaters zu dessen minderjährigen Kindern zu den im Vergleich vom 2. 5. 2013 und den in Punkt 2. des Beschlusses des Erstgerichts vom 6. 5. 2013 angeführten Besuchszeiten ein Rechtsanspruch auf persönlichen Kontakt zu seinen beiden minderjährigen Geschwistern, somit ein eigenständiges Kontaktrecht, eingeräumt werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Mutter beantragt in der ihr freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs ihres volljährigen Sohnes keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Vaters ist entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden ‑ Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig. Der Revisionsrekurs des Bruders ist hingegen zulässig und im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

I. Zum Revisionsrekurs des Vaters:

1. Nach § 1503 Abs 1 Z 1 ABGB ist das Kindschafts‑ und Namensrechts‑Änderungsgesetz 2013 (BGBl I 2013/15, KindNamRÄG 2013) mit 1. Februar 2013 in Kraft getreten. Die neuen Bestimmungen sind auch in den zu diesem Zeitpunkt bereits anhängigen Verfahren anzuwenden (vgl RIS‑Justiz RS0128634).

2. Nach § 180 Abs 1 Z 2 ABGB hat das Gericht, sofern dies dem Wohl des Kindes entspricht, eine vorläufige Regelung der elterlichen Verantwortung zu treffen, wenn ein Elternteil die Übertragung der alleinigen Obsorge an ihn oder seine Beteiligung an der Obsorge beantragt. Auf der Grundlage der Erfahrungen in der Phase der vorläufigen elterlichen Verantwortung einschließlich der Leistung des gesetzlichen Unterhalts und nach Maßgabe des Kindeswohls hat das Gericht über die Obsorge endgültig zu entscheiden (§ 180 Abs 2 ABGB). Ist die Obsorge iSd Abs 2 endgültig geregelt, so kann jeder Elternteil, sofern sich die Verhältnisse maßgeblich geändert haben, bei Gericht eine Neuregelung der Obsorge beantragen. Für die Änderung einer geregelten Obsorge gelten die Abs 1 und 2 entsprechend (§ 180 Abs 3 ABGB). Als solche maßgebliche Umstandsänderung muss man für alle bestehenden Regelungen auch die durch das KindNamRÄG 2013 herbeigeführten Änderungen im Recht der Obsorge (insbesondere die Obsorge beider Eltern gegen den Willen eines Elternteils oder den Antrag auf Übertragung der Alleinobsorge ohne Kindeswohlgefährdung) ansehen (vgl Weitzenböck in Schwimann/Kodek , ABGB 4 Ia § 180 Rz 44 mwN; RIS‑Justiz RS0128809).

3. Auch wenn das Gesetz keine näheren Kriterien dafür aufstellt, ob eine Alleinobsorge eines Elternteils oder eine Obsorge beider Eltern anzuordnen ist, so kommt es doch darauf an, ob die Alleinobsorge eines Elternteils oder die Obsorge beider Eltern dem Wohl des Kindes besser entspricht. Eine sinnvolle Ausübung der Obsorge beider Eltern setzt dabei allerdings ein gewisses Mindestmaß an Kooperations‑ und Kommunikationsfähigkeit beider voraus. Um Entscheidungen gemeinsam im Sinne des Kindeswohls treffen zu können, ist es erforderlich, in entsprechend sachlicher Form Informationen auszutauschen und einen Entschluss zu fassen. Es ist also eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob bereits jetzt eine entsprechende Gesprächsbasis zwischen den Eltern vorhanden ist oder ob zumindest in absehbarer Zeit mit einer solchen gerechnet werden kann (6 Ob 41/13t ua; RIS‑Justiz RS0128812).

4. Wenn das Rekursgericht ausgehend von seiner mit der zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs im Einklang stehenden Rechtsansicht davon ausgegangen ist, dass aus den vom Erstgericht bisher getroffenen Feststellungen eine einigermaßen verlässliche Prognose über eine für die vom Vater weiterhin angestrebte gemeinsame Obsorge jedenfalls notwendige Gesprächsbasis zwischen den Eltern noch nicht abgeleitet werden könne und daher die Tatsachengrundlage insoweit noch ergänzungsbedürftig sei, kann dem nicht entgegengetreten werden, weil dem Obersten Gerichtshof, der keine Tatsacheninstanz ist, die Prüfung der Frage, ob weitere Beweise aufzunehmen sind, verwehrt ist (vgl RIS‑Justiz RS0007236 [T5] mwN). Die Frage, welche Beweise für eine abschließende Klärung der Frage, ob eine entsprechende Gesprächsbasis zwischen den Eltern vorhanden ist oder zumindest in absehbarer Zeit (wieder‑)hergestellt werden kann, aufzunehmen sind, obliegt der am konkreten Kindeswohl orientierten Beurteilung der Vorinstanzen. Gleiches gilt für die Frage, ob eine Phase der vorläufigen elterlichen Verantwortung anzuordnen ist bzw Aufträge nach § 107 Abs 3 AußStrG zu erteilen sind (vgl 4 Ob 58/13b).

5. Der Revisionsrekurs des Vaters war daher im Hinblick auf die mittlerweile bereits vorliegende zitierte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen (vgl RIS‑Justiz RS0128813 [T1]).

II. Zum Revisionsrekurs des Bruders:

1. Nach § 188 Abs 2 Satz 1 ABGB idF KindNamRÄG 2013 hat das Gericht, wenn persönliche Kontakte des minderjährigen Kindes mit einem hiezu bereiten Dritten dem Wohl des Kindes dienen, unter anderem auf Antrag des Dritten, sofern dieser zu dem Kind in einem besonderen persönlichen oder familiären Verhältnis steht oder gestanden ist, die zur Regelung der persönlichen Kontakte nötigen Verfügungen zu treffen.

2. Neben Eltern und Großeltern können auch „Dritte“ wie beispielsweise Geschwister wichtige Bezugspersonen für das Kind sein. Nach der Rechtslage bis zum KindNamRÄG 2013 fand nach § 148 Abs 4 ABGB aF eine gerichtliche Regelung des Kontaktrechts zwischen dem Kind und einer solchen für das Kind wichtigen „dritten“ Person nur statt, wenn bei Unterbleiben eines solchen Kontakts das Kindeswohl gefährdet war; nicht hinreichend war, dass die Aufrechterhaltung des Kontakts für das Kindeswohl „nur“ förderlich war. Ein Antragsrecht kam nur dem Kind, den Eltern oder dem Jugendwohlfahrtsträger zu, nicht aber dem Dritten selbst ( Nademleinsky in Schwimann/Kodek , ABGB 4 Ia § 188 Rz 5 mwN).

2.1 Mit der Neuregelung durch § 188 Abs 2 Satz 1 ABGB idF KindNamRÄG 2013 wird dem Dritten, der in einem besonderen persönlichen oder familiären Verhältnis zu dem Kind steht oder gestanden ist, ein Antragsrecht auf Regelung der persönlichen Kontakte mit dem Kind eingeräumt. Voraussetzung der Regelung ist nicht mehr, dass ohne Regelung das Kindeswohl gefährdet wäre, sondern es genügt, dass die persönlichen Kontakte dem Kindeswohl dienen. Die Regelung erlaubt eine Einzelfallabwägung und ist insoweit nun mit Art 8 EMRK konform ( Nademleinsky aaO § 188 Rz 6). Dieses Kontaktrecht nach § 188 Abs 2 Satz 1 ABGB steht dem „Dritten“ unabhängig vom Kontaktrecht jedes Elternteils nach § 187 ABGB zu.

3. Zutreffend macht der Bruder der Minderjährigen daher geltend, dass ihm ein eigener geregelter Besuchskontakt zu den beiden Minderjährigen nach § 188 Abs 2 Satz 1 ABGB zusteht und die Vorinstanzen daher eine eigene Regelung über diesen Besuchskontakt hätten treffen müssen. Der Umstand, dass der Bruder der Minderjährigen damit einverstanden ist, dass er sein Kontaktrecht im Rahmen des zwischen den Eltern vereinbarten Kontaktrechts des Vaters zu seinen minderjährigen Kindern ausübt, beseitigt entgegen der offenbaren Rechtsansicht der Vorinstanzen nicht seinen Rechtsanspruch auf eine eigenständige Regelung seines Kontaktrechts.

4. Es wird daher das Erstgericht im fortzusetzenden Verfahren eine inhaltliche Regelung des Kontaktrechts des Bruders der Minderjährigen vorzunehmen haben und dabei zumindest Zeit und Ort dieser persönlichen Kontakte klar und eindeutig festzulegen haben. Dabei wird auch auf die nach der Aktenlage (vgl den Situationsbericht des Jugendamts vom 19. 7. 2013 sowie die Eingabe der Mutter vom 18. 10. 2013) zuletzt offenbar aufgetretenen Schwierigkeiten bei den Besuchskontakten des Vaters zu seinen beiden minderjährigen Kindern Bedacht zu nehmen sein.

Es war daher in Stattgebung des Revisionsrekurses des Bruders der Minderjährigen spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 107 Abs 5 AußStrG, wonach in Verfahren über die Obsorge und die persönlichen Kontakte ein Kostenersatz generell nicht stattfindet.

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