OGH 10Ob11/14m

OGH10Ob11/14m23.4.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Doralt Seist Csoklich Rechtsanwalts-Partnerschaft OG in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. M*****, vertreten durch Graff Nestl & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, 2. Verlassenschaft nach dem am ***** verstorbenen Dkfm. H*****, vertreten durch Schulyok Unger & Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 34.184,88 EUR sA, über die außerordentliche Revision der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 2. Oktober 2013, GZ 22 R 328/13h‑15, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0100OB00011.14M.0423.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Erschöpft sich die Zulassungsbeschwerde ‑ wie hier ‑ in der bloßen Rüge, das Berufungsgericht habe die Rechtsfrage „unrichtig“ („basierend auf einer offenbaren Aktenwidrigkeit“) gelöst, ist damit eine Prüfung der Frage, ob entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig ist, weil die Entscheidung von einer im Sinne dieser Gesetzesstelle erheblichen Rechtsfrage des materiellen oder formellen Rechts abhängig war, nicht möglich (RIS‑Justiz RS0043654). Eine pauschale Bekämpfung der Rechtsansicht des Berufungsgerichts ohne Auseinandersetzung mit höchstgerichtlicher Rechtsprechung genügt nicht den an eine Revision gestellten Anforderungen (RIS‑Justiz RS0043654 [T12]; 3 Ob 139/12f).

1.1. Wie schon in der Berufung bekämpft die Erstbeklagte unter dem Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit (rechtliche) Schlussfolgerungen bzw Wertungen, die schon definitionsgemäß keine Aktenwidrigkeit im Sinn des Gesetzes sein können (vgl RIS‑Justiz RS0043277 [T1], RS0043256).

2. Soweit die Rechtsmittelausführungen dahin zu verstehen sind, dass sie sich gegen die Beurteilung wenden, wonach zwischen den Streitteilen weder ausdrücklich noch konkludent eine Wertsicherung vereinbart wurde (dass also die Beurteilung des Erstgerichts, wonach eine ausdrückliche Indexvereinbarung „unstrittig“ nicht bestehe, aktenwidrig sei), entfernen sie sich aber auch von der ‑ nicht mehr angreifbaren ‑ Tatsachengrundlage:

2.1. Danach steht fest, dass eine Vereinbarung über die Wertsicherung der Bestandzinse oder darüber, welcher Index Berechnungsbasis sein solle, nicht getroffen wurde. Das Nichtvorliegen einer solchen ausdrücklichen Vereinbarung steht somit fest. Die Beklagten haben dem Klagevorbringen, eine Indexvereinbarung sei nicht abgeschlossen worden (ON 10, AS 93), im Übrigen gar nicht entgegengehalten, dass eine ausdrückliche Indexvereinbarung zustande gekommen sei. Sie haben sich lediglich darauf berufen, dass mehrfach Indexaufforderungen bzw Indexvorschreibungen an die Klägerin gerichtet worden seien, die die Erstbeklagte vorgeschrieben und unterschrieben habe. Mehr als eine allenfalls konkludente Vereinbarung einer Indexanpassung durch die Zahlung indexierter Beträge seitens der Klägerin wurde von der Beklagten somit gar nicht behauptet. Die Beurteilung von konkludenten Willenserklärungen ist aber regelmäßig einzelfallbezogen und stellt daher ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage dar (RIS‑Justiz RS0109021 [T5]).

3. Wenn die außerordentliche Revision zuletzt fordert, der Oberste Gerichtshof möge aussprechen, dass vorangegangene Jahre nachverrechnet und die VPI 1966 bzw 1976 als Wertmaßstäbe zwischen den Streitteilen vereinbart worden seien, wobei die Kalkulation des Rechtsvorgängers der Zweitbeklagten mit Unterfertigung durch die Erstbeklagte (!) angenommen worden sei, ist ihr vorweg zu erwidern, dass der Oberste Gerichtshof nicht Tatsacheninstanz ist.

3.1. Die weiteren Rechtsmittelausführungen sind im Übrigen auf die ‑ bereits rechtskräftige ‑ Entscheidung des zwischen den Streitteilen (mit umgekehrten Parteirollen) geführten Verfahrens ( 8 Ob 20/13v ) zu verweisen, wo die nunmehr Beklagten von der nunmehrigen Klägerin einen auf 12.000 EUR erhöhten monatlichen Mietzins für das auch hier klagsgegenständliche Bestandobjekt ab 1. 2. 2009 (erfolglos) begehrt haben; und darauf, dass die Erfolglosigkeit dieser Klageerhebung auch für den vorliegenden Prozess maßgebend ist:

3.2. Die Bindungswirkung einer Entscheidung (also der Ausschluss der Verhandlung, Beweisaufnahme und neuerlichen Prüfung eines rechtskräftig entschiedenen Anspruchs bei der Entscheidung über ein neues, begrifflich aber untrennbar mit dem Inhalt der rechtskräftigen Vorentscheidung zusammenhängendes Klagebegehren) ist als Folge der Rechtskraft grundsätzlich auf die Parteien und den „geltend gemachten Anspruch“, über den im Urteil entschieden wurde, beschränkt. Der Oberste Gerichtshof hat schon mehrfach ‑ trotz fehlender Identität der Begehren ‑ eine inhaltliche Bindung des später entscheidenden Gerichts an ein Urteil im Vorprozess angenommen, wenn Parteien und rechtserzeugender Inhalt identisch sind und beide Prozesse in einem so engen inhaltlichen Zusammenhang stehen, dass die Gebote der Rechtssicherheit und der Entscheidungsharmonie eine widersprechende Beantwortung derselben in beiden Fällen entscheidenden Rechtsfrage nicht gestatten (RIS‑Justiz RS0041157). Ein solcher ist anzunehmen, wenn die Entscheidung über den neuen Anspruch vom Inhalt der bereits rechtskräftig entschiedenen Streitsache abhängig ist (Präjudizialität der rechtskräftigen Entscheidung) oder wenn das Begehren das begriffliche Gegenteil des rechtskräftig entschiedenen Anspruchs darstellt (RIS‑Justiz RS0041572; RS0041567; RS0041331; jüngst: 3 Ob 167/13z).

4. Davon ausgehend ist die Höhe des zulässigen Mietzinses nicht mehr angreifbar, weil das nunmehrige Rückzahlungsbegehren die Negation des zu 8 Ob 20/13v erhobenen, dort aber ‑ bereits rechtskräftig ‑ abgewiesenen Mietzinsbegehrens der nunmehr Beklagten darstellt: Wurde doch dazu bereits festgehalten, dass der von den (nun) Beklagten verlangte Mietzins den angemessenen Mietzins überstieg, weil er, um einem Drittvergleich standzuhalten, nur 7.605,44 EUR monatlich hätte betragen dürfen; dass der Mietvertrag durch diesen Verstoß gegen § 82 GmbHG im Umfang der Überschreitung des angemessenen Mietzinses teilnichtig war; und dass es dem Vermieter daher an der Anspruchsgrundlage für die Einhebung der Mietzinse, die die Angemessenheitsgrenze überstiegen, fehlte, weil dieser Teil der geforderten Beträge eine verbotene Einlagenrückgewähr bedeutete (8 Ob 20/13v).

4.1. Den weiteren Rechtsmittelausführungen fehlt daher ebenfalls die Grundlage ausreichenden Vorbringens der Beklagten: Diese haben eine Änderung des rechtserzeugenden Sachverhalts nicht einmal (ausreichend) behauptet. Für eine (bezüglich des höchsten zulässigen Mietzinses) von der Entscheidung 8 Ob 20/13v abweichende Beurteilung bleibt daher kein Raum. Aus den Jahren 2010 und 2011 ergibt sich somit (infolge Teilnichtigkeit der Mietzinsanhebung) die im vorliegenden Verfahren rückgeforderte Differenz zwischen dem von der Klägerin bezahlten (9.029,81 EUR) und dem angemessenen monatlichen Mietzins (7.605,44 EUR), nämlich der 24‑fache monatliche Differenzbetrag (1.424,37 EUR) von insgesamt 34.184,88 EUR sA.

5. Mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision daher zurückzuweisen, was gemäß § 510 Abs 3 ZPO keiner weiteren Begründung bedarf.

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