OGH 3Ob139/12f

OGH3Ob139/12f8.8.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** GmbH, *****, vertreten durch Gassauer-Fleissner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Verein B*****, vertreten durch Dr. Walter Eisl, Rechtsanwalt in Amstetten, wegen 151.480 EUR sA (Revisionsinteresse 130.740 EUR sA), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. Mai 2012, GZ 12 R 12/12s-103, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 31. Oktober 2011, GZ 3 Cg 269/06m-95, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 7. November 2011, GZ 3 Cg 269/06m-97, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Parteien haben am 20. Februar 2006 einen Vertrag über die Lieferung einer Containertribüne um 220.000 EUR zuzüglich 20 % USt abgeschlossen. Als Zahlungsbedingungen waren 50 % Anzahlung, 40 % bei Lieferbereitschaft und 10 % nach Fertigstellung vereinbart. Dem Vertrag ging ein Angebot der klagenden Partei vom 2. Februar 2006 voran, nach dem insgesamt 34 Reihen mit 1.272 Sitzplätzen vorgesehen waren.

Die Anzahlung von 110.000 EUR netto wurde von der klagenden Partei am 20. Februar 2006 in Rechnung gestellt und von der beklagten Partei am 27. März 2006 geleistet.

Die klagende Partei begehrt nun (restliche) 130.740 EUR sA. Der beklagte Verein wandte im Wesentlichen ein, dass die klagende Partei den Liefertermin nicht eingehalten und die Tribüne nicht nach Plan gebaut habe; es würden Teile fehlen und die Bauausführung sei mangelhaft. Die beklagte Partei hielt der Klageforderung auch daraus resultierende Gegenforderungen von 73.590 EUR an Materialkosten und Arbeitsleistungen (um die Tribüne benützbar zu machen) ein.

Das Erstgericht erkannte die Klageforderung als mit 130.740 EUR zu Recht bestehend und die Gegenforderungen der beklagten Partei als nicht zu Recht bestehend; dementsprechend wurde die beklagte Partei verpflichtet, der klagenden Partei 130.740 EUR sA zu zahlen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, dass es die Abweisung des Mehrbegehrens der klagenden Partei in den Urteilsspruch aufnahm. Es verneinte eine relevante Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens und sah die Tatsachenrüge - von einer Ausnahme abgesehen - teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt, teils als nicht berechtigt an. Auch die Rechtsrüge blieb erfolglos.

Rechtliche Beurteilung

In ihrer außerordentlichen Revision macht die beklagte Partei keine erhebliche Rechtsfrage geltend.

1. Vorweg ist darauf hinzuweisen,

- dass die Zulässigkeit der Revision an den Obersten Gerichtshof von der Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO abhängt und

- dass die Behauptung der Unrichtigkeit der Sachverhaltsfeststellungen durch die Tatsacheninstanzen keinen Revisionsgrund darstellt (RIS-Justiz RS0043371 [T5]).

2. Im Vordergrund der Zulässigkeitsbeschwerde stehen zwei Argumente: Das Berufungsgericht habe

a) wesentliche Verfahrensgrundsätze verletzt, indem es entgegen dem Antrag der beklagten Partei keine mündliche Berufungsverhandlung anberaumt und so gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz verstoßen habe, und indem es sich nicht ausreichend mit der Beweisrüge der beklagten Partei auseinandergesetzt habe;

b) unreflektiert den vom Erstgericht vorgenommen Abzug von 8.450 EUR (wegen der mit der Nichtherstellung der Sitztribüne über dem Eingangsbereich verbundenen zu geringen Sitzplatzanzahl) übernommen, obwohl ein Abzug von 17.300 EUR angemessen wäre;

c) zu Unrecht das Leistungsverweigerungsrecht wegen der teilweisen Nichtlieferung verneint.

3. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass die durch das Budgetbegleitgesetz 2009 herbeigeführte Änderung des § 480 ZPO, wonach eine mündliche Berufungsverhandlung nur noch erforderlichenfalls - etwa aufgrund der Komplexität der zu entscheidenden Rechtssache - anzuberaumen ist, nicht gegen Art 6 EMRK und den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verstößt (RIS-Justiz RS0126298). Es besteht auch keine Verpflichtung zur Beweiswiederholung (RIS-Justiz RS0126298 [T1]).

4. Die Entscheidung über eine Beweisrüge, mit der sich das Berufungsgericht auseinandergesetzt hat, ist im Rahmen der Revision nicht mehr bekämpfbar (RIS-Justiz RS0043371 [T21]). Mangelhaft wäre das Berufungsverfahren dann, wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisrüge nicht oder nur so mangelhaft befasst hat, dass keine nachvollziehbaren Überlegungen über die Beweiswürdigung angestellt und im Urteil festgehalten sind (RIS-Justiz RS0043371 [T13]). Das Berufungsgericht muss sich bei der Behandlung der Beweisrüge nicht mit jedem einzelnen Beweisergebnis auseinandersetzen (RIS-Justiz RS0040180 [T1]).

Entgegen der Ansicht der beklagten Partei hat sich das Berufungsgericht ausreichend mit der in der Berufung enthaltenen Beweisrüge auseinandergesetzt; soweit das Berufungsgericht die Beweisrüge als nicht gesetzmäßig ausgeführt qualifiziert hat, ist auch dies nicht zu beanstanden.

5. In der Rechtsrüge gelingt es der beklagten Partei nicht, eine erhebliche Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität aufzuzeigen.

5.1. Die Vorinstanzen haben das Leistungsverweigerungsrecht wegen der festgestellten Mängel und der unstrittig noch nicht erfolgten Herstellung der Sitztribüne über dem Eingangsbereich mit der Verpflichtung des beklagten Vereins zur Vorleistung, mit dem Umstand der in die Sphäre des Bestellers fallenden Unmöglichkeit der Fertigstellung (die beklagte Partei hatte das Fundament für die Tribüne herzustellen) und mit der Missbräuchlichkeit des Einwands verneint, weil die Verbesserung der Mängel technisch einfach sei und von einem beliebigen Unternehmen vorgenommen werden könne und das nicht vollständig hergestellte Werk jahrelang von 2006 bis 2011 verwendet worden sei. Diese rechtliche Beurteilung ist jedenfalls nicht unvertretbar. Nicht festgestellt und in der Revision auch gar nicht behauptet wurde, dass die beklagte Partei die Nachlieferung des fehlenden Tribünenteils (die der Sachverständige aus technischen Gründen als nicht möglich erachtete: S 10 im Gutachten ON 16) eingemahnt hätte. Festgestellt wurde vielmehr mehrfach, dass es zu diesem Thema keine konkreten Vereinbarungen (Ersturteil S 11), ja nicht einmal Gespräche (Ersturteil S 12) gab.

5.2. Auch der Preisabzug „für die nicht gelieferten 100 Sitzplätze“ wegen des nicht hergestellten Tribünenteils ist nicht zu beanstanden. Der Revisionswerber begründet die angestrebte Preisminderung von 17.300 EUR (173 EUR je Sitzplatz) statt der zuerkannten 8.450 EUR mit der Errechnung der Sitzplatzkosten auf der Basis des Gesamtwerklohns und der vereinbarten 1.272 Sitzplätze (in der Berufung errechnete er sogar einen noch höheren Kostenbetrag je Sitzplatz, nämlich 207 EUR). Die Feststellung der Preisminderung (84,50 EUR je Sitzplatz) ist eine auf dem Sachverständigengutachten beruhende Tatfrage, die nur dann mit Revision releviert werden dürfte, wenn das Ergebnis des Gutachtens gegen zwingende Denkgesetze verstößt (RIS-Justiz RS0040579 [T1]). Hier hat der Sachverständige jedoch völlig schlüssig und nachvollziehbar unter Heranziehung der sich im ersten Anbot der klagenden Partei ohne Montageleistung der beklagten Partei ergebenden Kosten von 250 EUR je Sitzplatz für das angenommene zweite Anbot wegen des dort vereinbarten Montageanteils der beklagten Partei bei der Herstellung der Fix-Tribüne (592 Sitze) wesentlich geringere Kosten je fehlendem Sitzplatz errechnet. Ein aufgreifbarer Revisionsgrund liegt demnach nicht vor.

5.3. Im Übrigen genügt eine pauschale Bekämpfung der Rechtsansicht des Berufungsgerichts ohne Auseinandersetzung mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht den an eine Revision gestellten Anforderungen (vgl RIS-Justiz RS0043654). Eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung ist nicht erkennbar.

6. Die außerordentliche Revision der beklagten Partei ist daher mangels erheblicher Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) zurückzuweisen.

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