OGH 6Ob58/14v

OGH6Ob58/14v10.4.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm und Dr. Gitschthaler, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Grohmann und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Univ.‑Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. E***** M*****, vertreten durch Dr. Bertram Grass, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen die beklagte Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Krüger Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen Übermittlung von Informationen nach § 18 Abs 4 ECG (Streitwert 35.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 30. Jänner 2014, GZ 1 R 225/13t‑17, womit das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 8. Oktober 2013, GZ 56 Cg 195/11y‑13 bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.259,64 EUR (darin 209,94 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden ‑ Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

1. Entgegen der Begründung des Zulassungsausspruchs besteht mittlerweile Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Verhältnis des Auskunftsanspruchs nach § 18 Abs 4 ECG zum Redaktionsgeheimnis nach § 31 MedienG im Zusammenhang mit Postings in Online‑Foren. In der Entscheidung 6 Ob 133/13x hat der erkennende Senat ausgesprochen, dass eine Berufung auf das Redaktionsgeheimnis dann unzulässig ist, wenn ein Posting in keinerlei Zusammenhang mit einer journalistischen Tätigkeit steht. Es muss also zumindest irgendeine Tätigkeit, Kontrolle oder Kenntnisnahme eines Medienmitarbeiters intendiert sein, damit der Schutz des § 31 MedienG in Anspruch genommen werden kann. Allein die durch das Zurverfügungstellen des Online‑Forums erklärte Absicht, alles zu veröffentlichen, was die Nutzer posten, reicht hingegen nicht aus, um den notwendigen Mindestzusammenhang zur Tätigkeit der Presse herzustellen.

2. Darauf kommt es im vorliegenden Fall jedoch nicht an:

2.1. Das Klagebegehren ist nach mehrfachen Modifikationen lediglich auf die Übermittlung von Namen, Adressen, Internetanschlüssen und IP‑Adressen im Einzelnen angeführter Nutzer des Dienstes www.voll.at gerichtet. Aus den Feststellungen der Vorinstanzen ergibt sich jedoch, dass die beklagte Partei weder über die Wohnadressen noch über die tatsächlichen Namen der in der Klage genannten Nutzer verfügt, weil sich diese offensichtlich mit Fantasienamen und ohne Angabe einer Adresse angemeldet haben.

2.2. In der Entscheidung 6 Ob 104/11d (zustimmend Tscherner, jus‑IT 2001/111; kritisch Haller, MR 2011, 323) hat der erkennende Senat ausgesprochen, dass ein auf Name und Anschrift gerichtetes Auskunftsbegehren nach § 18 Abs 4 ECG abzuweisen ist, wenn die beklagte Partei weder über Namen noch Anschrift des Nutzers verfügt. Begründet wurde dies einerseits mit den Gesetzesmaterialien (817 BlgNR 21. GP), wonach der Host Provider durch diese Regelung nicht verpflichtet wird, diese Daten zu speichern oder aufzubewahren; er hat nur die ihm verfügbaren Daten herauszugeben. Andererseits entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass eine Verurteilung zu einer Leistung eine ernst zu nehmende, irgendwie ins Gewicht fallende Chance voraussetzt, dass die Leistung (wenigstens) später erbracht werden kann (RIS‑Justiz RS0016423 [T3]). Für eine Verpflichtung der Beklagten, sich „mit Hilfe der ihr vorliegenden Angaben des Users Kenntnis von dessen Namen und Adresse zu verschaffen“, bietet der Gesetzeswortlaut keine Grundlage.

2.3. Die Revision zeigt keinerlei Grund auf, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Auch die zitierte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (MMR 2014, 35, Urteil vom 10. 10. 2013 (Beschwerde Nr 64569/09) ist nicht einschlägig, betrifft diese Entscheidung doch die eigene Haftung des Forenbetreibers für Nutzerkommentare, nicht hingegen die hier gegenständliche Verpflichtung zur Bekanntgabe von Nutzerdaten.

2.4. Nach der Entscheidung 6 Ob 104/11d ist als Name und Adresse eines Nutzers iSd § 18 Abs 4 ECG auch dessen Email‑Adresse zu verstehen. Ob auch im vorliegenden Fall ein Anspruch auf Herausgabe der Email‑Adressen besteht, muss aber nicht geprüft werden, weil der Kläger im vorliegenden Fall ‑ anders als in dem der Entscheidung 6 Ob 104/11d zugrunde liegenden Fall ‑ kein Begehren auf Herausgabe von Email‑Adressen gestellt hat. Sowohl die beklagte Partei als auch der Erstrichter haben auf die Unmöglichkeit der Herausgabe der begehrten Daten hingewiesen; dennoch hat der Kläger nicht (statt dessen oder zusätzlich) die Herausgabe von Email‑Adressen begehrt.

3.1. Dem Begehren des Klägers auf Bekanntgabe der IP‑Adressen steht entgegen, dass es sich dabei nach den Feststellungen um dynamische IP‑Adressen handelt. Da der Kläger somit durch Bekanntgabe der IP‑Adressen Namen und Adresse der Poster auf legalem Weg nicht herausfinden kann, fehlt es am § 18 Abs 4 ECG verlangten Erfordernis, dass die Kenntnis dieser Informantin eine wesentliche Voraussetzung für die Rechtsverfolgung bildet (vgl auch 6 Ob 119/11k).

3.2. Im Übrigen ist ‑ ohne dass dies im vorliegenden Fall abschließend geklärt werden müsste ‑ zweifelhaft, ob IP‑Adressen überhaupt von § 18 Abs 4 ECG umfasst sind. Nach den Gesetzesmaterialien erstreckt sich die Auskunftsverpflichtung des Providers nämlich auch im Falle des Abs 4 nur auf den Namen und die Adresse eines Nutzers, mit dem er Vereinbarungen über die Speicherung von Daten abgeschlossen hat. Weitergehende Informationen, etwa ein Userprofil oder andere Umstände, die zur Rechtsverletzung führen, können dem Auskunftswerber nicht mitgeteilt werden (ErläutRV 817 BlgNR 21. GP; vgl auch Anderl, ecolex 2012/367 [Entscheidungsanmerkung]). Die Entscheidung 6 Ob 119/11k lässt diese Frage offen.

4.1. Zur Einleitung eines Gesetzesprüfungsver-fahrens hinsichtlich der Bestimmung des § 18 Abs 4 ECG bestand kein Anlass. Eine Aufhebung dieser Bestimmung bzw deren Unanwendbarkeit würden dem Kläger auch keine Grundlage für den von ihm erhobenen Anspruch verschaffen. Die vom Kläger gewünschte Verpflichtung der beklagten Partei, Namen und Adresse der Nutzer zu speichern und aufzubewahren, könnte dadurch jedenfalls nicht geschaffen werden.

4.2. Soweit der Kläger eine „Überprüfung der Voraussetzungen der Anrufung des EuGH gemäß § 177 EGV“ anregt, zeigt er nicht auf, inwieweit die vorliegende Entscheidung von Rechtsfragen des Unionsrechts abhängt.

5. Damit zeigt die Revision aber keine Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung auf, sodass sie spruchgemäß zurückzuweisen war.

6. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die beklagte Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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