OGH 4Ob30/14m

OGH4Ob30/14m25.3.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. L***** B*****, 2. D***** KG, *****, 3. G***** H*****, 4. Dr. V***** H*****, 5. G***** L*****, 6. M***** L*****, 7. G***** O*****, 8. Mag. C***** P*****, 9. Ing. G***** S*****, 10. G***** S*****, 11. Mag. M***** S*****, 12. H***** S*****, 13. M***** T*****, 14. B***** W*****, 15. J***** Z*****, alle vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Andrea Zapotoczky und Dr. Herbert Mayer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 17. Dezember 2013, GZ 40 R 276/13d, 277/13a‑13, womit das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 27. September 2013, GZ 20 C 357/13w‑8, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Die Vorinstanzen wiesen das gegen den Geschäftsraummieter gerichtete Begehren auf Unterlassung der Benützung der Bestandsache mit der Begründung ab, die Kläger hätten den erhobenen Unterlassungsanspruch nicht schlüssig begründet. Die Kläger seien verpflichtet, dem Mieter den bedungenen Gebrauch zu ermöglichen, und könnten sich dieser Verpflichtung nicht durch Untätigkeit nach dem Erlassen eines baubehördlichen Betretungsverbots entziehen. Ebenso wenig wie sich der Vermieter dem Mieter gegenüber mit Erfolg auf ein Benützungsverbot der Baubehörde berufen könne, wenn er es geflissentlich unterlasse, um eine entsprechende baubehördliche Genehmigung anzusuchen, könne der Vermieter, solange er nicht einmal den Versuch unternommen habe, durch geeignete Baumaßnahmen die Aufhebung des behördlichen Betretungsverbots zu erwirken, dieses Verbot zur Grundlage einer Unterlassungsklage gegen den Mieter machen. Erst wenn feststehe, dass eine nachträgliche Aufhebung des Betretungsverbots entweder überhaupt nicht erteilt werden würde oder doch nur nach der Sachlage für den Vermieter zu nicht zumutbaren Bedingungen, könnte der Vermieter das Betretungsverbot mit Erfolg zur Grundlage eines Unterlassungsanspruchs gegen den Mieter machen. Der Vermieter habe dem Mieter nicht die Benutzung zu untersagen, sondern die Gefährlichkeit des Mietobjekts zu beheben.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Kläger, mit der sie ihr Unterlassungsbegehren weiter verfolgen, vermag keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

Die Schlüssigkeit einer Klage kann nur anhand der konkreten Behauptungen im Einzelfall geprüft werden; ob eine Klage schlüssig ist, sich also der Anspruch aus dem behaupteten Sachverhalt ergibt, wirft daher regelmäßig ‑ vom hier nicht vorliegenden Fall auffallender Fehlbeurteilung abgesehen ‑ keine erheblichen Rechtsfragen nach § 502 Abs 1 ZPO auf (RIS‑Justiz RS0037780, RS0116144; vgl RS0113563).

Der Oberste Gerichtshof sprach wiederholt aus, dass die von der Verwaltungsbehörde wegen Baugebrechen verfügte Anordnung des Abbruchs der Baulichkeit, die Bestandgegenstand ist oder in der sich der Bestandgegenstand befindet, nur und erst dann die Auflösung des Bestandvertrags gemäß § 1112 ABGB bewirkt, wenn feststeht, dass die Baugebrechen nicht beseitigt werden können oder vom Bestandgeber nicht beseitigt werden müssen (RIS‑Justiz RS0027764). Solange eine rechtliche und wirtschaftlich zumutbare Möglichkeit besteht, die Benützungsbewilligung wieder zu erwirken, bleibt der Bestandvertrag aufrecht. Ein vom Bestandgeber durch Unterlassung des Ansuchens um baupolizeiliche Genehmigung provoziertes Benützungsverbot ermöglicht es ihm nicht, sich der bestandvertraglichen Verpflichtung zu entziehen (6 Ob 4/09w; RIS‑Justiz RS0020757). Dass die Voraussetzungen für den rechtlichen Untergang der Bestandsache iSd § 1112 ABGB vorliegen, haben die Kläger nicht behauptet. Der zwischen den Parteien weiterhin bestehende Bestandvertrag steht dem auf seine Vereitelung abzielenden Unterlassungsbegehren aber entgegen. Eine Anspruchsgrundlage zur Vermeidung von Verwaltungsstrafen infolge Verstoßes gegen ein Betretungsverbot der Baubehörde ist somit nicht ersichtlich.

Die von den Klägern ins Treffen geführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, wonach der Entlastungsbeweis iSd § 5 Abs 1 VStG nur dann als erbracht gilt, wenn der Eigentümer alles in seinen Kräften Stehende unternommen hat, um der Erfüllung verwaltungsrechtlicher Verpflichtungen entgegenstehende Hindernisse zu beseitigen (vgl VwGH 83/05/0120), schafft keine Anspruchsgrundlage gegen den beklagten Mieter, sondern bezieht sich nur auf allenfalls bereits bestehende. Auch zu 5 Ob 134/67 sprach der Oberste Gerichtshof aus, dass eine allfällige Zwangsvollstreckung verwaltungsbehördlicher Untersagungs‑ bescheide den Vermieter nicht davor bewahrt, im Verhältnis zum Mieter ihm obliegende Handlungen (Erwirkung des Benützungskonsenses) zu setzen.

Die Ausführungen des Berufungsgerichts zu der den Bestandgeber treffenden Erhaltungspflicht nach § 3 Abs 2 Z 2 MRG iVm § 3 Abs 3 Z 2 lit b MRG sind nicht überraschend iSd § 182a ZPO, zumal sich das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit dem Erstgericht primär auf die vertragliche Verpflichtung stützte, dem beklagten Bestandnehmer die Nutzung des gemieteten Objekts zu ermöglichen. In zweiter Instanz nicht geltend gemachte Verfahrensmängel des erstinstanzlichen Verfahrens können aber nicht in dritter Instanz (erstmals) gerügt werden (RIS‑Justiz RS0043111), sodass auf allfällige Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens nicht einzugehen ist.

Unabhängig von seinem konkreten Bestreitungsvorbringen (Wegfall des Betretungsverbots) bestritt der Beklagte allgemein den von den Klägern geltend gemachten Unterlassungsanspruch. Dementsprechend erörterte das Erstgericht auch die Schlüssigkeit des klägerischen Begehrens, was ‑ auch im Sinn der Revisionsausführungen ‑ eine Rechtsfrage bildet und nichts mit dem durch das Parteienvorbringen abgesteckten Rahmen gerichtlicher Überprüfung zu tun hat.

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