OGH 8Ob18/14a

OGH8Ob18/14a24.3.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.

Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** L*****, vertreten durch Dr. Erich Schwarz, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1) W***** B*****, 2) P***** G*****, 3) DI R***** H*****, 4) Dr. G***** K*****, 5) Dr. S***** L*****, 6) Dr. J***** L*****, 7) Dr. E***** S*****, 8) H***** S*****, 9) R***** S*****, 10) Dr. K***** W*****, 11) I***** P*****, 12) Mag. W***** K*****, 13) Dr. A***** B*****, und 14) H***** R*****, alle vertreten durch Dr. Thomas Gratzl, Rechtsanwalt in Wels, wegen 9.336,90 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 11. September 2013, GZ 22 R 271/13a‑62, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 28. Mai 2013, GZ 18 C 1508/09y‑57, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0080OB00018.14A.0324.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 1.115,57 EUR (darin enthalten 185,93 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Die Beklagten sind ideelle Miteigentümer einer Liegenschaft in der Innenstadt von S***** samt darauf errichtetem Gebäude. Der Kläger ist seit Dezember 1981 Mieter von Geschäfts‑ und Lagerräumlichkeiten im Gesamtausmaß von 48,36 m 2 , die sich im Erdgeschoss des Gebäudes befinden. Der Kläger betreibt im Bestandobjekt ein Antiquitätengeschäft. Seine Geschäftstätigkeit war und ist auf mit ihm persönlich bekannte Kunden ausgerichtet, mit denen er vorab konkrete Termine vereinbart. Die Wahrnehmung solcher Termine (auch) im Geschäftslokal war und ist dem Kläger ungehindert möglich. Das Gebäude verfügt über ein zweiflügeliges Eingangstor, das zu einer Passage und zu einem Hof führt. Nachdem die Flügeltüren bis 1998 während der Geschäftszeiten geöffnet waren, waren sie in der Folge zeitweise auch ständig versperrt. In den Jahren 1999 bis 2004 hatte der Kläger keinen ordentlichen Geschäftsbetrieb. Im Oktober 2006 brachte er am Eingangstor eine Arretierung an, um dieses während der Geschäftszeiten geöffnet zu halten. Daraufhin ließ die Hausverwaltung (an einem Türflügel) ein Schloss anbringen, sodass das Eingangstor nicht mehr offen gelassen werden konnte. Aus diesem Grund konnte nur mehr über die am Eingangstor angebrachte Klingelanlage Einlass gewährt werden. Nach einem vom Kläger angestrengten Besitzstörungsverfahren haben die Beklagten Ende August/Anfang September 2007 den vor der Besitzstörungshandlung bestehenden Zustand wiederhergestellt.

Der Kläger begehrte von den Beklagten Schadenersatz für den entgangenen Betriebsertrag. Der Eingang zu den von ihm gemieteten Geschäftsräumlichkeiten, in denen er ein Antiquitätengeschäft betreibe, befinde sich im hinteren Bereich der Eingangspassage. Aufgrund der Lage des Geschäfts sei der ungehinderte Zugang potentieller Kunden über die Passage notwendig gewesen. Seit Beginn des Mietverhältnisses sei er berechtigt gewesen, beide Flügeltüren offenzuhalten. Nachdem das Eingangstor über Veranlassung der Beklagten (am 6. 12. 2006) verschlossen worden sei, habe er sein Geschäft (bis Ende August 2007) nicht mehr offenhalten können. Dadurch habe er einen verminderten Betriebsertrag erzielt; dabei handle es sich um einen positiven Schaden.

Die Beklagten entgegneten, dass der Kläger sein Antiquitätengeschäft nicht kontinuierlich und nicht im Rahmen einer regelmäßigen, ständigen und dauerhaften Tätigkeit betrieben habe. Tatsächlich habe er seine Tätigkeit nur sporadisch und nebenbei ausgeübt. Dementsprechend habe er keine laufenden Einkünfte aus der Geschäftstätigkeit erzielt; Kunden seien nur über vorherigen persönlichen Kontakt zu ihm gekommen. Zwischen dem Verhalten der Beklagten und dem Eintritt irgendeines Schadens bestehe auch kein Kausalzusammenhang.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren (im dritten Rechtsgang) ab. Da zu den Verhältnissen, die die Grundlage für die Beurteilung eines Verdienstentgangs und der Höhe eines vom Kläger erlittenen Schadens bildeten, keine Feststellungen hätten getroffen werden können, bestehe für eine Ausmittlung des Schadens iSd § 273 ZPO keine Basis.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Eintritt eines Schadens sei vom Kläger nachzuweisen. Der sogenannte prima facie‑Beweis gelte nur für den Kausalitätsbeweis in Bezug auf einen aus einer Störung des Gebrauchs des Bestandobjekts entstandenen Geschäftsentgang. Das Erstgericht habe nicht zur Überzeugung gelangen können, dass dem Kläger irgendein Schaden entstanden sei. Ausgehend von den Feststellungen könne auch nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht zwingend vom Eintritt eines Schadens durch das geschlossene Eingangstor ausgegangen werden. Die Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO sei nicht möglich, weil bei dieser Bestimmung die Forderung dem Grunde nach feststehen müsse. Über Antrag des Klägers nach § 508 ZPO sprach das Berufungsgericht nachträglich aus, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei, weil zur Frage, ob auch in Bezug auf den Eintritt des Schadens der prima facie‑Beweis zulässig sei, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers, die auf eine Stattgebung des Klagebegehrens abzielt.

Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragen die Beklagten, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

1. Trotz Zulässigerklärung der Revision durch das Berufungsgericht muss der Rechtsmittelwerber die Revision ausführen und eine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Macht er hingegen nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, so ist das Rechtsmittel ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs zurückzuweisen (8 Ob 19/12w). Außerdem liegt eine erhebliche Rechtsfrage auch dann nicht vor, wenn zwar zu einer konkreten Fragestellung keine ausdrückliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs besteht, aber die relevanten rechtlichen Grundsätze in der Rechtsprechung des Höchstgerichts geklärt sind (RIS‑Justiz RS0102181).

Die vom Berufungsgericht als erheblich qualifizierte Rechtsfrage ist in der Rechtsprechung geklärt. Auch sonst vermag der Kläger keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufzuzeigen. Das Rechtsmittel erweist sich daher als unzulässig.

2. Der Kläger verweist zu dem von ihm geltend gemachten Schaden auf einen eingeschränkten Geschäftsbetrieb und spricht in diesem Zusammenhang von negativen Auswirkungen auf seinen Betriebsertrag. Den Schaden erblickt er demnach in einem angeblich erlittenen Verdienstentgang. Seine Argumentation stützt er auf die von ihm ins Treffen geführte angebliche Lebenserfahrung, wonach ein eingeschränkter Zutritt zu den Geschäftsräumlichkeiten und ein dadurch bewirkter gestörter Gebrauch seines Bestandobjekts negative Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb habe. Damit nimmt der Kläger selbst auf zwei voneinander zu unterscheidenden Voraussetzungen für die Berechtigung eines Schadenersatzanspruchs Bezug. Die behaupteten negativen Auswirkungen auf den Geschäftsgang betreffen den Schaden („dem Grunde nach“). Davon ist die Frage zu unterscheiden, wodurch es zu einem solchen Geschäftsrückgang gekommen ist.

3.1 Auch bei einer rechtlichen (hier vertraglichen) Sonderverbindung zum Schädiger muss der Geschädigte den Eintritt des Schadens, dessen Höhe und den Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten (der Pflichtwidrigkeit) des Schädigers und dem Schadenseintritt behaupten und beweisen (RIS‑Justiz RS0022862; 1 Ob 23/13h).

Der ‑ vom Kläger angesprochene und unter bestimmten Voraussetzungen zulässige ‑ prima facie‑Beweis (Anscheinsbeweis) beruht darauf, dass bestimmte Geschehnisabläufe typisch sind und es daher wahrscheinlich ist, dass auch im konkreten Fall ein derartiger gewöhnlicher und nicht ein atypischer Ablauf gegeben ist (RIS‑Justiz RS0040266). Er wird in Fällen als sachgerecht angesehen, in denen konkrete Beweise vom Beweispflichtigen billigerweise nicht erwartet werden können. In der Regel ist dies der Fall, wenn es sich um Umstände handelt, die allein in der Sphäre des Gegners liegen und daher nur ihm bekannt und auch nur durch ihn beweisbar sind (RIS‑Justiz RS0040182; RS0123919). Diese Verschiebung der Beweislast kann aber nur in Betracht kommen, wenn ein allgemeiner, also für jedermann in vergleichbarer Weise bestehender Beweisnotstand gegeben ist und wenn objektiv-typische, also auf allgemein gültigen Erfahrungssätzen beruhende Geschehnisabläufe für den Anspruchswerber sprechen (RIS‑Justiz RS0039895). Die wichtigsten Anwendungsgebiete des Anscheinsbeweises finden sich daher dort, wo formelhafte typische Kausalabläufe bestehen oder typische Verhaltensweisen stets gleichartige oder zuverlässige Schlüsse auf bestimmte innere Zustände eines Menschen zulassen, demnach beim Beweis des Kausalzusammenhangs oder der für ein Verschulden wesentlichen Tatsachen. Eine Beschränkung auf dieses Beweismaß ist nur insoweit zulässig, als eine typische formelhafte Verknüpfung zwischen einer bewiesenen Tatsache und einer anderen Tatsache zur Verwirklichung eines gesetzlichen Tatbestandselements besteht. Der Anscheinsbeweis dient aber nicht dazu, Lücken der Beweiswürdigung durch Vermutungen auszufüllen (2 Ob 67/12k; vgl auch 7 Ob 237/12x).

3.2 Die beschriebene Beweiserleichterung durch den vom Kläger angesprochenen prima facie‑Beweis kann im Anlassfall nur die Frage des Kausalzusammenhangs betreffen. Dass der Kläger hinsichtlich des Nachweises des Eintritts eines Schadens einem Beweisnotstand ausgesetzt wäre und ihm zu dieser Frage konkrete Beweise nicht zur Verfügung stünden, kann nicht ernsthaft behauptet werden. Davon abgesehen wäre eine durch einen (zulässigen) Anscheinsbeweis begründete Vermutung nur bis zum Hervorkommen einer möglichen Ausnahmesituation begründet (RIS‑Justiz RS0040266; 5 Ob 117/12k; 1 Ob 172/12v).

3.3 Nach den Feststellungen war im fraglichen Zeitraum (ab 6. 12. 2006) die auf persönlich bekannte Kunden ausgerichtete Geschäftstätigkeit des Klägers ungehindert möglich. Der Kläger bezeichnete seine geschäftliche Tätigkeit selbst nur als „Hobbybetrieb im Sinn einer Liebhaberei“. Zudem konnte im Anlassfall nicht festgestellt werden, ob der Kläger aus Geschäften mit Laufkundschaft jemals ein Einkommen erzielt hat und dementsprechend im fraglichen Zeitraum ein solches Einkommen hätte erzielen können.

Davon ausgehend ist das Berufungsgericht zutreffend zum Ergebnis gelangt, dass der Kläger den Eintritt (irgend‑)eines Schadens nicht nachweisen konnte und aufgrund der festgestellten Umstände selbst nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht zwingend vom Eintritt eines Schadens aufgrund des versperrten Eingangstores ausgegangen werden kann.

3.4 Durch die Bestimmung des § 273 ZPO wird zugunsten des Geschädigten nur die Beweislast erleichtert, ihm aber nicht auch die Behauptungslast abgenommen. Der Verpflichtung, die zur Ableitung des Begehrens sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach erforderlichen Tatsachen vorzubringen, wird der Beweisführer somit nicht enthoben (RIS‑Justiz RS0040439). Zudem ist die Vorschrift des § 273 Abs 1 ZPO nur dann anwendbar, wenn der Betrag, nicht aber der Grund einer Forderung strittig ist (RIS‑Justiz RS0040355). Die Beweiserleichterung betrifft also nur die Höhe, nicht aber auch den Grund des Anspruchs (vgl auch RIS‑Justiz RS0040378 [T3]).

4. Insgesamt kann sich der Kläger weder auf die Zulässigkeit des prima facie‑Beweises zum Nachweis eines Schadenseintritts noch auf die Anwendbarkeit des § 273 Abs 1 ZPO berufen.

Mangels erheblicher Rechtsfrage war die Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen.

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