OGH 8ObA82/13m

OGH8ObA82/13m24.3.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden und die Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer, sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und Dr. Gerda Höhrhan‑Weiguni als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei P***** L*****, vertreten durch Dr. Manfred Rath, Dr. Gunther Ledolter, Mag. Martin Sudi, Mag. Georg Siarlidis, Mag. Andreas Huber, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei L***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl Rechtsanwaltgesellschaft mbH in Graz, wegen 6.790,52 EUR brutto sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Teil‑ und Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 26. September 2013, GZ 7 Ra 39/13d‑25, mit dem das Teil‑ und Zwischenurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 27. Februar 2013, GZ 32 Cga 119/12m‑21, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:008OBA00082.13M.0324.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 559,15 EUR (darin enthalten 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Klägerin war seit Juni 2009 bis 30. 6. 2012 in einer von der Beklagten betriebenen Diskothek als Kellnerin beschäftigt; anwendbar war der Kollektivvertrag für Arbeiter im Hotel‑ und Gastgewerbe. Die Diskothek war von Donnerstag bis Samstag und vor Feiertagen geöffnet. Der Stundenlohn der Klägerin war mit 7,50 EUR netto bzw (bei Erreichen eines bestimmten Umsatzes) mit 7 % des Umsatzes vereinbart. Die Klägerin war ‑ so wie die meisten übrigen Arbeitnehmer der Beklagten ‑ als fallweise Beschäftigte angemeldet. Die Klägerin absolviert seit 2004 ein Medizinstudium und war schon ab dem Jahr 2007 bei einer Rechtsvorgängerin der Beklagten in der Diskothek als Kellnerin mit Inkasso beschäftigt. Die Diensteinteilungen erfolgten im Rahmen einer monatlichen Dienstbesprechung für den Folgemonat. Wer bei dieser Dienstbesprechung nicht anwesend war, wurde nicht zur Arbeit eingeteilt oder bekam die Dienste, die übrig geblieben waren. Die Klägerin war hauptsächlich an Samstagen eingesetzt, was auch in ihrem Interesse lag; sie bekam gemeinsam mit einer weiteren langjährigen Mitarbeiterin der Beklagten die beste Bar. Die Klägerin arbeitete im Jahr 2009 an 69 Tagen, im Jahr 2010 an 58 Tagen, im Jahr 2011 an 68 Tagen und vom 1. 1. - 30. 6. 2012 an 16 Tagen. Im Jahr 2012 arbeitete die Klägerin weniger, weil sie im Rahmen ihres Studiums mehr Praktika zu absolvieren hatte. Der Lohn wurde jeweils nach Dienstende, zumeist nach Umsatzprozenten, ausbezahlt.

Die Klägerin begehrt die Zahlung einer Jahresremuneration für die Zeit von Jänner 2009 bis Juni 2012, weiters Urlaubsersatzleistung, Entgelt für nicht entlohnte Vorbereitungs‑ , Putz‑ und Besprechungszeiten zuzüglich aliquote Sonderzahlungen und Beiträge zur Mitarbeitervorsorgekasse. Sie habe regelmäßig einmal im Monat an Dienstbesprechungen teilnehmen müssen und habe insgesamt 34 jeweils mit einem Monat befristete Arbeitsverhältnisse mit der Beklagten abgeschlossen. Es liege eine unerlaubte Aneinanderreihung von befristeten Arbeitsverhältnissen vor, sodass von einem unbefristeten Arbeitsverhältnis auszugehen sei. Dafür habe sie Anspruch auf die begehrten Beträge, ihr stehe eine Urlaubsersatzleistung ausgehend von einem Urlaubsanspruch von 10 Tagen pro Jahr zu.

Die Beklagte hielt dem im Wesentlichen entgegen, dass die Klägerin als fallweise Aushilfskraft beschäftigt gewesen sei. Jahresremuneration und die begehrte Urlaubsersatzleistung gebührten der Klägerin daher ebenso wenig wie Beiträge zur Mitarbeitervorsorgekasse. Die Dienstplanbesprechungen hätten nur dazu gedient, die Arbeitswünsche der Dienstnehmer zu eruieren. Die Ansprüche der Klägerin seien überdies erst mit 10. 8. 2012 geltend gemacht worden und daher verfallen.

Das Erstgericht sprach der Klägerin die begehrten Beiträge für die Mitarbeitervorsorgekasse zu und sprach aus, dass die weiteren Ansprüche dem Grunde nach zustünden. Die Klägerin habe in dreieinhalb Jahren an 211 Tagen Arbeitsleistungen für die Beklagte erbracht. In Relation zu den drei Öffnungstagen der Beklagten pro Woche zeige sich, dass die Zeiten der Unterbrechung gegenüber den Zeiten der Beschäftigung überwogen hätten. Dennoch reiche die Dichte der Arbeitseinsätze im konkreten Fall aus, um nach dem gelebten Arbeitsverhältnis ‑ die Klägerin habe 34 befristete Arbeitsverhältnisse hintereinander abgeschlossen ‑ von der Unzulässigkeit dieser Befristungen und daher einem durchgehenden Arbeitsverhältnis auszugehen. Dem Verfallseinwand der Beklagten komme keine Berechtigung zu. Die Ansprüche der Klägerin bestünden daher dem Grunde nach zu Recht, jener auf Beiträge zur Mitarbeitervorsorgekasse auch der Höhe nach, weil dieser nicht substantiiert bestritten worden sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge. Es wies die Ansprüche der Klägerin in Höhe von 3.758,54 EUR sA (Jahresremuneration 2009 bis 2012, Beiträge zur Mitarbeitervorsorgekasse und Jahresremuneration für nicht entlohnte Arbeitsstunden) ab und sprach aus, dass sie in der Höhe von 3.031,98 EUR (Urlaubsersatzleistung und nicht entlohnte Vorbereitungs‑, Besprechungs‑ und Putzzeiten, die nach dem 10. 4. 2012 geleistet wurden) dem Grunde nach zu Recht bestünden. Die Arbeitspflicht für die Klägerin sei erst anlässlich der Fixierung der einzelnen Dienste bei den monatlichen Dienstbesprechungen entstanden. Da ohne Teilnahme an der Dienstbesprechung auch keine Dienste vereinbart worden seien, könne die zugrunde liegende Rahmenvereinbarung noch nicht als Arbeitsvertrag qualifiziert werden. Das Arbeitsmodell habe den Interessen beider Teile gedient. Ein unzulässiger Kettenarbeitsvertrag liege nicht vor, weil die Dauer der Zeiten der Unterbrechung die Beschäftigungszeiten übersteige und die Befristungen sachlich gerechtfertigt seien. Es fehle daher an einem Arbeitsverhältnis, das länger als zumindest einen Monat gedauert habe, sodass weder der Anspruch auf Zahlung von Beiträgen zur Mitarbeitervorsorgekasse noch auf Zahlung einer Jahresremuneration nach dem Kollektivvertrag bestehe. Hingegen stünden der Klägerin die nicht verfallenen Ansprüche auf Urlaubsersatzleistung und Entgelte für nach dem 10. 4. 2012 geleistete Vorbereitungszeiten dem Grunde nach zu. Die Berechnung dieser Ansprüche bedürfe noch einer Erörterung. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil ein Arbeitsmodell in Frage stehe, bei dem die gewählte Form der fallweisen Beschäftigung nicht nur zur Abdeckung von sporadischen Belastungsspitzen, sondern zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs diene.

Gegen den abweisenden Teil der Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die von der Beklagten beantwortete Revision der Klägerin, die auf eine gänzliche Stattgebung des Klagebegehrens abzielt.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision der Klägerin mangels Vorliegens einer Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1. Zur vom Berufungsgericht als wesentlich erachtete Rechtsfrage sind mittlerweile mehrere ‑ ebenfalls die Beklagte und vergleichbare betreffende Sachverhalte ‑ Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs ergangen (8 ObA 50/13f; 9 ObA 153/13k; 8 ObA 8/14f ua), sodass insofern keine erhebliche Rechtsfrage mehr vorliegt (RIS‑Justiz RS0112921 ua). Es wurde auch bereits ausgesprochen, dass die Abdeckung von Belastungsspitzen kein notwendiges Merkmal für eine fallweise Beschäftigung ist (9 ObA 154/13g; 8 ObA 8/14f). Eine die Revision dennoch rechtfertigende erhebliche Rechtsfrage zeigt die Revisionswerberin nicht auf.

2. Auch im hier vorliegenden Fall verneinte das Berufungsgericht das Vorliegen eines einheitlichen Arbeitsvertrags. Diese Beurteilung ist ‑ vor dem Hintergrund der in der jüngst ergangenen Entscheidung 8 ObA 8/14f dargelegten Grundsätze und des nahezu völlig gleichartigen Sachverhalts (auch in dieser Entscheidung ging es um eine für die Beklagte tätige Kellnerin) ‑ keinesfalls unvertretbar. Zu einem Arbeitsverhältnis kam es auch hier jeweils erst dann, wenn die Klägerin zu den monatlichen Besprechungen erschien, sich für bestimmte, frei gewählte Tage zum Einsatz bereit erklärte und einteilen ließ. Die Klägerin konnte ihre Einsätze selbst wählen und dabei auf ihr Studium Bedacht nehmen (was besonders im Jahr 2012 im hohem Ausmaß geschah). Die Teilnahme an den monatlichen Dienstbesprechungen resultierte nicht aus einer vertraglichen Arbeitspflicht, sondern war Voraussetzung für die Organisation der konkreten Einsätze im Folgemonat. Auch wenn die Klägerin im gesamten Tätigkeitszeitraum hauptsächlich an Samstagen und in diesem Sinn „regelmäßig“ im Einsatz war, kommt es doch auch hier wesentlich darauf an, dass sie dazu ‑ im Unterschied zu einem durchgehend teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ‑ nicht verpflichtet gewesen wäre. Die in der Revision dagegen zitierte Entscheidung 8 ObA 116/04y ist nicht vergleichbar, weil im damals zu beurteilenden Fall schon in der Rahmenvereinbarung der Parteien ein unbefristetes Dauerschuldverhältnis mit ‑ von der Arbeitszeitregelung abgesehen ‑ allen Merkmalen eines Arbeitsvertrags vereinbart wurde.

3. Entgegen der Rechtsansicht der Revisionswerberin ist das Berufungsgericht auch bei der Beurteilung der wiederholten Befristungen von den zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen, wozu wiederum auf die Entscheidung 8 ObA 8/14f verwiesen werden kann (vgl RIS‑Justiz RS0028327; Brenn in Reissner AngG § 19 Rz 18). Auch im hier zu beurteilenden Fall übersteigen die Dauer der Zeiten der Unterbrechung erheblich jene der Beschäftigung, was tendenziell gegen eine unzulässige Vertragskette spricht (8 ObA 8/14f mwH; 8 ObA 50/13f). Gegen eine unzulässige Vertragskette spricht aber vor allem der Umstand, dass die Aneinanderreihung kurzfristiger Arbeitsverhältnisse hier primär im Interesse der Klägerin selbst lag, die auf diese Weise ihre Tätigkeit mit den Erfordernissen ihres Studiums in Einklang bringen konnte. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist die Verneinung des Vorliegens eines unzulässigen Kettenarbeitsvertrags durch das Berufungsgericht auch im vorliegenden Fall gut vertretbar und entspricht der bereits zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu vergleichbaren Arbeitsverhältnissen im Betrieb der Beklagten (8 ObA 32/13h ua; 8 ObA 8/14f).

4. Nach Pkt 14 lit a des Kollektivvertrags für Arbeiter im Hotel‑ und Gastgewerbe gebührt eine Jahresremuneration nur jenen Arbeitnehmern, die mindestens zwei Monate ununterbrochen im selben Betrieb beschäftigt sind. Diese Voraussetzung ist bei der Klägerin nicht erfüllt. Wie der Oberste Gerichtshof aber bereits in der Entscheidung 8 ObA 50/13f ausgeführt hat, hat dies entgeltmäßig keine Schlechterstellung gegenüber unbefristet Beschäftigten zur Folge (§ 2b AVRAG), weil fallweise Beschäftigten iSd § 471b ASVG gemäß Pkt 8 lit g des Kollektivvertrags ein auf 120 % erhöhter kollektivvertraglicher Mindeststundenlohn gebührt.

5. Der Rechtsansicht des Berufungsgerichts zum Anspruch auf Beiträge zur Mitarbeitervorsorgekasse tritt die Revisionswerberin nicht entgegen, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist.

Die Revision war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte