OGH 1Nc14/14w

OGH1Nc14/14w19.3.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski und Dr. Grohmann als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen C***** K*****, V***** K*****, R***** K*****, und S***** K*****, aufgrund der vom Bezirksgericht Klagenfurt zur Entscheidung gemäß § 111 Abs 2 JN verfügten Vorlage der Akten AZ 1 Ps 7/12g und 1 Pu 7/12g, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die mit den Beschlüssen des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 25. 10. 2013, GZ 1 Ps 7/12g‑101, sowie vom 25. 11. 2013, GZ 1 Pu 7/12g‑27, ausgesprochene Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Linz wird nicht genehmigt.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern wurde am 25. 8. 2010 einvernehmlich geschieden. Sie vereinbarten die gemeinsame Obsorge für ihre vier 2000, 2002, 2006 und 2008 geborenen Kinder mit deren hauptsächlichem Aufenthalt bei der Mutter. Diese verzog mit den Kindern nach Klagenfurt, während der Vater in Linz blieb.

Das Bezirksgericht Klagenfurt hob die gemeinsame Obsorge der Eltern auf, betraute mit der alleinigen Obsorge für die älteste Tochter sowie den Sohn die Mutter und für die beiden jüngeren Töchter den Vater. Das Landesgericht Klagenfurt gab dem Rekurs der Mutter nicht Folge. Ihren außerordentlichen Revisionsrekurs wies der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 18. 7. 2013 (1 Ob 126/13f) zurück. Die beiden jüngeren Töchter übersiedelten im August 2013 zum Vater nach Linz.

Die Mutter beantragte in der Folge die Übertragung der Obsorge für die beiden jüngeren Töchter, die Erlassung einer einstweiligen Maßnahme sowie die Regelung des Kontaktrechts. Am 27. 11. 2013 beantragte der Vater, seine Unterhaltsverpflichtung für die bei der Mutter verbliebenen Kinder herabzusetzen sowie die Mutter zu Unterhaltsleistungen für die beiden jüngeren Töchter zu verpflichten. Sämtliche Anträge sind noch offen.

Das Bezirksgericht Klagenfurt übertrug mit Beschluss vom 25. 10. 2013, GZ 1 Ps 7/12g‑101 und mit Beschluss vom 25. 11. 2013, GZ 1 Pu 7/12g‑27, die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssachen gemäß § 111 Abs 1 JN an das Bezirksgericht Linz. Beide Beschlüsse sind rechtskräftig.

Das Bezirksgericht Klagenfurt übermittelte die Pflegschaftssachen an das Bezirksgericht Linz. Dieses verweigerte deren Übernahme und verwies in seiner Stellungnahme darauf, dass sich das übertragende Gericht in dem bereits seit Dezember 2011 anhängigen Verfahren aufgrund unmittelbarer Beweisaufnahme ein umfassendes Bild von der gesamten Familie gemacht und auch zu den neuen Anträgen der Mutter unmittelbare Beweise aufgenommen habe. Zusätzlich wies es auf den Wohnsitz zweier Kinder in Klagenfurt hin.

Das Bezirksgericht Klagenfurt legte die Pflegschaftsakten dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über die Zuständigkeit vor.

Rechtliche Beurteilung

Wenn es im Interesse eines Minderjährigen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird, kann das zur Besorgung der pflegschaftsgerichtlichen Geschäfte zuständige Gericht seine Zuständigkeit ganz oder zum Teil einem anderen Gericht übertragen (§ 111 Abs 1 JN). Ausschlaggebendes Kriterium für diese Entscheidung ist stets das Kindeswohl (RIS‑Justiz RS0047074 [T1]).

In der Regel ist das räumliche Naheverhältnis zwischen Pflegebefohlenen und Gericht von wesentlicher Bedeutung, sodass im Allgemeinen jenes Gericht am besten geeignet ist, in dessen Sprengel der Minderjährige seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat (RIS‑Justiz RS0047074 [T7]). Offene Anträge im Pflegschaftsverfahren sprechen nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS‑Justiz RS0047032) aber dann gegen eine Übertragung, wenn das bisher zuständige Gericht wegen seiner bisherigen Ermittlungen und Tatsachenkenntnisse und seiner Vertrautheit mit den Problemen zur Entscheidung besser geeignet ist. Ein solcher Vorzug kommt dem übertragenden Gericht hier zu, das nicht nur im vorangegangenen rechtskräftig abgeschlossenen Obsorgerechtsstreit ausreichend Gelegenheit hatte, sich ein Bild von den Lebensverhältnissen der Familie zu verschaffen, sondern auch mit den neuen Anträgen auf Änderung der Obsorge und Einräumung eines Kontaktrechts befasst war, indem es eine Stellungnahme des Amts für Soziales, Jugend und Familie einholte und die Vorsprache der Mutter beim Amtstag protokollierte. Zudem leben zwei der insgesamt vier Kinder nach wie vor in seinem Sprengel.

Die Übertragung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Linz ist daher nicht zu genehmigen.

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