OGH 13Os9/14v

OGH13Os9/14v14.3.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. März 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gansterer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Andrea P***** wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1 und 2, Abs 4 erster Fall FPG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 2. Dezember 2013, GZ 37 Hv 153/13d‑28, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0130OS00009.14V.0314.000

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird die angefochtene Entscheidung aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Andrea P***** (richtig) mehrerer Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1, Abs 4 erster Fall FPG (1) und des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1 und 2, Abs 4 erster Fall FPG (2) schuldig erkannt.

Danach hat er am B***** sowie an anderen Orten gewerbsmäßig und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung die rechtswidrige Einreise oder Durchreise in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union mit dem Vorsatz gefördert, sich oder einen Dritten durch das dafür geleistete Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, indem er jeweils gegen die Zahlung von 1.000 Euro

(1) um den 1. Oktober 2013 fünf „vermutlich“ libanesische Staatsangehörige, die über keinen Titel für den Aufenthalt in der Europäischen Union verfügten, von S***** (Italien) über Österreich nach H***** (Deutschland) transportierte und

(2) am 8. Oktober 2013 neun syrische Staatsangehörige, die über keinen Titel für den Aufenthalt in der Europäischen Union verfügten, mit dem Ziel M***** (Deutschland) von S***** (Italien) nach S***** (Österreich) transportierte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, 5a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist im Recht.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zeigt zutreffend auf, dass die tatrichterlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite den Schuldspruch nicht tragen.

Das Erstgericht konstatiert nämlich zwar ‑ dem Wortlaut des § 114 Abs 1 FPG entsprechend ‑ einen auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatz, stellt aber den ‑ für die rechtliche Beurteilung insoweit maßgebenden (RIS‑Justiz RS0119090, jüngst 15 Os 118/13m) ‑ Sachverhaltsbezug dahin her, dass der „Bereicherungsvorsatz“ auf das für die Transportdienste erlangte „Entgelt von EUR 2.000,‑ ‑“ gerichtet gewesen sei (US 5).

Diese Sachverhaltsgrundlage reicht jedoch für die Subsumtion nach (dem Grundtatbestand des) § 114 Abs 1 FPG nicht hin, weil das Erhalten eines adäquaten Fuhrlohnes für Transportdienste (auch hier) keine unrechtmäßige Bereicherung darstellt (EBRV 952 BlgNR 22. GP 111, Tipold in WK² FPG § 114 Rz 12).

Aufgrund des dargestellten Rechtsfehlers war der Schuldspruch ‑ in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ‑ gemäß § 285e StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort aufzuheben, womit sich das Eingehen auf die weiteren Beschwerdeargumente erübrigt.

Daraus resultierend war auch der Sanktionsausspruch zu beheben, worauf der Angeklagte mit seiner Berufung zu verweisen war.

Im zweiten Rechtsgang wird zu beachten sein:

(1) Vorweg sei hervorgehoben, dass das Tatbestandselement der unrechtmäßigen Bereicherung die subjektive Tatseite betrifft (Tipold in WK² FPG § 114 Rz 12), das Gesetz also insoweit nicht auf eine tatsächlich eingetretene Bereicherung, sondern auf einen darauf gerichteten Vorsatz abstellt. Sollten die Tatrichter (wie im ersten Rechtsgang) zu dem Ergebnis gelangen, dass der Vorsatz des Angeklagten exakt auf das Erlangen des sodann erhaltenen Entgelts gerichtet war, wird diesem Entgelt die Höhe des adäquaten Fuhrlohnes gegenüberzustellen sein. Nur wenn aus dieser Gegenüberstellung eine Überzahlung resultiert, kann wohl von einem auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatz ausgegangen werden.

(2) Gewerbsmäßig begeht eine strafbare Handlung, wer sie in der Absicht vornimmt, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB).

Die in dieser Legaldefinition verwendeten Begriffe „wiederkehrend“ und „fortlaufend“ bringen zum Ausdruck, dass es dem gewerbsmäßig handelnden Täter darauf ankommt, sich zumindest für einen längeren Zeitraum eine wirksame Einkommensquelle zu erschließen (Jerabek in WK² StGB § 70 Rz 7). Ein Schuldspruch wegen gewerbsmäßiger Begehung (§ 114 Abs 3 Z 1 FPG) setzt daher (im ersten Rechtsgang nicht getroffene) Feststellungen zur Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs des „längeren Zeitraums“, also zur intendierten Dauer der zu wiederholenden Delinquenz, voraus (zur diesbezüglichen Rechtsprechung siehe erneut Jerabek in WK² StGB § 70 Rz 7).

(3) Eine kriminelle Vereinigung ist gemäß § 278 Abs 2 StGB ein auf längere Zeit angelegter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, der darauf gerichtet ist, dass von einem oder mehreren Mitgliedern der Vereinigung ein oder mehrere in der genannten Norm beschriebene strafbare Handlungen ausgeführt werden. Ein Schuldspruch nach § 114 Abs 4 erster Fall FPG verlangt daher (im ersten Rechtsgang ebenfalls nicht getroffene) Konstatierungen zu all diesen Merkmalen.

(4) Sollte erneut die Konfiskation (§ 19a StGB) ausgesprochen werden, wird zu berücksichtigen sein, dass § 19a Abs 2 StGB insoweit zwingend eine ‑ bei sonstiger Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 11 dritter Fall StPO vorzunehmende (RIS‑Justiz RS0088035, insbesonders 13 Os 100/12y), im ersten Rechtsgang unterlassene ‑ Verhältnismäßigkeitsprüfung vorsieht.

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