OGH 11Os21/14v

OGH11Os21/14v11.3.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. März 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab und Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel und Mag. Fürnkranz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Sattlberger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Boban S***** wegen des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 12. Dezember 2013, GZ 034 Hv 15/13t‑46, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch unbekämpft in Rechtskraft erwachsene Freisprüche von weiteren einschlägigen Vorwürfen und solchen in Richtung Vergewaltigung enthält, wurde Boban S***** des Vergehens der fortgesetzten Gewaltanwendung (richtig: Gewaltausübung ‑ s US 11) nach § 107b Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er von Ende November 2011 bis März 2013 in Wien gegen Jelica R***** längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, indem er sie in vielfach wiederholten Angriffen schlug und trat, wobei diese Angriffe teilweise zu Hämatomen, Rötungen und Prellungen führten.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a und 10 StPO.

Die Verfahrensrüge (Z 4) bekämpft die schöffengerichtliche Abweisung (ON 45 S 17) des Antrags auf „Ausforschung der Zeugin Barbara N***** (phonetisch) zum Beweis dafür, dass der Angeklagte ab 9. 10. 2012 nicht mehr mit dem Opfer Frau R***** in Lebensgemeinschaft war und dass die von der Zeugin geschilderten Verletzungen nicht vom Angeklagten stammen“ (ON 45 S 16 f ‑ wobei ergänzend vorgebracht wurde: „Die Ausforschung soll durch die Polizei über das Handy des Angeklagten erfolgen. Festzuhalten ist, dass ... es nicht möglich war, das Handy aufzuladen.“). Abgesehen vom reinen Erkundungscharakter (RIS‑Justiz RS0097230 [T3], RS0118123) des praktisch undurchführbaren (RIS‑Justiz RS0099275, RS0099399) Antrags ging schon das Erstgericht (US 9 f) zutreffend davon aus, dass das Beweisthema keine entscheidende Tatsache tangierte (zum Begriff eingehend Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 340; 11 Os 74/07b uva), zumal die Tatrichter ohnedies von zahlreichen Unterbrechungen des Zusammenlebens des Angeklagten und dem Opfer ausgingen (US 4). Durch die Abweisung des gegenständlichen Antrags wurden somit keine Gesetze oder Grundsätze des Verfahrens hintangesetzt oder unrichtig angewendet, deren Beobachtung durch grundrechtliche Vorschriften, insbesondere durch Art 6 MRK, oder sonst durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden, fairen Verfahrens geboten ist.

Die Mängelrüge (Z 5) verkennt das Wesen der reklamierten Aktenwidrigkeit, die nur bei einem unrichtigen Zitat aus den Akten vorliegen kann, nicht aber ‑ wie hier ‑ bei der beweiswürdigenden Verwertung von Verfahrensergebnissen. Im Übrigen ist es dem Rechtsmittelvorbringen entgegen rechtlich ohne Belang, wie oft der Angeklagte jeweils mit der Faust, mit der flachen Hand oder dem Handrücken zugeschlagen hat (US 5). Eine „unzulängliche“ Begründung (gemeint wohl Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur fortgesetzten Ausübung von Gewalt (US 7 ff) wird vom Beschwerdeführer lediglich behauptet, eine empirisch oder logisch unhaltbare Begründung somit nicht dargetan.

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen methodengerechten Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS‑Justiz RS0099810 ua; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 581, 584, 593).

Durch das Bekämpfen erstrichterlicher Feststellungen mit eigenständig beweiswürdigenden Überlegungen wird materiell‑rechtliche Nichtigkeit nicht zur prozessordnungsgemäßen Darstellung gebracht. Die vom Sachverhaltssubstrat des angefochtenen Urteils (US 5) losgelösten Erwägungen der Rechts‑ (Z 9 lit a) und Subsumtions‑ (Z 10) Rüge entziehen sich somit meritorischer Erwiderung.

Der Vollständigkeit halber sei bemerkt, dass das Erstgericht auf Basis der subsumtionsrelevanten Konstatierungen auch die einschlägigen Rechtsfragen richtig gelöst hat (US 11 ff), indem es die vom Rechtsmittelwerber thematisierte einzelfallbezogene Einzelbetrachtung anstellte (zur Konkurrenzproblematik mit einzelnen Körperverletzungen siehe zusätzlich Schwaighofer in WK² StGB § 107b Rz 54).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).

Da nach dem Gesetz nur eine, von einem Verteidiger unterfertigte Nichtigkeitsbeschwerde zulässig ist, war auf den vom Angeklagten eigenhändig verfassten, an das Oberlandesgericht Wien gerichteten Schriftsatz keine Rücksicht zu nehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte