Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil - das in Rechtskraft erwachsene Freisprüche des Angeklagten von weiteren Fakten (die Freisprüche von der rechtlichen Qualifikation sind verfehlt, aber unschädlich - Fabrizy StPO9 § 259 Rz 16) und der ursprünglich mitangeklagten Waltraud B***** zur Gänze enthält - wurde Heribert B***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (A), des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB (B) und der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (C) schuldig erkannt.
Danach hat er in Salzburg
A) zu nicht näher bestimmbaren Zeitpunkten im Zeitraum Juni bis
Dezember 2005 die minderjährige Vittoria E*****, geb. am 24. November 1989, in zumindest fünf Angriffen mit Gewalt, indem er sie mit den Armen niederdrückte bzw umgriff, die Hose samt Unterhose herunterzog und ihr einen Finger in die Scheide einführte, zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung, nämlich der Digitalpenetration genötigt;
B) in einem Angriff im Dezember 2005 versucht, Vittoria E***** mit
Gewalt, indem er mit einem Fuß ihre Knie fixierte und mit beiden Händen ihre Hände festhielt, zur Duldung des Beischlafes zu nötigen;
C) in der Zeit von Juni bis Dezember 2005 unter Ausnützung seiner
Stellung als faktisch Erziehungsberechtigter gegenüber der seiner Erziehung unterstehenden minderjährigen Vittoria E***** mit dieser durch fünfmaliges Einführen eines Fingers in deren Scheide sowie einen versuchten Beischlaf und mehrfaches Betasten von Scheide und Brust geschlechtliche Handlungen vorgenommen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO.
Die Verfahrensrüge (Z 4) stützt sich auf zwei in der Hauptverhandlung gestellte Beweisanträge; sie vermag allerdings nicht aufzuzeigen, dass durch deren Abweisung Gesetze oder Grundsätze des Verfahrens hinangesetzt oder unrichtig angewendet worden sind, deren Beobachtung durch grundrechtliche Vorschriften, insbesondere durch Art 6 MRK, oder sonst durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden, fairen Verfahrens geboten war.
Der Zeuge Christian T***** wurde geführt „zum Beweis dafür, dass der Erstangeklagte nicht dadurch auffiel, dass er an jungen Mädchen sexuelles Interesse zeigte und dass die Zweitangeklagte sich sorgsam um Vittoria E***** gekümmert hat und bei gravierenden Problemen, die ihr mitgeteilt wurden, um Unterstützung und Rat bei Christian T***** fragte" (S 286 f, 253). Die geltend gemachten Beweisthemen beziehen sich allerdings nicht auf erhebliche Tatsachen, also auf solche, die nach Denkgesetzen und Lebenserfahrung nicht gänzlich ungeeignet sind, den Ausspruch über eine entscheidende Tatsache, dh für Schuldspruch oder Subsumtion relevante Tatsachenfeststellung zu beeinflussen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 340). Weder das Fehlen eines auffälligen sexuellen Interesses des Beschwerdeführers an jungen Mädchen noch die Art der Obsorge, die dessen Frau dem Opfer (das sich wegen eines gespannten Verhältnisses zu ihrer leiblichen Mutter in den Lebensverband der Eheleute B***** begeben hatte und trotz sehr beengter Wohnverhältnisse „quasi ein Teil der Familie" wurde, ja sogar im Ehebett schlief [wo es dann zu den inkriminierten Angriffen kam] - US 6 f) angedeihen ließ, noch der Umstand, dass jene mit ihr mitgeteilten gravierenden Problemen den Zeugen um Unterstützung und Rat anging, sind mit Blick auf die dem Erstgericht im Antragszeitpunkt bereits vorliegenden Beweisergebnisse in der Lage, die zur Feststellung entscheidender Tatsachen anzustellende Beweiswürdigung maßgeblich zu beeinflussen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 341 unter Bezug auf die stRsp, vgl dazu RIS-Justiz RS0118444). Deshalb ist es auch ohne Belang, dass die Tatrichter ursprünglich die Vernehmung dieses Zeugen ins Augen fassten (S 288) - von einer Täuschung des Antragstellers (13 Os 15/03) kann hier keine Rede sein (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 317), der überdies - gesetzesfremd - willkürlich zwischen „Belastungs-" und „Entlastungszeugen" in diesem Verfahren differenziert (das dazu zitierte Erkenntnis EvBl 1981/177 handelt im Übrigen von Tatzeugen).
Die begehrte Einholung „eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens aus der Forensik betreffend Vittoria E***** zum Beweis dafür, dass Vittoria E***** in der kognitiven und emotionalen Entwicklung Defizite aufweist, die zu Teilleistungsstörung und zu Störung der selektiven Wahrnehmung führten, da es durchaus im Bereich des Möglichen liegt, dass die pubertierende Vittoria E***** aufgrund der interpersonellen und intrapersonellen Konflikte keinen inneren Halt gewinnen konnte und sich in eine Scheinwelt flüchtete, sodass sie zwischen Dichtung und Wahrheit nicht unterscheiden konnte" (S 287) zielte sinnfällig auf einen im Erkenntnisverfahren unzulässigen, durch Verfahrensergebnisse nicht gedeckten, auf reinen Spekulationen aufbauenden Erkundungsbeweis ab (RIS-Justiz RS0099453, RS0118123, 11 Os 5/06d ua; zur hier nicht aktuellen Falschbezichtigungstendenz RS0120109; zur bloß ausnahmsweisen Beiziehung von Experten bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Personen RS0120634, Hinterhofer, WK-StPO § 118 Rz 4; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 350). Das antragsergänzende Vorbringen in der Rechtsmittelschrift ist zufolge des Neuerungsverbotes im Nichtigkeitsverfahren nicht erwiderungsfähig (RIS-Justiz RS0099618). Der Mängelrüge (Z 5) zuwider war das Erstgericht im Hinblick auf § 270 Abs 2 Z 5 StPO zu einer Auseinandersetzung mit den Angaben der Zeugin Stefanie B***** (S 341 bis 347) nicht verhalten, deponierte diese doch nur, durch E***** von der Vergewaltigung durch den Angeklagten erfahren, dem jedoch aufgrund eigener Erwägungen keinen Glauben geschenkt zu haben. Die daran anknüpfenden eigenständig beweiswürdigenden Überlegungen des Beschwerdeführers zur Glaubwürdigkeit der Zeugin E***** („... nicht nachvollziehbar ...") verlassen den Anfechtungsrahmen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 431). Der formelle Nichtigkeitsgrund nach Z 5a greift seinem Wesen nach erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können und dürfen (13 Os 43/03, 12 Os 38/04), nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, maW intersubjektiv gemessen an Erfahrungs- und Vernunftsätzen eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahelegen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie das Gesetz der Berufung wegen Schuld im Einzelrichterverfahren einräumt - wird dadurch nicht ermöglicht. Die Tatsachenermittlung im kollegialgerichtlichen Verfahren bleibt dem Spruchkörper erster Instanz vorbehalten, der unter dem Eindruck der unmittelbaren, mündlichen und kontradiktorischen Beweiserhebung entscheidet. Beweiswürdigende Detailerwägungen diesseits der Schwelle erheblicher Bedenklichkeit - wie in Erledigung einer Berufung wegen Schuld - sind dem Obersten Gerichtshof somit verwehrt und auch in einer Tatsachenrüge nicht statthaft (RIS-Justiz RS0119583, jüngst 15 Os 14/07h).
Mit dem pauschalen Hinweis auf zahlreiche - von den Tatrichtern im Übrigen ohnedies eingehend berücksichtigten (US 9 f) - Widersprüche in den Aussagen des Opfers und dessen Verbleib im Haus, ja sogar im (Ehe-)Bett des Angeklagten, gelingt es dem Nichtigkeitswerber ebensowenig, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der zu den Schuldsprüchen führenden entscheidenden Tatsachenfeststellungen zu erwecken, wie mit der Hypothese „unwillkürlicher Bewegungen im Schlaf, die zu Berührungen der Zeugin führten, von dieser im schlaftrunkenen Zustand falsch aufgefasst wurden", oder der Spekulation über eine „pubertäre Identitätskrise" des Mädchens, das „zum Erstangeklagten von allen Anfang an eine ablehnende Haltung einnahm, darüber hinaus auch Beziehungsschwierigkeiten zu ihrer leiblichen Mutter und deren Lebensgefährten hatte". Die ausdrücklich thematisierte Glaubwürdigkeit der Zeugin als solche ist keine nach Z 5a aufgreifbare entscheidende Tatsache (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 491; RIS-Justiz RS0099649, jüngst 13 Os 111/06g).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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