European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0070OB00224.13M.0129.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Urteil des Berufungsgerichts wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Berufungs‑ und Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung
M***** K*****, die Großmutter des Klägers, war grundbücherliche Eigentümerin der Liegenschaft *****, zu welcher die Grundstücke Nr ***** gehören. Auf diesen befand sich ein kleines Elektrizitätswerk. Aufgrund eines am 16. 2. 1989 mit seiner Großmutter geschlossenen Schenkungsvertrags ist das Eigentum des Klägers auf der genannten Liegenschaft grundbücherlich einverleibt.
Die Beklagten sind aufgrund einer Nacherbschaft Rechtsnachfolger des J***** P*****.
M***** K***** und J***** P***** schlossen im Februar 1976 einen Kaufvertrag über die genannten Grundstücke, dem die grundbücherliche Genehmigung versagt wurde.
Mit Kodizill vom 9. 3. 1977 vermachte M***** K***** die Grundstücke J***** P*****. Am 12. 4. 1977 bot sie ihm den Erwerb der Grundstücke zu den im Kaufvertrag vom Februar 1976 genannten Konditionen für den Fall an, dass sich die grundverkehrsrechtlichen Bestimmungen ändern sollten. Das Angebot sollte für die Dauer ihrer Lebenszeit gelten.
Am 13. 4. 1977 schlossen M***** K***** und J***** P***** für die Dauer von 15 Jahren einen Pachtvertrag über das Elektrizitätswerk. Am selben Tag folgte eine ergänzende Vereinbarung, wonach J***** P***** für vorgesehene und notwendige Investitionen auf dem gepachteten Objekt für den Fall, dass der Pachtvertrag aus dem Verschulden der M***** K***** aufgelöst oder J***** P***** die Liegenschaft nicht als Legat erhalten sollte, Ersatz erhält. Weiters verzichtete M***** K***** bis Ende 2000 auf die Aufkündigung des Pachtvertrags.
In den Jahren 1978 und 1979 errichtete J***** P***** das Elektrizitätswerk neu. Am 9. 2. 1988 starb er.
Mit Testament vom 25. 4. 1988 setzte M***** K***** den Kläger zum Erben ein und widerrief das Kodizill vom 9. 3. 1977. Am 16. 2. 1989 folgte der bereits erwähnte Schenkungsvertrag.
1995 wurde im Grundbuch auf dem Grundstück ***** ein Superädifikat (E‑Werk) durch Urkundenhinterlegung ersichtlich gemacht.
Am 2. 12. 1997 schloss der Kläger mit der Erbengemeinschaft nach J***** P***** einen mit 31. 12. 2010 (letztlich verlängert bis 30. 6. 2011) befristeten Pachtvertrag über die Grundstücke und das darauf befindliche Elektrizitätswerk.
Der Kläger begehrt nun von den Beklagten die geräumte Übergabe der genannten Grundstücke mit dem Hinweis auf den mit 31. 12. 2010 befristet gewesenen Pachtvertrag, der einvernehmlich um weitere sechs Monate bis 30. 6. 2011 verlängert worden sei und mit diesem Zeitpunkt geendet habe, ohne dass es einer weiteren Aufkündigung bedurft habe. Seit diesem Zeitpunkt benützten die Beklagten die Liegenschaft widerrechtlich ohne Rechtstitel.
Die Beklagten bestritten. Sie beriefen sich unter Hinweis auf den zwischen M***** K***** und J***** P***** 1976 gegen eine Leibrente geschlossenen, jedoch grundverkehrsbehördlich nicht genehmigten Kaufvertrag und die in der Folge gesuchten „Ersatzlösungen“, nämlich das unwiderrufliche Anbot, dass J***** P***** die Liegenschaft käuflich erwerben könne, sobald sich an den grundverkehrsrechlichen Bestimmungen etwas ändern würde, den gleichzeitig geschlossenen Pachtvertrag und die vereinbarte Rückerstattung der Investitionen sowie darauf, dass J***** P***** bzw dessen Rechtsnachfolger Eigentümer der Grundstücke werden sollten. Das unwiderrufliche Anbot der M***** K***** zum Erwerb der Liegenschaft durch J***** P***** sei zumindest bis zu ihrem Tod am 21. 10. 2003 aufrecht gewesen und die Rechte aus diesem Anbot seien auf die Rechtsnachfolger des J***** P***** übergegangen. Bereits lang vor dem Tod der M***** K***** hätten die Rechtsnachfolger des J***** P***** die Leibrentenzahlungen vorgenommen, worin eine Annahme des Anbots gelegen sei. Überdies sei der Kläger bei der am 16. 2. 1989 erfolgten Schenkung an ihn schlechtgläubig gewesen. Dem Kläger seien sowohl die finanziellen Verhältnisse der M***** K***** als auch der Umstand bekannt gewesen, dass das Eigentum an der Liegenschaft nicht mehr ihr, sondern den Rechtsnachfolgern des J***** P***** zugestanden sei und die Verpflichtung bestanden habe, diesen das bücherliche Eigentum zu übertragen. Der Pachtvertrag habe nur dazu gedient, die Verpflichtung des Klägers, den Beklagten das unbeschränkte Eigentum künftig zu verschaffen, abzusichern und zu prolongieren. J***** P***** habe das Kraftwerk im Wesentlichen neu errichtet und dabei mehr als 3 Mio ATS investiert. Auf der Liegenschaft sei daher auch ein Superädifikat (E‑Werk) ‑ nunmehr zu Gunsten der Beklagten ‑ eingetragen, sodass sich die gesamte bauliche Anlage im Eigentum der Beklagten befinde. Gegen die Urkundenhinterlegungen habe der Kläger trotz Zustellung der Beschlüsse keine rechtlichen Schritte unternommen, insbesondere keine Klage erhoben, wodurch das außerbücherliche Eigentum der Beklagten auch anerkannt worden sei. Die Liegenschaft sei von den Beklagten und deren Rechtsvorgängern mehr als 30 Jahre im guten Glauben als Eigentümer genutzt worden, sodass das Eigentum auch ersessen worden sei.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Da der im Jahr 1976 geschlossene Kaufvertrag mangels grundverkehrsbehördlicher Genehmigung nicht wirksam zustande gekommen sei, sei in der Folge eine Ersatzlösung gesucht und ein Pachtvertrag mit Laufzeit bis 31. 3. 1992 geschlossen worden. Gleichzeitig habe M***** K***** vorgesehen, dass J***** P***** im Fall ihres Ablebens das Grundstück testamentarisch erbe. Sie habe auch angeboten, dass er die Liegenschaft entsprechend dem nicht genehmigten Kaufvertrag erwerben könne, falls sich die grundverkehrsrechtlichen Bestimmungen ändern sollten. Aufgrund der Formulierung des Anbots ergebe sich, dass es sich um ein höchstpersönliches Anbot von M***** K***** an J***** P***** gehandelt habe. Ein Kaufvertrag sei letztlich nicht zustande gekommen. Vielmehr habe auch der Kläger mit den Erben nach J***** P***** einen Pachtvertrag betreffend die Liegenschaft und das darauf befindliche E‑Werk geschlossen, weshalb die Beklagten keinen Rechtsgrund nachgewiesen hätten, der zu einer Eigentumsübertragung der Liegenschaft auf sie geführt hätte. Die Nutzung der Grundstücke durch J***** P***** und dessen Rechtsnachfolger sei ausdrücklich aufgrund von Pachtverträgen erfolgt, weshalb die Beklagten mangels Redlichkeit auch nicht durch Ersitzung oder Bauführung Eigentum erworben hätten. Wegen der Beendigung des Pachtverhältnisses per 30. 6. 2011 seien die Beklagten verpflichtet, den Bestandgegenstand geräumt zu übergeben.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Der Kläger wäre als Eigentümer der Liegenschaft verpflichtet gewesen, gegen die Urkundenhinterlegung analog § 61 GBG die Löschungsklage einzubringen, sofern er sich durch die Ersichtlichmachung des Superädifikats als zu Unrecht belastet erachtet habe. Solange die ‑ in Bezug auf das Eigentum am Superädifikat wie die Eigentumseinverleibung bei im Grundbuch eingetragenen Liegenschaften wirkende - Urkundenhinterlegung nicht auf dem Klagsweg beseitigt werde, bestehe der Rechtstitel der Beklagten des anteiligen Eigentums an den auf der Liegenschaft errichteten Baulichkeiten und demnach auch ein Titel zur ‑ zeitlich begrenzten ‑ Benützung der Liegenschaft. Bei dieser Sach- und Rechtslage bestehe keine Grundlage, die Beklagten zu der vom Kläger angestrebten Räumung der Liegenschaft zu verpflichten.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Klägers mit einem Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagten begehren in der ihnen freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig, sie ist auch berechtigt.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bleibt das Eigentum an einem Superädifikat von der Beendigung oder dem Wegfall des Grundbenützungsverhältnisses an sich unberührt. Das Bauwerk steht zwar auch weiterhin im Eigentum seines bisherigen Eigentümers, der es allerdings auf Verlangen des Grundeigentümers beseitigen müsste, sofern er es nicht aufgrund einer besonderen Abrede auf den Grundeigentümer zu übertragen hat (RIS‑Justiz RS0009887, 9 Ob 229/01v, 8 Ob 97/11i; Mader in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.01 § 435 Rz 12; Hinteregger in Schwimann/Kodek 4 § 435 ABGB Rz 9). Das Eigentum an einem Superädifikat allein verschafft damit ‑ entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ‑ kein dingliches oder obligatorisches Recht zur Benützung der Liegenschaft. Selbst wenn den auf der Liegenschaft befindlichen Bauten Superädifikatscharakter zukommen und die Beklagten daran Eigentum erworben haben sollten, könnte dies allein nicht erfolgreich dem auf Beendigung des Grundbenützungsverhältnisses gegründeten Anspruch auf Räumung der Liegenschaft entgegengehalten werden.
2. Im vorliegenden Fall vertrat das Berufungsgericht die Rechtsansicht, dass das auf geräumte Übergabe der Liegenschaft gerichtete Klagebegehren allein deshalb abzuweisen sei, weil die Beklagten Eigentümer der auf der Liegenschaft befindlichen Bauwerke seien, weshalb es auf die von den Beklagten in der Berufung erhobene Verfahrens‑ und Beweisrüge nicht einzugehen habe. Davon kann im Sinn der obigen Ausführungen keine Rede sein. Das Berufungsgericht wird daher diese Berufungsgründe zu behandeln haben.
3. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)