OGH 10ObS189/13m

OGH10ObS189/13m28.1.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Fellinger und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Sabine Duminger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Horst Nurschinger (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch Mag. Sonja Fragner, Rechtsanwältin in Krems an der Donau, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich‑Hillegeist‑Straße 1, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 26. September 2013, GZ 10 Rs 107/13y‑41, womit das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 18. Jänner 2013, GZ 15 Cgs 200/11w‑38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen der Klagevertreterin 186,84 EUR (darin enthalten 31,14 EUR USt) an Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin, die am 6. 4. 2011 das 57. Lebensjahr vollendet hat, war in den letzten 180 Kalendermonaten vor dem Stichtag (dem 1. 5. 2011) 111 Monate und 14 Tage lang als Haushaltshilfe und Reinigungskraft tätig. Ihr letztes Dienstverhältnis endete am 6. 7. 2010. Vom 7. 7. 2010 bis 13. 7. 2010 bezog sie eine Urlaubsentschädigung (Urlaubsersatzleistung). An den Bezug der Urlaubsentschädigung schloss sich vom 14. 7. 2010 bis 25. 4. 2011 ein Krankengeldbezug an.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist ihr Klagebegehren auf Zuerkennung einer Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab dem 1. 5. 2011.

Die Klägerin brachte ‑ soweit für das Revisionsverfahren wesentlich ‑ vor, sie sei am 6. 7. 2010 ‑ also noch während des aufrechten Dienstverhältnisses ‑ krankheitsbedingt arbeitsunfähig geworden. Das deshalb vom 14. 7. 2010 bis 25. 4. 2011 gewährte Krankengeld sei bei der Beurteilung des Vorliegens von 120 Kalendermonaten „einer“ Tätigkeit iSd § 255 Abs 4 ASVG zu berücksichtigen. Der Krankengeldbezug sei im engen Zusammenhang mit der zuletzt ausgeübten Erwerbstätigkeit gestanden und dieser Erwerbstätigkeit zuzuordnen. Rechne man die Krankengeldbezugszeiten (im Ausmaß von 9 Monaten und 13 Tagen) auf die von § 255 Abs 4 Satz 1 ASVG geforderten 120 Kalendermonate an, ergäben sich 120 Kalendermonate und 27 Tage, sodass die Voraussetzungen für die Anwendung der Bestimmung des § 255 Abs 4 ASVG gegeben seien. „Sicherheitshalber“ werde auch vorgebracht, dass die Arbeitsunfähigkeit jedenfalls innerhalb der Schutzfrist des § 122 Abs 2 Z 2 ASVG eingetreten sei.

Die beklagte Partei wendete ‑ soweit für das Revisionsverfahren wesentlich ‑ zusammengefasst ein, die Krankengeldbezugszeiten vom 14. 7. 2010 bis 25. 4. 2011 seien bei der Beurteilung des Vorliegens von 120 Kalendermonaten „einer“ Tätigkeit iSd § 255 Abs 4 ASVG nicht zu berücksichtigen, weil sie erst nach formeller Beendigung des Dienstverhältnisses gelagert seien. Nach der Intention des Gesetzgebers sollten nicht nur Zeiten eines Krankenstandes, in denen noch Entgeltfortzahlung vom Dienstgeber bezogen werde, berücksichtigt werden können, sondern auch Zeiten, in denen der Anspruch auf Entgeltfortzahlung bereits erschöpft ist und nur mehr Krankengeld vom Krankenversicherungsträger ausbezahlt werde. Dies sollte vor allem jenen Arbeitnehmern entgegenkommen, die sehr kurze Entgeltfortzahlungsfristen haben. Maßgeblich könnten somit nur jene Krankengeldbezugszeiten sein, während derer der Versicherte an der Ausübung seiner Tätigkeit vorübergehend verhindert gewesen sei, nicht aber die Krankengeldbezugszeiten, deren Berücksichtigung die Klägerin anstrebt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und legte seiner Entscheidung ‑ über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus ‑ bisher folgende ‑ für das Revisionsverfahren entscheidungs-wesentliche ‑ Feststellungen zugrunde:

„Der Klägerin ist die Tätigkeit als Haushälterin sowie als Reinigungskraft nicht mehr zumutbar, da dabei ihr medizinisches Leistungskalkül überschritten wird. Unter Zugrundelegung ihres eingeschränkten Leistungskalküls ist sie aber noch in der Lage, den Beruf einer Portierin auszuüben. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin bereits während des noch aufrechten Dienstverhältnisses eingetreten wäre. Wollte man den nach Beendigung des letzten Dienstverhältnisses ab 14. 7. 2010 bis 25. 4. 2011 gewährten Krankengeldbezug berücksichtigen, lägen zum Stichtag 1. 5. 2011 insgesamt 120 Kalendermonate und 27 Tage an Versicherungszeiten vor.“

Rechtlich ging das Erstgericht zusammengefasst davon aus, dass kein Berufsschutz iSd § 255 Abs 1 ASVG gegeben sei. Eine Anwendung des § 255 Abs 4 ASVG scheitere daran, dass die Klägerin in den letzten 180 Kalendermonaten vor dem Stichtag nur 111 Monate und 14 Tage der Tätigkeit als Haushälterin oder Reinigungskraft nachgegangen sei und diese Tätigkeit daher nicht in den von § 255 Abs 4 ASVG verlangten 120 Kalendermonaten hindurch ausgeübt habe. Zwar seien nach § 255 Abs 4 dritter Satz ASVG Monate des Bezugs von Krankengeld nach § 138 ASVG im Höchstmaß von 24 Monaten auf die 120 Kalendermonate anzurechnen. Sämtliche Krankengeldbezugszeiten, deren zusätzliche Berücksichtigung die Klägerin anstrebe, seien aber erst nach der formellen Beendigung des Dienstverhältnisses gelegen. Sie stammten daher nicht „aus der Erwerbstätigkeit“ und seien auf die erforderliche Mindestdauer von 120 Kalendermonaten nicht anzurechnen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und schloss sich der Rechtsansicht des Erstgerichts an. Es führte aus, die Klägerin habe im erstinstanzlichen Verfahren eine Krankenstandsbescheinigung der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse vorgelegt, in der ihre Arbeitsunfähigkeit ab 6. 7. 2010 (somit bereits für den letzten Tag ihres Dienstverhältnisses) bescheinigt wurde. Das Erstgericht sei zwar auf diese Urkunde in keiner Weise eingegangen, habe aber die negative Feststellung getroffen, es könne nicht festgestellt werden, dass die Arbeitsunfähigkeit noch während des aufrechten Dienstverhältnisses eingetreten wäre. Dennoch sei die in der Berufung dazu erhobene Mängel‑ und Beweisrüge aus rechtlichen Gründen nicht entscheidungsrelevant, weil sich auch aus der von der Klägerin begehrten Feststellung bzw Ersatzfeststellung für sie nichts gewinnen ließe. Maßgeblich sei, ob die in § 255 Abs 4 3. Satz ASVG angesprochenen Krankengeldbezugszeiten nach § 138 ASVG „aus der Erwerbstätigkeit“ stammen. Zwar seien die von der Klägerin bezogenen Krankengeldbezüge unter § 138 ASVG zu subsumieren. Gegen die Einbeziehung in die Berechnung der nach § 255 Abs 4 ASVG notwendigen 120 Kalendermonate spreche im vorliegenden Fall aber, dass sie zur Gänze nach Beendigung des Dienstverhältnisses lägen. Nach dem rechtlichen Ende des Dienstverhältnisses könne von der „Ausübung einer Tätigkeit“ nicht mehr gesprochen werden. Auch die Urlaubsersatzleistung könne nach bisheriger Rechtsprechung mangels Möglichkeit einer Fortführung der ausgeübten Tätigkeit nach dem Bezugsende nicht auf die 120 Kalendermonate angerechnet werden. Dies müsse in gleicher Weise auch für einen nach dem rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses gelegenen Bezug von Krankengeld nach § 138 ASVG gelten. Es sei deshalb davon auszugehen, dass im vorliegenden Fall die ausgeübte Tätigkeit mit dem Bezug der Urlaubsersatzleistung geendet habe und danach gelegene Krankengeldbezugszeiten nicht mehr geeignet seien, die Voraussetzungen des besonderen Tätigkeitsschutzes zu erfüllen. Die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts erweise sich auch dann als zutreffend, wenn die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin bereits am 6. 7. 2010 bestanden haben sollte. Ein diesbezüglicher rechtlicher Feststellungsmangel liege nicht vor.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu bestehe, ob auch ein Krankengeldbezug nach § 138 ASVG im unmittelbaren Anschluss an ein rechtlich beendetes Dienstverhältnis iSd § 255 Abs 4 Z 2 ASVG auf die 120 Kalendermonate der Ausübung einer Tätigkeit anzurechnen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

1. Gemäß § 255 Abs 4 ASVG in der hier anzuwendenden Fassung des BudgetbegleitG 2011, BGBl I 2010/111, gilt als invalid auch der (die) Versicherte, der (die) das 57. Lebensjahr vollendet hat, wenn er (sie) infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner (ihrer) körperlichen oder geistigen Kräfte außerstande ist, einer Tätigkeit, die er (sie) in den letzten 180 Kalendermonaten vor dem Stichtag mindestens 120 Kalendermonate hindurch ausgeübt hat, nachzugehen. (…)

Maßgeblich für den in § 255 Abs 4 ASVG für über 57‑Jährige verankerten „Tätigkeitsschutz“ ist, dass die Ausübung „einer“ Tätigkeit in den letzten 180 Kalendermonaten vor dem Stichtag mindestens 120 Kalendermonate hindurch erfolgte (10 ObS 18/10k, SSV‑NF 24/36; 10 ObS 18/13i).

2.1 Der durch § 255 Abs 4 ASVG gewährte „Tätigkeitsschutz“ wurde derart ausgelegt, dass nur kurz dauernde Unterbrechungen einer Tätigkeit ‑ bedingt etwa durch Urlaub oder kurzfristigen Krankenstand ‑ bei der Prüfung der Frage, ob die Tätigkeit mindestens 120 Kalendermonate hindurch ausgeübt wurde, zu vernachlässigen sind (10 ObS 62/04x, SSV‑NF 18/70).

2.2 Hingegen wurden Zeiten einer saisonal bedingten Unterbrechung der Tätigkeit nicht als Zeiten der Ausübung der unselbständigen Erwerbstätigkeit gewertet, dies unabhängig davon, ob das Dienstverhältnis während dieser Zeit aufgelöst oder nur ausgesetzt war (RIS‑Justiz RS0117787).

2.3 Auch Zeiten des Bezugs einer Urlaubsersatzleistung sind in die Berechnung der nach § 255 Abs 4 ASVG notwendigen Kalendermonate nicht einzubeziehen, weil es zwar durch eine Urlaubsersatzleistung zu einer entsprechenden Verlängerung der Pflichtversicherung kommt (§ 11 Abs 2 Satz 2 ASVG), von einer faktischen „Ausübung“ einer konkreten Tätigkeit, wie sie § 255 Abs 4 ASVG im Auge hat, aber nicht gesprochen werden kann, weil das Dienstverhältnis rechtlich schon beendet ist und keine Arbeitsverpflichtung mehr besteht, sodass keine kurzfristige Unterbrechung , die für die „Ausübung der Tätigkeit“ unschädlich wäre, mehr eintreten kann (10 ObS 62/04x, SSV‑NF 18/70). Diese Erwägungen gelten in gleicher Weise auch für die Zeiten des Bezugs einer Kündigungsentschädigung (10 ObS 91/07s, SSV‑NF 21/60).

2.4 Vor dem BudgetbegleitG 2011 (BGBl I Nr 111/2010) wurden zwar Zeiten einer Entgeltfortzahlung bei der von § 255 Abs 4 ASVG geforderten Mindestausübungszeit berücksichtigt, nicht aber Zeiten eines Krankengeldbezugs (10 ObS 264/02z, SSV‑NF 18/15; 10 ObS 79/04x; 10 ObS 62/04x, SSV‑NF 18/70). Als Begründung wurde angeführt, dies erscheine deshalb sachgerecht, weil Zeiten der Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber Zeiten der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung begründen, während Zeiten des Krankengeldbezugs Ersatzzeiten in der Pensionsversicherung darstellen.

3.1 Mit dem BudgetbegleitG 2011 wurde an § 255 Abs 4 ASVG ein dritter Satz mit folgendem Wortlaut angefügt:

„Fallen in den Zeitraum der letzten 180 Kalendermonate vor dem Stichtag 1.(...);

2. Monate des Bezugs von Krankengeld nach § 138, so sind diese im Höchstmaß von 24 Monaten auf die im ersten Satz genannten 120 Kalendermonate anzurechnen.“

3.2 Nach den Gesetzesmaterialien sollten zur Erleichterung der Erlangung des in § 255 Abs 4 ASVG geregelten besonderen Tätigkeitsschutzes nunmehr auf die 120 (Kalender‑)Monate auch Krankengeldbezugszeiten „aus der Erwerbstätigkeit“ im Ausmaß von höchstens 24 Monaten angerechnet werden. Solche Zeiten des Krankengeldbezugs sollen in die zu berücksichtigenden 10 Jahre eingerechnet werden (ErläutRV 981 BlgNR 24. GP 206). Teschner/Widlar/Pöltner , ASVG 115. Erg.Lfg § 255 Rz 12d, führen aus, die Praxis habe gezeigt, dass die Regelung zu den 120 Kalendermonaten einer gleichen oder gleichartigen Tätigkeit besonders ausgeprägte Sachverhalte nicht geeignet berücksichtigt habe.

Während also vor dem BudgetbegleitG 2011 im Fall der Erkrankung des Arbeitnehmers Zeiten der Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber, nicht jedoch auch Zeiten des Krankengeldbezugs des Arbeitnehmers als Zeiten der Ausübung der relevanten Tätigkeit galten, sollten zur Erleichterung der Erlangung des in § 255 Abs 4 ASVG geregelten Tätigkeitsschutzes auch Zeiten des Krankengeldbezugs nach § 138 ASVG im Höchstmaß von 24 (Kalender‑)Monaten in die nach § 255 Abs 4 ASVG notwendigen 120 Kalendermonate einbezogen werden. Es sollten nach dem Willen des Gesetzgebers also Zeiten (im Höchstausmaß von 24 Monaten) berücksichtigt werden, in denen der oftmals nur kurzfristige Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber bereits erschöpft war und nur noch Krankengeld vom Krankenversicherungsträger ausbezahlt wird. In der Regel kurzfristige „Unterbrechungen“ der Erwerbstätigkeit durch einen Krankenstand sollten nunmehr in einem gewissen Ausmaß berücksichtigt werden.

3.3 Zu prüfen ist aber, ob die in § 255 Abs 4 3. Satz ASVG angesprochenen Krankengeldbezugszeiten nach § 138 ASVG „aus der Erwerbstätigkeit“ stammen. Auch nach der Novellierung der Voraussetzungen des besonderen Tätigkeitsschutzes gemäß § 255 Abs 4 Z 2 ASVG durch das BudgetbegleitG 2011 sollte nämlich nicht jeder, sondern nur ein solcher Bezug von Krankengeld (durch maximal 24 Monate) angerechnet werden, der einer entsprechenden Erwerbstätigkeit zuzuordnen ist (RIS‑Justiz RS0127738). Ausgehend vom Zweck des § 255 Abs 4 ASVG sind demnach etwa Krankengeldbezugszeiten, die ausschließlich Zeiträume betreffen, in denen ein Kläger arbeitslos war (aufgrund eines Arbeitslosengeldbezugs nach § 40 Abs 1 AlVG) nicht auf die erforderliche Mindestdauer von 120 Kalendermonaten anzurechnen (10 ObS 60/13s), käme es doch andernfalls auch zu einer Besserstellung von kranken gegenüber gesunden Arbeitslosen, für die keine sachliche Rechtfertigung ersichtlich ist (RIS‑Justiz RS0127738).

3.4 Im vorliegenden Fall sind aber keine Krankengeldbezugszeiten für Zeiträume gegeben, in denen die Klägerin arbeitslos war. Vielmehr bezog sie nach dem rechtlichen Ende ihres Dienstverhältnisses ab 7. 7. 2010 bis 13. 7. 2010 eine Urlaubsersatzleistung, daran schloss sich ab 14. 7. 2010 bis 25. 4. 2011 der Bezug von Krankengeld an. Geht man vom Vorbringen der Klägerin aus, ist der Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit am letzten Tag ihres Beschäftigungsverhältnisses am 6. 7. 2010 eingetreten; an diesem Tag war sie noch pflichtversichert (§ 11 Abs 1 ASVG), sodass sich ihr Anspruch auf Krankengeld nach § 138 Abs 1 ASVG richtet. Nach dem Wortlaut des § 255 Abs 4 3. Satz ASVG könnte man daher die Ansicht vertreten, dass auch die Krankengeldbezugszeiten vom 14. 7. 2010 bis 25. 4. 2011 als solche „aus der Erwerbstätigkeit“ anzusehen sind. Zu berücksichtigen ist aber, dass die Novellierung des § 255 Abs 4 ASVG durch das BudgetbegleitG 2011 ganz offensichtlich vor dem Hintergrund der damaligen Rechtsprechung (siehe oben Pkt 2.4) zu verstehen ist, nach der nur Zeiten der Entgeltfortzahlung, nicht aber Zeiten des Krankenstandes auf die 120 Kalendermonate „einer“ Tätigkeit angerechnet wurden. Demgegenüber sollten nunmehr nicht nur Zeiten eines Krankenstandes, in denen noch Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber geleistet wird, berücksichtigt werden, sondern im Höchstausmaß von 24 Monaten auch Zeiten, in denen der Entgeltfortzahlungsanspruch schon erschöpft ist und nur noch Krankengeldanspruch besteht. Eine Änderung der ständigen Rechtsprechung (vgl 10 ObS 62/04x, SSV‑NF 18/70; 10 ObS 91/07s, SSV‑NF 21/60 ua), wonach von einer „Ausübung“ einer Tätigkeit iSd § 255 Abs 4 ASVG nicht mehr gesprochen werden kann, wenn das Dienstverhältnis schon rechtlich beendet ist, war offensichtlich nicht beabsichtigt. Vielmehr ging es dem Gesetzgeber des Budgetbegleitgesetzes offenbar darum, dass in Hinkunft ‑ in der Regel ‑ kurzfristige Unterbrechungen der „Ausübung der Tätigkeit“ durch Krankenstand in einem gewissen Ausmaß berücksichtigt werden sollten.

Daher ist auch nach dem BudgetbegleitG 2011 zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen die Rechtsprechung aufrechtzuerhalten, nach der für Zeiten der Urlaubsersatzleistung, Kündigungsentschädigung und auch des Krankenstandes, die nach dem Ende des Dienstverhältnisses liegen, schon deshalb nicht von einer „Ausübung“ der Tätigkeit gesprochen werden kann, weil das Dienstverhältnis rechtlich bereits beendet ist.

Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall, dass die Krankengeldbezugszeiten ab 14. 7. 2010 auch dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit noch am letzten Tag des Dienstverhältnisses eingetreten sein sollte, nicht so zu behandeln sind, als hätte die Klägerin ihre bisherige Tätigkeit weiterhin ausgeübt. Die Zeiten dieses Krankengeldanspruchs sind ‑ wie bereits die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben ‑ in die von § 255 Abs 4 3. Satz ASVG vorausgesetzten 120 Kalendermonate nicht einzurechnen.

Die Revision bleibt somit erfolglos.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Da die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO abhängt, entspricht es der Billigkeit, der unterlegenen Klägerin angesichts der sich aus der Aktenlage ergebenden angespannten Einkommensverhältnisse den Ersatz der Hälfte der Revisionskosten zuzusprechen (RIS‑Justiz RS0085871).

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