European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0010OB00232.13V.0123.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit Notariatsakt vom 7. 8. 1958 vereinbarten der Kläger und seine Ehefrau im Rahmen eines Ehepakts zunächst eine allgemeine, schon unter Lebenden wirkende Gütergemeinschaft über ihr gesamtes beiderseitiges Vermögen, das sie gegenwärtig besaßen, in Zukunft erben, erwerben oder auf was sonst für eine andere gesetzliche Art erlangen würden. Zugleich setzten sich die Ehegatten kraft wechselseitigen Testaments gegenseitig zu Alleinerben ein und räumten einander überdies „gegenseitig vertragsmäßig, daher einseitig unwiderruflich“, das Aufgriffsrecht ein, den Nachlass des zuerst Versterbenden von ihnen um einen einverständlich festzustellenden bzw durch gerichtliche Schätzung zu ermittelnden Betrag „in natura“ ins Eigentum zu übernehmen.
In ihrem Testament vom 27. 8. 2002 widerrief die Ehefrau des Klägers, die am 31. 8. 2002 verstarb, alle früher von ihr errichteten letztwilligen Anordnungen jeglicher Art und setzte den Beklagten (den gemeinsamen Sohn) zum Alleinerben ein. Im Verlassenschaftsverfahren gab der Beklagte als testamentarischer Erbe eine bedingte Erbserklärung ab, aufgrund der ihm der Nachlass der Erblasserin eingeantwortet wurde.
Der Kläger begehrte vom Beklagten, gestützt auf das ihm im Notariatsakt eingeräumte Aufgriffsrecht, die Herausgabe des Nachlasses der Erblasserin Zug um Zug gegen Bezahlung eines Übernahmspreises und stellte dazu ein Hauptbegehren sowie sieben Eventualbegehren.
Die Vorinstanzen gaben dem ersten Eventualbegehren des Klägers auf Herausgabe sämtlicher Aktiva des Nachlasses der Verstorbenen, insbesondere bestehend aus dem Hälfteanteil an drei Liegenschaften samt Haus und dem gesamten Inventar, den Maschinen und Geräten laut dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen, sowie dem Begehren auf Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechts des Klägers auf dem Hälfteanteil des Beklagten an den drei Liegenschaften Zug um Zug gegen Zahlung des (vom Berufungsgericht um 100 EUR erhöhten) Übernahmspreises von 32.365,10 EUR statt.
Die außerordentliche Revision des Beklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.
Rechtliche Beurteilung
1. Der Kläger hatte gemeinsam mit seiner (verstorbenen) Ehefrau gütergemeinschaftliches Eigentum. Ihr Tod beendete die Gütergemeinschaft unter Lebenden und führte zu einer Teilung des Gemeinschaftsguts nach ehegüterrechtlichen Regelungen. Soweit dabei Vereinbarungen der Ehegatten zu beachten sind, bestimmen diese, was aus dem Gemeinschaftsgut, gegebenenfalls auch unter welchen Voraussetzungen und in welcher Form, in das nach erbrechtlichen Grundsätzen abzuhandelnde Vermögen der Verstorbenen fällt. Als Bestandteil des Vertrags über die bereits unter Lebenden wirksame Gütergemeinschaft geht ein dem überlebenden Teil eingeräumtes Recht, den Anteil der Verstorbenen am Gütergemeinschaftsgut (oder bestimmte Teile daraus) um eine bestimmte oder doch bestimmbare Gegenleistung an sich zu lösen (Aufgriffsrecht), vom Inhalt her den erbrechtlichen Zuweisungen vor. Als Bestandteil des über die Gütergemeinschaft errichteten Ehepakts war die Regelung über das (hier schon nach der ausdrücklichen Vereinbarung „vertragsgemäße, daher einseitig unwiderrufliche“) Aufgriffsrecht nur wieder durch Ehepakt abänderbar, keinesfalls aber einseitig widerruflich (6 Ob 12/86 = SZ 59/187; ebenso 6 Ob 11/87; in diesem Sinn auch 1 Ob 619, 620/92; für Verbindlichkeit eines vertraglich begründeten Aufgriffsrechts im Rahmen eines Ehepakts Eccher in Schwimann , ABGB‑TaKom² § 653 ABGB Rz 3).
Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen (6 Ob 12/86 = SZ 59/187; 6 Ob 11/87), dass bei einer Zusammenfassung der Ehepakte über eine Gütergemeinschaft unter Lebenden und über einen Erbvertrag verbunden mit einem wechselseitigen Testament aus demselben Anlass zu einem einheitlichen Gesamtzweck in einem (Notariats‑)Akt im Zweifel ein dem anderen Ehegatten eingeräumtes Aufgriffsrecht als Teilungsvorschrift für die Auseinandersetzung des Gütergemeinschaftsguts verstanden werden muss. Diesen Erwägungen zufolge muss ein im Zusammenhang mit einer Gütergemeinschaft unter Lebenden dem überlebenden Ehegatten zugesichertes Aufgriffsrecht (mangels gegenteiliger Anhaltspunkte) als Anordnung über die gütergemeinschaftliche Auseinandersetzung verstanden werden (vgl 1 Ob 619, 620/92).
Der Beklagte geht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung davon aus, dass die Vereinbarung eines Aufgriffsrechts im Rahmen eines Gütergemeinschaftsvertrags durchaus verbindlichen Charakter hat. Die bereits vom Erstgericht vertretene und von der zweiten Instanz gebilligte Rechtsansicht, dass durch das nachträgliche Testament der Ehefrau das mit Notariatsakt zwischen ihr und dem Kläger vereinbarte einseitig unwiderrufliche Aufgriffsrecht unberührt blieb, ist nicht zu beanstanden. Das im Rahmen der ehegüterrechtlichen Vereinbarung vom 7. 8. 1958 vereinbarte Aufgriffsrecht, wonach der Kläger zum Aufgriff in der Weise berechtigt ist, dass er den Nachlass seiner Ehefrau um den gerichtlichen Schätzwert oder den sonst wie vereinbarten Wert in sein Eigentum übernehmen kann, bezieht sich nur auf die tatsächliche Teilung des Nachlasses. Es handelt sich um eine die Teilung des Gütergemeinschaftsvermögens betreffende Anordnung als Gegenstand des über die Gütergemeinschaft geschlossenen Ehepakts, sodass die Erblasserin ‑ wie dargelegt ‑ diese Regelung nicht wirksam widerrufen konnte. Da hier ein in einem Gütergemeinschaftsvertrag vereinbartes Aufgriffsrecht und nicht ein in einem Erbvertrag eingeräumtes Aufgriffsrecht, das an der zwingenden Vorschrift des § 1253 ABGB zu messen wäre, zu beurteilen ist, braucht auf diese Bestimmung nicht näher eingegangen werden.
2. Eine jeden Zweifel und jede objektive Ungewissheit ausschließende Präzisierung des Klagebegehrens ist nur bei Geldleistungsklagen zu verlangen; bei anderen Klagen ist dem Erfordernis des § 226 ZPO über die Bestimmtheit des Klagebegehrens jedenfalls dann Genüge getan, wenn man unter Berücksichtigung des Sprach‑ und Ortsgebrauchs und nach den Regeln des Verkehrs daraus entnehmen kann, was begehrt ist (RIS‑Justiz RS0037874). Welche Anforderungen an die Konkretisierung zu stellen sind, hängt von den Besonderheiten des anzuwendenden materiellen Rechts und den Umständen des Einzelfalls ab (RIS‑Justiz RS0037874 [T33, T39]). Die Auffassung des Berufungsgerichts, das erste Eventualbegehren, dem stattgegeben wurde, sei ausreichend bestimmt, ist jedenfalls vertretbar, weil der Vorschrift des § 226 ZPO dann entsprochen ist, wenn die eingeklagten Sachen dergestalt beschrieben sind, dass dadurch die Feststellung ihrer Identität ermöglicht wird (vgl RIS‑Justiz RS0010920). Das ist hinsichtlich des Wohnungsinventars durch die Bezugnahme des Urteilsspruchs auf das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen, worin dieses näher angeführt ist, gewährleistet.
3. Das Aufgriffsrecht besteht darin, dass ein Miterbe oder ein Dritter (hier: der Kläger) das letztwillig oder ‑ wie hier ‑ vertraglich eingeräumte Recht hat, den Nachlass (oder Teile davon) gegen Abfindung zu übernehmen (RIS‑Justiz RS0012830). Für die Bewertung wirkt das Aufgriffsrecht nicht auf den Zeitpunkt des Todesfalls zurück, sondern es sind im Fall streitiger Auseinandersetzung die Wertverhältnisse zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung (erster Instanz) zugrunde zu legen (RIS‑Justiz RS0008273).
Die Vorinstanzen bestimmten ausgehend von diesen Grundsätzen den Übernahmepreis, ohne Berücksichtigung des vom Beklagten zur Abgeltung von Pflichtteilsansprüchen an seine Schwester gezahlten Betrags von 2.850 EUR und der von ihm im Verlassenschaftsverfahren entrichteten Gerichtsgebühr von 85 EUR. Deren Rechtsansicht, dass der aufgriffsberechtigte Kläger keinesfalls die Erbenstellung einnehmen sollte und schon daher die den Erben treffenden Verpflichtungen ihm nicht überbunden werden könnten, ist nicht korrekturbedürftig. Warum der Übernahmepreis für die Nachlassaktiva um die Aufwendungen im Verlassenschaftsverfahren und den Pflichtteil erhöht werden sollte, vermag der Beklagte rechtlich nicht zu begründen.
4. Zutreffend gingen die Vorinstanzen davon aus, dass der Kläger in Ausübung seines Aufgriffsrechts nicht nur einen Anspruch auf tatsächliche Übergabe des Hälfteanteils an den drei Liegenschaften hat, sondern auch die Einwilligung in die Einverleibung seines Eigentumsrechts auf den nunmehrigen Liegenschaftsanteilen des Beklagten begehren kann. Die Übernahme der vormaligen Miteigentumsanteile der Erblasserin an diesen Liegenschaften „in natura“ umfasst auch die Einverleibung des Miteigentumsrechts des Klägers im Grundbuch.
5. Insgesamt wird in der außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)