OGH 1Ob234/13p

OGH1Ob234/13p23.1.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache der Antragstellerin A***** W*****, vertreten durch Forcher‑Mayr, Kantner & Ruetz Rechtsanwälte‑Partnerschaft in Innsbruck, gegen den Antragsgegner Dr. W***** O*****, als Masseverwalter im Konkursverfahren über das Vermögen des Ing. U***** W*****, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den ordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin und den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 23. Oktober 2013, GZ 54 R 106/13d‑130, mit dem der Rekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 22. August 2013, GZ 4 C 57/06g‑124, zurückgewiesen und dem Rekurs der Antragstellerin gegen diesen Beschluss in der Hauptsache nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0010OB00234.13P.0123.000

 

Spruch:

1. Die Revisionsrekursbeantwortung des Schuldners Ing. U***** W*****, vertreten durch Dr. Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wird zurückgewiesen.

2. Der Revisionsrekurs des Antragsgegners wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

3. Dem Revisionsrekurs der Antragstellerin wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden in Ansehung der Abweisung des Aufteilungsantrags ersatzlos aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekurses der Antragstellerin und der Revisionsrekursbeantwortung des Antragsgegners sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit der am 29. 4. 2003 eingebrachten Klage begehrte die Antragstellerin die Scheidung ihrer Ehe nach § 49 EheG aus dem alleinigen Verschulden des Ehemannes. Dieser brachte am 25. 6. 2003 eine Widerklage ein, mit der er die Scheidung der Ehe nach § 49 EheG aus dem alleinigen Verschulden der Ehefrau begehrte. Hilfsweise stützte er seine Klage auf § 55 EheG. Beide Verfahren wurden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Das Erstgericht schied mit Teilurteil vom 10. 2. 2005 die Ehe der Streitteile gemäß § 49 EheG aus dem alleinigen Verschulden des Ehemannes. Dieses Teilurteil wurde den Parteien am 1. 4. 2005 zugestellt. In seiner Berufung bekämpfte der Ehemann das Teilurteil in seinem gesamten Umfang mit dem Abänderungsantrag, die Ehe aus dem alleinigen Verschulden der Ehefrau zu scheiden, hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt. Das Landesgericht Innsbruck gab seiner Berufung mit Teilurteil vom 26. 1. 2006 nicht Folge.

Am 2. 8. 2006 brachte die Antragstellerin beim Erstgericht den Antrag auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach den §§ 81 ff EheG ein. Am 23. 7. 2010 wurde über das Vermögen des geschiedenen Ehemannes der Konkurs eröffnet. Das Aufteilungsverfahren wurde als Prüfungsprozess fortgesetzt. Das Landesgericht Innsbruck berichtigte mit Beschluss vom 2. 2. 2012, GZ 54 R 143/11t‑94, die Parteibezeichnung des Antragsgegners auf den im Konkursverfahren bestellten Masseverwalter.

Das Erstgericht wies den Aufteilungsantrag der Antragstellerin als verfristet ab. Mangels Anfechtung des Ausspruchs der Scheidung mit Teilurteil vom 10. 2. 2005 sei die Ehe formell rechtskräftig mit 30. 4. 2005 geschieden worden. Der Antrag auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse sei erst am 2. 8. 2006 und somit außerhalb der einjährigen Frist des § 95 EheG eingebracht worden.

Gegen diesen Beschluss erhoben sowohl die Antragstellerin als auch der Masseverwalter als Antragsgegner jeweils Rekurs.

Das Rekursgericht wies den Rekurs des Antragsgegners zurück und gab dem Rekurs der Antragstellerin nur im Kostenpunkt Folge. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der Revisionsrekurs nur gegen die Entscheidung über den Rekurs der Antragstellerin zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Rekursbeantwortung des Schuldners ist unzulässig.

Das im Jahr 2006 eingeleitete Aufteilungsverfahren wurde durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des geschiedenen Ehemannes am 23. 7. 2010 unterbrochen (§ 7 Abs 1, § 8a IO iVm § 25 Abs 1 Z 4 AußStrG; RIS‑Justiz RS0057570) und als Prüfungsverfahren iSd § 110 Abs 3 IO gegen den Masseverwalter als Antragsgegner fortgesetzt. Auch in diesem außerstreitigen Prüfungsprozess ist der Schuldner nicht Partei (vgl Konecny in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze, § 110 KO Rz 61 iVm Rz 11; vgl zur fehlenden Parteistellung des Schuldners im Passivprozess: 5 Ob 340/65 = SZ 39/60 = RIS‑Justiz RS0065605), weshalb seine Revisionsrekursbeantwortung zurückzuweisen ist.

2. Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig und berechtigt, weil das Rekursgericht die Rechtslage verkannt hat.

Nach § 95 EheG erlischt der Anspruch auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, wenn er nicht binnen einem Jahr nach Eintritt der Rechtskraft der Scheidung geltend gemacht wird. Unter Rechtskraft ist die formelle Rechtskraft nach § 411 ZPO zu verstehen (RIS‑Justiz RS0041294). Entscheidend ist also, ab welchem Zeitpunkt der Scheidungsausspruch selbst für die Parteien unabänderlich war, wogegen es nach der ständigen Rechtsprechung nicht darauf ankommt, ob die (endgültige) Entscheidung über die Verschuldensfrage noch aussteht, sofern beide Parteien den auf einen bestimmten Tatbestand gestützten Scheidungsausspruch selbst nicht bekämpfen (1 Ob 207/13t mwN).

Werden (wie in diesem Fall) jeweils eine auf Scheidung der Ehe wegen § 49 EheG gerichtete Klage und Widerklage erhoben, kann der Ausspruch über die Scheidung der Ehe in einem Teilurteil nur dann in Rechtskraft erwachsen, wenn das Verschulden eines der Streitteile wenigstens teilweise rechtskräftig festgestellt wurde (7 Ob 211/06i ua; RIS‑Justiz RS0056846). Im vorliegenden Fall hat der Beklagte in seiner Berufung gegen das Teilurteil des Erstgerichts über die Scheidung der Ehe aus seinem alleinigen Verschulden das gegenteilige Ergebnis, nämlich die Scheidung aus alleinigem Verschulden der Ehefrau und Klägerin angestrebt. Sein Rechtsmittel war nach den für den Eintritt einer Teilrechtskraft maßgeblichen objektiven Auslegungskriterien (RIS-Justiz RS0036653) auf die Abweisung der Scheidungsklage der Ehefrau nach § 49 EheG und Stattgebung der auf dieselbe Bestimmung gestützten Widerklage gerichtet. Damit stand sein Verschulden, das Voraussetzung für die Stattgebung der Ehescheidungsklage der Frau war, erst mit der Rechtskraft des Teilurteils des Berufungsgerichts vom 26. 1. 2006, das die ausgesprochene Scheidung aus dem Alleinverschulden des Mannes bestätigte, fest. Die einjährige Frist des § 95 EheG begann daher erst mit der Rechtskraft dieser Entscheidung zu laufen und war zum Zeitpunkt der Einbringung des Aufteilungsantrags am 2. 8. 2006 noch offen.

Die Abweisung des Aufteilungsantrags wegen Verfristung erweist sich demnach als verfehlt, weshalb dem Erstgericht die Fortsetzung des Aufteilungsverfahrens aufzutragen ist.

Der Kostenvorbehalt gründet sich jeweils auf § 78 Abs 1 zweiter Satz AußStrG.

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