OGH 15Os173/13z

OGH15Os173/13z22.1.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Jänner 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Dr. Michel‑Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ent als Schriftführer in der Strafsache gegen Dragan I***** wegen des Verdachts des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB, AZ 16 Hv 43/12w des Landesgerichts Krems an der Donau, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des genannten Gerichts vom 10. September 2013 (ON 69 der Hv‑Akten) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Höpler, und des Privatbeteiligtenvertreters Dr. Hauser zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Im Verfahren AZ 16 Hv 43/12w des Landesgerichts Krems an der Donau verletzt der schuldig sprechende Teil des Urteils vom 10. September 2013 § 57 Abs 2, Abs 3 letzter Fall StGB.

Das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in seinem schuldig sprechenden Teil, demzufolge im Strafausspruch, im Zuspruch an die Privatbeteiligte sowie in der Kostenentscheidung aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Dragan I***** wird von dem wider ihn erhobenen Vorwurf, er habe am 2. April 2010 in H***** und anderen Orten gewerbsmäßig Altkleider Verantwortlichen der Ö***** GmbH mit dem Vorsatz weggenommen, sich und Dritte durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Die Privatbeteiligte Ö***** GmbH wird gemäß § 366 Abs 1 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Text

Gründe:

Dragan I***** stand aufgrund einer Anzeige der Bundespolizeiinspektion H***** im Verdacht, in H***** zumindest zwischen 2. April 2009 und 2. April 2010 in wiederholten Angriffen Altkleider im Gesamtwert von ca 38.000 Euro zum Nachteil der Ö***** GmbH gestohlen zu haben (ON 2).

Mit Verfügung vom 7. Juni 2010 stellte die Staatsanwaltschaft Krems an der Donau das wegen des Verdachts des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 130 erster Fall, 15 StGB geführte Ermittlungsverfahren gemäß § 190 Z 2 StPO ein (ON 1 S 1).

In Stattgebung eines Antrags auf Fortführung des Ermittlungsverfahrens durch das geschädigte Unternehmen (ON 3) ordnete das Landesgericht Krems an der Donau mit Beschluss vom 28. Dezember 2010, AZ 34 Bl 33/10w, die Fortführung des Ermittlungsverfahrens an (ON 6).

Nach Vernehmung mehrerer mit Verfügung vom 21. Jänner 2011 geladener Zeugen und des Angeklagten (ON 9 bis 13) stellte die Staatsanwaltschaft am 17. Februar 2011 das Ermittlungsverfahren gegen Dragan I***** hinsichtlich der diesem vor dem 2. April 2010 zur Last liegenden Diebstähle gemäß § 190 Z 2 StPO und hinsichtlich des Verdachts des am 2. April 2010 begangenen Diebstahls gemäß § 191 Abs 1 StPO ein (ON 1 S 5).

Neuerlich in Stattgebung eines Antrags auf Fortführung des Ermittlungsverfahrens der Ö***** GmbH (ON 18) ordnete das Landesgericht Krems an der Donau mit Beschluss vom 9. August 2011, AZ 34 Bl 16/11x, die Fortführung des Ermittlungsverfahrens an (ON 20).

Nach am 1. September 2011 verfügter Ladung von Zeugen (ON 1 S 7), die am 19. September 2011 (ON 22, 23) und am 22. September 2011 (ON 27) vernommen wurden, erhob die Staatsanwaltschaft am 6. Oktober 2011 Strafantrag gegen Dragan I***** wegen des Verdachts des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 130 erster Fall StGB (ON 29).

Mit aufgrund allseitigen Rechtsmittelverzichts am selben Tag rechtskräftigem, gekürzt ausgefertigtem Urteil sprach die Einzelrichterin des Landesgerichts Krems an der Donau am 2. März 2012 nach Anklageausdehnung ihre sachliche Unzuständigkeit aus (GZ 35 Hv 67/11p‑41), woraufhin die Staatsanwaltschaft am 2. Mai 2012 eine Anklageschrift gegen Dragan I***** wegen des Verdachts des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 130 erster Fall StGB einbrachte (ON 47; ON 1 S 19).

In der am 10. September 2013 durch das Landesgericht Krems an der Donau als Schöffengericht durchgeführten Hauptverhandlung wurde der Angeklagte Dragan I***** des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB schuldig erkannt. Danach hat er am 2. April 2010 in A*****, V***** und W***** fremde bewegliche Sachen, nämlich 1.200 kg Altkleider im Wert von 0,29 Euro/kg, sohin insgesamt im Wert von 348 Euro, Verantwortlichen der Ö***** GmbH mit dem Vorsatz weggenommen, die D***** GmbH durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern. Von den weiteren gegen ihn erhobenen Vorwürfen wurde er gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Das Urteil erwuchs aufgrund allseitigen Rechtsmittelverzichts in Rechtskraft (GZ 16 Hv 43/12w‑69).

Rechtliche Beurteilung

Im Verfahren AZ 16 Hv 43/12w des Landesgerichts Krems an der Donau wurde ‑ wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt ‑ das Gesetz verletzt:

Nach § 57 Abs 2 StGB erlischt die Strafbarkeit von Taten, die weder mit lebenslanger Freiheitsstrafe noch mit Freiheitsstrafe von 10 bis 20 Jahren oder lebenslänglicher Freiheitsstrafe bedroht sind, durch Verjährung. Die Verjährungsfrist beginnt, sobald die mit Strafe bedrohte Tätigkeit abgeschlossen ist oder das mit Strafe bedrohte Verhalten aufhört.

Für die gegenständliche zur Verurteilung gelangte, mit sechsmonatiger Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bedrohte strafbare Handlung beträgt die Verjährungsfrist nach § 57 Abs 3 letzter Fall StGB ein Jahr.

In diese Verjährungsfrist sind unter anderem die in § 58 Abs 3 Z 2 StGB angeführten Hemmungszeiträume nicht einzurechnen (Marek in WK² StGB § 58 Rz 21e, 22).

Anträge auf Fortführung des Ermittlungsverfahrens (12 Os 37/11z) sowie die einem Fortführungsantrag stattgebende Entscheidung des Gerichts üben keinen Einfluss auf den Fortlauf der Verjährungsfrist aus (15 Os 80/09t, EvBl-LS 2009/147, 875). Dieser wird erst wieder durch die Anordnung der Staatsanwaltschaft, das Ermittlungsverfahren fortzuführen (Marek in WK² StGB § 58 Rz 24; RIS‑Justiz RS0124802), oder durch dessen faktische Fortführung gehemmt.

Mit Blick auf die Beendigung der zur Verurteilung gelangten Tat vom 2. April 2010 und das im Abschlussbericht (ON 2 S 23) erwähnte „Vernehmungsprotokoll I***** vom 2. April 2010“ hat die Verjährungsfrist vorerst nicht zu laufen begonnen bzw wurde ‑ unterstellt man der Vernehmung vom 2. April 2010 nicht die Qualität einer solchen gemäß § 151 Z 2 StPO ‑ spätestens durch die niederschriftliche Beschuldigtenvernehmung vom 6. April 2010 (ON 2 S 43 ff), sohin nach einer (hier nicht entscheidungswesentlichen) Dauer von drei Tagen, im Fortlauf gehemmt.

Da die in die Verjährungsfrist jedenfalls einzurechnenden, zwischen der Einstellung des Ermittlungsverfahrens am 7. Juni 2010 und dessen Fortführung durch Ladung von Zeugen und des Beschuldigten am 21. Jänner 2011 sowie zwischen der weiteren Einstellung am 17. Februar 2011 und der neuen Fortführung durch Zeugenladungen am 1. September 2011 liegenden Zeiträume sich über knapp vierzehn Monate erstrecken, war die Strafbarkeit der dem Schuldspruch vom 10. September 2013 wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB zugrunde liegenden Tat nach § 57 Abs 2, Abs 3 letzter Fall StGB bereits verjährt. Der gekürzten Urteilsausfertigung sind weder (auch nur schlagwortartige) Feststellungen zur nach dem Akteninhalt im Urteilszeitpunkt bereits eingetretenen Verjährung, noch Konstatierungen zu entnehmen, die dem Ablauf der Verjährungsfrist entgegenstünden (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 602; RIS‑Justiz RS0091794).

Der Oberste Gerichtshof sah sich daher veranlasst, das dem Verurteilten zum Nachteil gereichende Urteil aufzuheben.

Da die Frage der Verjährung kein prozessuales Verfolgungshindernis betrifft, sondern einen materiellen Strafaufhebungsgrund (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 619 ff; Marek in WK² StGB Vorbem §§ 57-60 Rz 1), schiede eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in der Sache selbst bei nicht ausreichender Feststellungsbasis an sich aus. Weil jedoch nach der Aktenlage ‑ auch mit Blick auf die Strafregisterauskunft und auf das Register Verfahrensautomation Justiz ‑ in einem weiteren Rechtsgang der Verjährung entgegenstehende Konstatierungen nicht zu erwarten sind, war aus prozessökonomischen Erwägungen in der Sache selbst zu entscheiden (vgl Ratz, WK‑StPO § 288 Rz 24; RIS‑Justiz RS0118545) und mit Freispruch vorzugehen (vgl RIS‑Justiz RS0100178).

Die vom Urteil im kassierten Umfang rechtslogisch abhängigen Verfügungen gelten damit gleichermaßen als beseitigt (RIS‑JustizRS0100444).

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