OGH 4Ob153/13y

OGH4Ob153/13y17.12.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Salomonovitz Horak Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. W***** Ltd, 2. N***** Ltd, beide *****, beide vertreten durch Gassauer-Fleissner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren: 31.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 29. Juli 2013, GZ 5 R 79/13v‑21, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0040OB00153.13Y.1217.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Parteien bieten Halterungen für Werbeträger auf Zapfhähnen von Tankstellen an. Ihre Kunden sind Tankstellenbetreiber und Mineralölfirmen. Die in Deutschland ansässige Klägerin hat in Österreich einen Marktanteil von zumindest 70 % und ist bei praktisch allen Angehörigen dieser Gruppen bekannt. Ihr einziger Mitbewerber auf dem österreichischen Markt ist das Unternehmen der in Großbritannien ansässigen Beklagten. Die Geschäftsmodelle der Parteien unterscheiden sich allerdings: Die Klägerin überlässt die Halterungen gegen laufendes Entgelt und übernimmt, wenn vereinbart, auch die Akquisition der Werbekunden und die Gestaltung der Werbung. Die Beklagten beschränken sich demgegenüber auf den Verkauf der Halterungen.

Die Klägerin beanstandet mehrere Aussagen auf der Website der Beklagten. Diese Website ist in englischer Sprache gehalten und wird unter der Top-level-Domain „.uk“ betrieben; eine deutschsprachige Version gibt es nicht. Auf der Website wird ausgeführt, dass die Beklagten auch nach Österreich liefern; tatsächlich sind sie hier Vertragspartner von zwei (kleineren) Mineralölfirmen. Die Website der Beklagten scheint bei entsprechenden deutschsprachigen Eingaben in Suchmaschinen an vorderer Stelle auf und wird nach den Feststellungen des Erstgerichts auch von österreichischen Interessenten zur ersten Information über die Beklagten und deren Produkt verwendet.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Das Rekursgericht nahm zwar an, dass sich die Website der Beklagten auch an Kunden in Österreich richte, deren Information dienen solle und von ihnen genutzt werde. Dennoch wies es den Sicherungsantrag ab, weil damit „nicht zwingend bescheinigt“ sei, dass ein relevanter Inlandsbezug vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin zeigt in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs zutreffend auf, dass diese Annahme des Rekursgerichts auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts unvertretbar ist. Allerdings führt das aus folgenden Gründen nicht zum Erfolg:

1. Die Klägerin wendet sich im Sicherungsbegehren gegen „unzulässige irreführende und/oder unzulässige vergleichende Werbeaussagen“, die durch drei „insbesondere“ genannte Formulierungen konkretisiert werden. Dieses Begehren richtet sich daher nach seinem Wortlaut nur gegen unlauteres Verhalten im Sinn des UWG. Zwar stützt sich die Klägerin in der Klage auch auf markenrechtliche Grundlagen; dies findet jedoch im konkreten Begehren keine Deckung, weil sich dessen Obersatz nicht darauf bezieht. Eine Erörterung des Parteivorbringens, um dem Antragsteller die Möglichkeit zu geben, sein Vorbringen zu ergänzen, kommt im Verfahren zur Erlassung von einstweiligen Verfügungen nicht in Betracht (RIS-Justiz RS0005452 [T11]). Markenrechtliche Ansprüche sind daher nicht zu prüfen.

2. Ein allgemeines Verbot im Sinn des Obersatzes („unzulässige irreführende und/oder unzulässige vergleichende Werbeaussagen“) kommt von vornherein nicht in Betracht, weil den Beklagten nicht ganz allgemein aufgetragen werden kann, sich nicht rechtswidrig zu verhalten (RIS-Justiz RS0119807 [T2, T3]; zuletzt etwa 17 Ob 1/10m mwN). Wenn überhaupt, wäre daher nur eine einstweilige Verfügung in Bezug auf die drei „insbesondere“ genannten Formulierungen möglich. Auch insofern dringt die Klägerin aber nicht durch.

2.1. Den Beklagten soll zunächst eine „Bezugnahme“ auf „Kennzeichen“ der Klägerin, insbesondere auf deren mit ihrem Firmenschlagwort übereinstimmende Wortmarke „A*****“, verboten werden. Die konkret beanstandete Passage lautet dabei wie folgt: „... N***** [Firmenschlagwort der Beklagten] offers a viable alternative to the A***** [Firmenschlagwort und Marke der Klägerin] proposition.“

Die Ausrichtung der Werbung auch auf Österreich führt zunächst zur Anwendbarkeit österreichischen Rechts (4 Ob 29/13p - Versandapotheke für Österreich). Wegen der Bezugnahme auf den Mitbewerber liegt eine vergleichende Werbung vor. Diese ist nach § 2a UWG zulässig, wenn sie nicht gegen die §§ 1, 1a, 2, 7 oder 9 Abs 1 bis 3 UWG verstößt. Die beanstandete Formulierung ist weder aggressiv (§ 1a UWG) noch irreführend (§ 2 UWG), sie setzt die Klägerin nicht herab (§ 7 UWG) und ruft auch keine Verwechslungsgefahr hervor (§ 9 UWG). Damit bleibt allgemeine Unlauterkeit iSv § 1 UWG. Eine solche könnte nur darin liegen, dass die Beklagten den guten Ruf oder die Unterscheidungskraft des Kennzeichens der Klägerin ausnutzen; insofern laufen Marken- und Lauterkeitsrecht ohnehin parallel (Art 4 lit f RL 2006/114/EG ; vgl dazu 17 Ob 2/11k - Velux, und 17 Ob 19/11k - Oral-B).

Eine solche Ruf- oder Aufmerksamkeitsausnutzung liegt aber unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falls nicht vor: Die sehr engen angesprochenen Kreise sind unternehmerisch tätig und kennen das Produkt und die Kennzeichen der Klägerin; ihre weit überwiegende Mehrheit nutzt es. Nehmen sie die beanstandete Werbung wahr, die sich auf ein alternatives System der ihnen bekannten Zapfhahnwerbung bezieht, so werden sie wegen der insofern marktbeherrschenden Stellung der Klägerin von selbst eine gedankliche Verbindung mit deren Produkt und Kennzeichen herstellen. Dass die Beklagten dieses Kennzeichen im Fließtext der Website - ohne besondere Hervorhebung - dann auch ausdrücklich nennen statt abstrakt vom (ohnehin einzigen) „Mitbewerber“ zu sprechen, wirkt sich daher im konkreten Fall nicht auf die Aufmerksamkeit aus, die die angesprochenen Kreise der Werbung entgegenbringen. Eine mit 17 Ob 2/11k (- Velux) vergleichbare unlautere Ausbeutung der Unterscheidungskraft liegt daher nicht vor. Auch ein Anhängen an die der Marke der Klägerin entgegengebrachte Wertschätzung ist nicht erkennbar, stellen sich die Beklagten doch schlicht als Alternative zum Geschäftsmodell der Klägerin dar. Der bloßen Nennung des Kennzeichens fehlt auf dieser Grundlage die Eignung, den Wettbewerb zu Lasten eines Mitbewerbers (hier der Klägerin) nicht bloß unerheblich zu beeinflussen (§ 1 Abs 1 Z 1 UWG) oder das Verhalten eines durchschnittlichen Angehörigen der Marktgegenseite wesentlich zu beeinflussen (§ 1 Abs 1 Z 2 UWG).

2.2. Den Beklagten soll weiters untersagt werden, die Werbeträger der Beklagten als „Alternative“ zum Angebot der Klägerin darzustellen. Diese Aussage ist aber als solche nicht irreführend, weil das System der Beklagten tatsächlich eine (genauer: die einzige) Alternative zum Geschäftsmodell der Klägerin ist. Zwar wird dieses Modell auf der Website nicht näher dargestellt. Nach den Feststellungen ist es aber ohnehin praktisch allen Angehörigen der angesprochenen Kreise bekannt. Unter diesen besonderen Umständen liegt auch in der Bezeichnung als „Alternative“ keine - durch Rückgriff auf die RL 2006/114/EG zu konkretisierende - Unlauterkeit iSv § 2a iVm § 1 Abs 1 UWG.

2.3. Zuletzt beanstandet die Klägerin, dass die Beklagten ihr Produkt auf der englischsprachigen Website als „unique“ bezeichnen. Damit behaupteten sie eine nicht vorhandene Spitzenstellung. Ein solches Verständnis kann den (engen) angesprochenen Kreisen aber ebenfalls nicht unterstellt werden. Da diese das Produkt der Klägerin kennen, wissen sie auch, dass jenes der Beklagten weder das „einzige“ auf dem Markt noch „einzigartig“ im Sinn einer von keinem anderen System gewährleisteten Funktionalität ist. Vielmehr werden sie die beanstandete Formulierung im konkreten Zusammenhang als subjektive Bewertung oder marktschreierische Anpreisung verstehen (vgl dazu Anderl/Appl in Wiebe/G. Kodek, UWG2 [2012] § 2 Rz 127 ff mwN), etwa im Sinn von „

particularly remarkable“ oder „special“. Auch diese Bedeutungen werden in einem Standardwörterbuch für „unique“ genannt (www.oxforddictionaries.com); im konkreten Zusammenhang sind sie zwingend. Eine allenfalls irreführende Mehrdeutigkeit liegt daher - anders als in 4 Ob 185/04s („einzigartig“) - unter Bedachtnahme auf die angesprochenen Fachkreise nicht vor.

3. All diese Erwägungen beruhen im hohen Maß auf den besonderen Umständen des Einzelfalls. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO liegt aus diesem Grund nicht vor. Der außerordentliche Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.

4. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass im Hauptverfahren eine Erörterung des Klagebegehrens erforderlich sein wird. Soweit die Klägerin auch ein markenrechtliches Begehren erhebt, wird wegen der dann anwendbaren Gemeinschaftsmarkenverordnung (VO [EG] 207/2009, GMV) bei der Zuständigkeitsprüfung auf die zu erwartende Vorabentscheidung in der Rechtssache C‑360/12 Bedacht zu nehmen sein.

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