OGH 8Ob127/13d

OGH8Ob127/13d17.12.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der wiederaufnahmsklagenden Partei Dr. G***** F*****, vertreten durch Mag. Alexandra Schwarz, Rechtsanwältin in Wien, diese vertreten durch Mag. Dr. Christian Gepart, Rechtsanwalt in Wien, gegen die wiederaufnahmsbeklagte Partei F***** Familienstiftung, *****, vertreten durch Dr. Maximilian Schaffgotsch, Rechtsanwalt in Wien, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens zu AZ 45 C ***** des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der wiederaufnahms-klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 16. Oktober 2013, GZ 39 R 136/13h‑21, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0080OB00127.13D.1217.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Begründung

Im Ausgangsverfahren zu AZ 45 C ***** des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien (39 R ***** des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien; 8 Ob 23/11g) wurde die (unter anderem) gegen die Wiederaufnahmsklägerin (als Erstbeklagte im Ausgangsverfahren) erhobene gerichtliche Aufkündigung wegen unleidlichen Verhaltens für rechtswirksam erklärt und die Wiederaufnahmsklägerin rechtskräftig zur Räumung der betreffenden Mietwohnung samt Fahrnissen verpflichtet.

Mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 29. 9. 2011, 8 Ob 89/11p, wurde die auf den Nichtigkeitsgrund des § 529 Abs 1 Z 2 ZPO gestützte Nichtigkeitsklage der Gekündigten zurückgewiesen.

Mit der im vorliegenden Verfahren eingebrachten Wiederaufnahmsklage begehrte die Gekündigte die Wiederaufnahme des Verfahrens zu 45 C ***** des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien sowie die Aufhebung der gerichtlichen Entscheidungen im Ausgangsverfahren und die Abweisung des Räumungsbegehrens. Sie habe erfahren, dass der Rechtsvertreter der wiederaufnahmsbeklagten Partei im Ausgangsverfahren von dieser (als kündigende Partei) nicht bevollmächtigt gewesen sei. Zudem bestehe der Verdacht, dass die Entscheidung im Ausgangsverfahren auf falschen bzw verfälschten Urkunden sowie auf einer falschen Zeugenaussage beruhe und daher durch gerichtlich strafbare Handlungen erwirkt worden sei.

Mit Beschluss vom 15. 3. 2012 veranlasste das Erstgericht aufgrund der Wiederaufnahmsklage die Einleitung eines Strafverfahrens über die der Wiederaufnahmsklage zugrunde liegenden behaupteten strafbaren Handlungen. Mit Note vom 8. 2. 2013 gab die Staatsanwaltschaft Wien zu 6 St ***** bekannt, dass die eingeleiteten Strafverfahren gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt wurden. Dazu wurde ausgeführt, dass der Vorwurf der falschen Zeugenaussage entkräftet worden sei und hinsichtlich der übrigen Vorwürfe keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte vorliegen würden.

Mit Beschluss vom 22. 3. 2013 wies das Erstgericht die Wiederaufnahmsklage als für die mündliche Verhandlung ungeeignet und unzulässig zurück. Zu den Wiederaufnahmsgründen des § 530 Abs 1 Z 1 bis 3 ZPO sei das eingeleitete Strafverfahren eingestellt worden. Zum Wiederaufnahmsgrund der Z 7 leg cit könne die behauptete mangelnde Bevollmächtigung des Vertreters der kündigenden Partei keine für die Wiederaufnahmsklägerin günstigere Entscheidung bewirken, weil in der neuerlichen Beauftragung und Bevollmächtigung desselben Rechtsvertreters durch die Wiederaufnahmsbeklagte eine nachträgliche Genehmigung der Prozessführung im Ausgangsprozess zu sehen sei.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Die strafrechtlichen Vorwürfe seien nicht neuerlich durch das Zivilgericht zu überprüfen. Das Erstgericht sei auch keineswegs gehalten gewesen, auf die Fortsetzung der strafrechtlichen Ermittlungen zu drängen. Der ordentliche Revisionsrekurs sei mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Wiederaufnahmsklägerin, der darauf abzielt, die Wiederaufnahmsklage zuzulassen.

Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:

Rechtliche Beurteilung

1. Die behaupteten Verfahrensmängel liegen ‑ wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat ‑ nicht vor.

2. Gemäß § 538 Abs 1 ZPO ist die Nichtigkeitsklage bzw die Wiederaufnahmsklage ohne Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung bereits im Vorprüfungsverfahren zurückzuweisen, wenn kein tauglicher Anfechtungsgrund geltend gemacht wird oder ein Zurückweisungsgrund vorliegt. Letzteres ist auch dann der Fall, wenn die Beschwer des Rechtsmittelklägers fehlt oder die Rechtsmittelklage nicht rechtzeitig erhoben wurde.

Die Wiederaufnahmsklägerin wurde schon in der Entscheidung 8 Ob 89/11p darauf hingewiesen, dass zur Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes nach § 529 Abs 1 Z 2 ZPO grundsätzlich nur jene Partei berechtigt ist, auf deren Seite einer der in der genannten Gesetzesstelle bezeichneten Mängel vorgelegen war (RIS‑Justiz RS0044428). Der im Vorprozess Unterlegene hat daher dann kein Klagerecht, wenn er vom Rechtsmittelgrund nicht betroffen ist. Dies gilt etwa für die Prozessunfähigkeit der Gegenpartei oder für den Fall, dass der Rechtsvertreter der Gegenpartei zur Prozessführung nicht bevollmächtigt und die Gegenpartei daher nicht ordnungsgemäß vertreten war.

Diese Beurteilung gilt gleichermaßen für eine Wiederaufnahmsklage nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO, die (wie hier) auf einen Vollmachtsmangel gestützt wird. Auf die wiederholt aufgestellte Behauptung, der Rechtsvertreter der hier Wiederaufnahmsbeklagten sei von der kündigenden Partei im Ausgangsverfahren nicht bevollmächtigt gewesen, kann sich die Wiederaufnahmsklägerin somit nicht berufen. Außerdem hat die Wiederaufnahmsbeklagte schon im Ausgangsverfahren (mit Schreiben vom 14. 2. 2011) mitgeteilt, dass ihr Rechtsvertreter zur Führung des Verfahrens bevollmächtigt gewesen sei. Damit hat die Wiederaufnahmsbeklagte der Prozessführung durch ihren Rechtsvertreter jedenfalls zugestimmt.

3. Soweit die Wiederaufnahmsklägerin die Ansicht vertritt, das zu 6 St ***** der Staatsanwaltschaft Wien geführte Strafverfahren sei zu Unrecht eingestellt worden, ist sie darauf hinzuweisen, dass für eine Qualifikation als „strafrechtlicher“ Wiederaufnahmsgrund (§ 530 Abs 1 Z 1 bis 4 ZPO) gemäß § 539 ZPO grundsätzlich ein rechtskräftiges verurteilendes Straferkenntnis über die als Wiederaufnahmsgrund behauptete strafbare Handlung vorliegen muss (RIS‑Justiz RS0044625; Jelinek in Fasching/Konecny ² § 539 ZPO Rz 11). Im Fall eines Freispruchs oder einer Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft nach § 190 StPO (früher Zurücklegung der Anzeige) ist die Wiederaufnahmsklage nur dann nicht zurückzuweisen, wenn die Beendigung des Strafverfahrens aus anderen Gründen als mangels Tatbestands oder aus Mangel an Beweisen erfolgt ist (vgl RIS‑Justiz RS0044634; Jelinek § 539 ZPO Rz 15, 20 und 25).

Im vorliegenden Fall liegt eine strafgerichtliche Verurteilung gerade nicht vor. Die Einstellung des Strafverfahrens erfolgte aufgrund der Entkräftung der Vorwürfe sowie mangels hinreichender Anhaltspunkte für deren Stichhaltigkeit.

4. Zur Frage der Bevollmächtigung des Rechtsvertreters der Wiederaufnahmsbeklagten im Ausgangsverfahren erweist sich die Wiederaufnahmsklage somit als unzulässig; im Übrigen zeigt die Wiederaufnahmsklägerin keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte