OGH 12Os142/13v

OGH12Os142/13v12.12.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Dezember 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Sol und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Vasak als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Martin G***** wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur gegen den Vorgang der Fällung eines Unzuständigkeitsurteils am 15. Jänner 2013, GZ 7 U 353/11g-21, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Leitner, sowie der Privatanklagevertreterin Mag. Tesch zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der am 15. Jänner 2013 in der Hauptverhandlung in Urteilsform ergangene Ausspruch des Bezirksgerichts Leopoldstadt, wonach es örtlich unzuständig sei, verletzt das Gesetz in §§ 36 Abs 3 erster und zweiter Satz, 38 letzter Satz StPO.

Das „Unzuständigkeitsurteil“ des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 15. Jänner 2013, GZ 7 U 353/11g-21, wird aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Leopoldstadt verwiesen.

Text

Gründe:

Aufgrund der am 8. August 2011 von Matthias H***** erhobenen Privatanklage (ON 2) wurde beim Bezirksgericht Laa an der Thaya zu AZ 6 U 20/11w ein Strafverfahren gegen Martin G***** wegen der Vergehen der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 StGB und der Beleidigung nach § 115 Abs 1 StGB geführt. Gegenstand des Verfahrens war ein an den Ankläger, die Bezirkshauptmannschaft M***** sowie das Gemeindeamt U***** gerichtetes und mehreren Personen zur Kenntnis gelangtes Schreiben des Angeklagten vom 11. Mai 2011, in dem dieser dem Bürgermeister der Gemeinde U***** Matthias H***** vorwarf, „wissentlich unrichtige Behauptungen mit Fotos zu dokumentieren“, und ihn als „Blutzer“ bezeichnete, der sich selbstherrlich und „vollkommen rechtswidrig verhalten“ habe.

Mit Beschluss vom 14. November 2011 überwies das Bezirksgericht Laa an der Thaya das Verfahren an das örtlich zuständige Bezirksgericht Leopoldstadt mit der Begründung, bei der Vorlage des verfahrensgegenständlichen Schreibens in der Hauptverhandlung habe sich herausgestellt, dass dieses in 1020 Wien verfasst, dort zur Post gegeben und zusätzlich vom Postamt 1020 Wien per Fax übermittelt worden war (ON 6).

Mit „Urteil“ vom 15. Jänner 2013 sprach das Bezirksgericht Leopoldstadt zu AZ 7 U 353/11g seine örtliche Unzuständigkeit aus und befand das Bezirksgericht Mistelbach für örtlich zuständig (ON 20 und 21), dessen Sprengel seit 1. Jänner 2013 auch die zuvor dem Sprengel des Bezirksgerichts Laa an der Thaya zugehörige Gemeinde U***** umfasst (§ 1 Abs 1 Z 4 und § 2 Z 13 Bezirksgerichte-Verordnung Niederösterreich 2012, BGBl II 2012/204). Zur Begründung führte es aus, dass sich die örtliche Zuständigkeit für das Erfolgsdelikt des § 111 Abs 1 StGB nach dem Ort des Erfolgseintritts richte. Das Bezirksgericht Laa an der Thaya habe zwar festgestellt, dass das inkriminierte Schreiben in 1020 Wien geschrieben und zur Post gegeben worden sei, der Erfolg des an die Bezirkshauptmannschaft M***** und das Gemeindeamt U***** gerichteten Schreibens sei jedoch im Sprengel des Bezirksgerichts Mistelbach eingetreten, sodass dieses örtlich zuständig sei (ON 21 S 2).

Diese Vorgangsweise des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 15. Jänner 2013, steht - wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht in Einklang:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 36 Abs 3 erster Satz StPO ist für das Hauptverfahren primär das Gericht zuständig, in dessen Sprengel die Straftat ausgeführt wurde oder ausgeführt werden sollte. Liegt dieser Ort im Ausland oder kann er nicht festgestellt werden, so ist jener Ort maßgebend, an dem der Erfolg eingetreten ist oder eintreten hätte sollen (§ 36 Abs 3 zweiter Satz StPO). Nach dieser - durch Subsidiarität gekennzeichneten - Zuständigkeitsabfolge richtet sich auch bei Erfolgsdelikten die Zuständigkeit für das Hauptverfahren nach dem Handlungsort, wenn dieser bekannt ist (13 Ns 75/11z; JBl 2012, 604 = MR 2012, 12; Oshidari, WK-StPO § 36 Rz 6).

Das Bezirksgericht Leopoldstadt ließ bei der Beurteilung seiner Zuständigkeit die erwähnte Rangordnung der Zuständigkeitskriterien außer Acht und stellte trotz der selbst konstatierten Tathandlung im Sprengel des Bezirksgerichts Leopoldstadt verfehlt alleine auf den im Sprengel des Bezirksgerichts Mistelbach gelegenen Ort des Erfolgseintritts ab. Das Vorgehen vom 15. Jänner 2013, GZ 7 U 353/11g-21, verletzt damit § 36 Abs 3 StPO iVm § 447 StPO.

Darüber hinaus kann ein Bezirksgericht ein Unzuständigkeitsurteil nur dann fällen, wenn zwischen erfolgter Ausschreibung und Beginn der Hauptverhandlung oder erst in dieser Umstände hervorkommen, die den Verdacht der Zuständigkeit des Landesgerichts, also seiner sachlichen Unzuständigkeit begründen (§§ 261 Abs 1 iVm 447 StPO). Erachtet sich ein Bezirksgericht hingegen für örtlich unzuständig, hat es - weil für diese Entscheidung die Urteilsform nicht vorgesehen ist - auch in der Hauptverhandlung gemäß § 38 StPO vorzugehen und die Sache entweder dem zuständigen Gericht zu überweisen (erster Satz leg cit) oder - als Gericht, dem bereits (wie vorliegend) überwiesen wurde - die Entscheidung des gemeinsam übergeordneten Gerichts zu erwirken (dritter Satz leg cit; RIS-Justiz RS0101706; RS0098800; 13 Ns 44/09p EvBl 2009/161, 1072 = SSt 2009/59; Oshidari, WK-StPO § 38 Rz 2 und 18; Bauer, WK-StPO § 450 Rz 9; Ratz, WK-StPO § 468 Rz 7).

Das „Unzuständigkeitsurteil“ vom 15. Jänner 2013, GZ 7 U 353/11g-21, verletzt somit auch § 38 letzter Satz StPO, ist - als der Strafprozessordnung fremd - wirkungslos und war zur Klarstellung zu beseitigen (vgl RIS-Justiz RS0116267).

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