OGH 7Ob151/13a

OGH7Ob151/13a13.11.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** AG, *****, vertreten durch Mag. Oliver Lorber Rechtsanwalts GmbH in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei A***** Steiner, *****, vertreten durch Dr. Robert Kerschbaumer, Rechtsanwalt in Lienz, wegen 15.358,08 EUR sA, über die Revisionen der klagenden und der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 25. April 2013, GZ 3 R 26/13b‑18, womit das Urteil des Bezirksgerichts Spittal an der Drau vom 27. November 2012, GZ 3 C 461/12g‑14, teilweise abgeändert wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

I. Aus Anlass der Revision der klagenden Partei werden die Entscheidungen der Vorinstanzen über 11.846,05 EUR samt 4 % Zinsen seit 14. 2. 2012 samt dem vorangegangenem Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage wird insoweit zurückgewiesen.

II. Die klagende Partei wird mit ihrer Revision auf Punkt I. verwiesen.

III. Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden im Übrigen dahin abgeändert, dass das Urteil lautet:

Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 3.512,03 EUR samt 4 % Zinsen seit 14. 2. 2012 zu bezahlen, wird abgewiesen .

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 8.092,18 EUR (darin enthalten 1.038,91 EUR an USt und 1.858,72 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zwischen den Parteien bestanden mehrere Versicherungsverträge. Zu 26 Cg 213/08g des Landesgerichts Klagenfurt begehrte der Beklagte gegenüber der Klägerin die Feststellung, dass diese Versicherungsverträge mit Eingang seines Kündigungsschreibens mit 4. 9. 2008 aufgelöst seien. Trotz dieses Verfahrens leistete der Beklagte die auf die Versicherungsverträge entfallenden Prämien weiter und die Klägerin deckte die ihr gemeldeten Schadensfälle. Der Beklagte begehrte sogar mit der am 21. 1. 2009 zu 4 C 119/09v des Bezirksgerichts Lienz eingebrachten Klage wegen des Einbruchsdiebstahls am 31. 10. 2008 von der Klägerin eine Versicherungsleistung. Er stützte sich (obwohl er das Verfahren 26 Cg 213/08g des Landesgerichts Klagenfurt weiterführte) darauf, dass zwischen den Parteien ein Versicherungsvertrag bestehe, was von der Klägerin außer Streit gestellt wurde. Sie bestritt das Begehren, weil der Schadensfall nicht vom vereinbarten Versicherungsschutz umfasst sei. Die Klägerin wurde verpflichtet, den Versicherungsfall zu decken und dem Beklagten die Prozesskosten zu ersetzen.

Im Verfahren 26 Cg 213/08g des Landesgerichts Klagenfurt stellte das Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht im zweiten Rechtsgang mit Urteil vom 23. 8. 2011 rechtskräftig fest, dass die am 4. 9. 2008 aufrechten Versicherungsverträge zwischen den Parteien mit Eingang des Kündigungsschreibens des Beklagten vom selben Tag aufgelöst seien. Die vom Beklagten erklärte vorzeitige Kündigung der Versicherungsverträge sei zwar ohne berechtigten Grund ausgesprochen worden, die Klägerin habe aber diese Kündigung nicht rechtzeitig als unberechtigt zurückgewiesen. Das Urteil wurde dem Beklagtenvertreter am 20. 9. 2011 zugestellt.

Am 12. 11. 2011 fand ein weiterer Einbruchsdiebstahl in einem ehemaligen Versicherungsobjekt statt. Der Beklagte begehrte von der Klägerin die Deckung der Schäden mit 15.205 EUR, was die Klägerin ablehnte.

Im Hinblick auf die genannte Entscheidung des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht forderte der Beklagtenvertreter die Klägerin mit Schreiben vom 17. 11. 2011 auf, die ab dem 5. 9. 2008 für die Unfallversicherung und „Versicherung Firma“ geleisteten Prämien zurückzubezahlen. Er hielt im letzten Absatz fest: „Die bezahlten Prämien zur Einbruchs‑/Diebstahlsversicherung werden von meinem Mandanten nicht zurückgefordert.“ Dennoch überwies die Klägerin dem Beklagten alle bezahlten Prämien vom 4. 9. 2008 bis 18. 1. 2012 in der Höhe von insgesamt 8.168,05 EUR zurück.

Mit Schreiben vom 2. 12. 2011 forderte die Klägerin den Beklagten auf, die von ihr seit 4. 9. 2008 erbrachten Versicherungsleistungen zurückzuzahlen, was er nicht tat.

Die Klägerin begehrt die Rückzahlung ihrer seit 4. 9. 2008 erbrachten Leistungen. Vor der Entscheidung des Berufungsgerichts im Verfahren 26 Cg 213/08g des Landesgerichts Klagenfurt sei sie irrtümlich davon ausgegangen, dass die Versicherungsverträge nicht wirksam gekündigt, sondern aufrecht seien. Sie habe titellos Leistungen erbracht, der Leistungsgrund sei nachträglich weggefallen. Hätte der Beklagte das Verfahren verloren, hätte die Klägerin die vereinnahmten Prämien behalten und wären die von ihr erbrachten Leistungen endgültig in das Vermögen des Beklagten übergegangen. Die Klägerin handle nicht rechtsmissbräuchlich, sie habe keine Aufklärungspflichten verletzt.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klagsführung sei rechtsmissbräuchlich. Die Klägerin habe darauf beharrt, dass die Versicherungsverträge aufrecht seien. Bis zur Rechtskraft des Urteils, mit dem die Auflösung der Versicherungsverträge festgestellt worden sei, habe der Beklagte sämtliche Versicherungsprämien wegen des durch die ungeklärte Rechtslage bewirkten Schwebezustands gezahlt. Er habe damit auch Anspruch auf Versicherungsleistungen. Wenn die Klägerin sein Kündigungsschreiben akzeptiert hätte, hätte der Beklagte die nun strittigen Risken anderweitig eingedeckt. Nach Klärung, dass seine Kündigung wirksam sei, habe er nach dem Günstigkeitsprinzip ein Optionsrecht. Er könne entweder die geleisteten Prämien zurückfordern oder Versicherungsleistungen für Schadensfälle während des „Schwebezustands“ verlangen. Der Beklagte habe eindeutig zu verstehen gegeben, dass er hinsichtlich des das Risiko „Einbruchsdiebstahl“ deckenden Versicherungsvertrags keine Versicherungsprämien refundiert haben wolle, weil die Versicherungsleistungen die bezahlten Prämien bei weitem überstiegen. Am 12. 11. 2011 habe sich ein weiterer Einbruchsdiebstahl ereignet, für den der Beklagte einen Deckungsanspruch habe, weil er noch keine Möglichkeit gehabt habe, anderweitig für Deckung des versicherten Risikos zu sorgen.

Die dem Beklagten zustehende Versicherungsleistung aus dem Einbruch vom 12. 11. 2011 in der Höhe von 15.205 EUR sei von der rechtsgrundlos (weil nicht verlangt) refundierten Prämie für die Gewerbeversicherung von 8.168,05 EUR in Abzug zu bringen. Es werde die Differenz von 7.036,95 EUR compensando bis zur Höhe der Klagsforderung aufrechnungsweise eingewendet.

Die Klägerin bestreitet die eingewandte Gegenforderung.

Das Erstgericht sprach aus, dass die Klagsforderung zu Recht, die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe und gab der Klage statt. Der Beklagte habe durch seine Klagsführung zu 26 Cg 213/08g des Landesgerichts Klagenfurt zum Ausdruck gebracht, dass er ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zur Zahlung von Versicherungsprämien verpflichtet sein wolle. Dass er sie dennoch geleistet habe, könne nur so verstanden werden, dass dies vorsichtshalber erfolgt sei. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Bestreitung der Wirksamkeit der Kündigung durch die Klägerin rechtsmissbräuchlich gewesen sei. Dass die Versicherungsverträge mit Wirkung 4. 9. 2008 aufgelöst seien, habe zwingend zur Folge, dass nach diesem Zeitpunkt wechselseitig erbrachte Leistungen zurückgestellt werden müssten. Dem Beklagten komme dabei mangels gesetzlicher Grundlage kein Optionsrecht zu. Er hätte ab diesem Zeitpunkt den Versicherungsschutz bei einem anderen Versicherer eindecken müssen. Die Klägerin könne die rechtsirrtümlich erbrachten Leistungen gemäß § 1431 ABGB zurückfordern. Die Gegenforderung bestehe mangels aufrechten Versicherungsvertrags zum Vorfallszeitpunkt nicht zu Recht.

Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung teilweise dahin ab, dass es die Klagsforderung mit 3.512,03 EUR als zu Recht, die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend erkannte und den Beklagten verpflichtete, 3.512,03 EUR samt 4 % Zinsen seit 14. 2. 2012 zu bezahlen. Das Mehrbegehren von 11.846,05 EUR sA wies es ab. Auch das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, dass im Hinblick auf die Entscheidung im Verfahren 26 Cg 213/08g des Landesgerichts Klagenfurt die zwischenzeitig erbrachten Zahlungen an Prämien einerseits und Versicherungsleistungen andererseits ohne Rechtsgrund erfolgt seien. Es finde sich weder in der Gesetzeslage noch in der Judikatur eine Stütze für das vom Beklagten in Anspruch genommene „Optionsrecht“ und „Günstigkeitsprinzip“. Den Umstand, dass sich der Beklagte seiner Rechtsmeinung offensichtlich nicht sicher gewesen sei, könne er der Klägerin nicht anlasten. Die Klägerin habe nicht rechtsmissbräuchlich gehandelt. Es sei aber zu berücksichtigen, dass das Endurteil zu 4 C 119/09v des Bezirksgerichts Lienz in Rechtskraft erwachsen sei, weshalb dieser Teil des Begehrens abzuweisen sei. Nach der Kündigung vom 4. 9. 2008 habe der Beklagte keinen Anspruch auf Leistung gegen die Klägerin, sodass die aufrechnungsweise geltend gemachte Gegenforderung nicht zu Recht bestehe.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob der Versicherungsnehmer, der während der Anhängigkeit eines Rechtsstreits über die Rechtswirksamkeit seiner Kündigung des Versicherungsvertrags weiter Prämien an den Versicherer zahle, nach Feststellung der Auflösung des Versicherungsvertrags ein Wahlrecht habe, ob er die Prämien rückerstattet haben oder die bereits geleisteten Schadenszahlungen des Versicherers einbehalten wolle.

Gegen den klagsabweisenden Teil der Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, auch hinsichtlich der 11.864,05 EUR sA der Klage stattzugeben, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Gegen den klagsstattgebenden Teil der Entscheidung und gegen das Nichtfeststehen der Gegenforderung richtet sich die Revision des Beklagten mit dem Antrag, die Klage abzuweisen.

In den Revisionsbeantwortungen beantragen die Parteien, die Revision der Gegenseite jeweils zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Zu I.:

Das Berufungsgericht hat zwar richtig erkannt, dass unstrittig über die geltend gemachte Teilforderung von 11.864,05 EUR (Kapital, Zinsen und sämtliche Verfahrenskosten) bereits rechtskräftig im Verfahren 4 C 119/09v des Bezirksgerichts Lienz entschieden wurde; es hat dennoch das Klagebegehren (inhaltlich) abgewiesen.

Einem in einem Vorprozess auf Grundlage eines bestimmten rechtserzeugenden Sachverhalts erfolgreichen Anspruch kann in einem Folgeprozess zwischen denselben Parteien nicht mit anspruchsvernichtenden Tatsachen entgegengetreten werden, die in dem für die Vorentscheidung maßgeblichen Zeitpunkt bereits entstanden waren, aber nicht ausgeführt wurden (RIS‑Justiz RS0106966). Die materielle Rechtskraftwirkung ist die Maßgeblichkeit einer Entscheidung, durch die eine Wiederholung desselben Rechtsstreits ausgeschlossen wird und Gerichte und Parteien an die Entscheidung gebunden werden (RIS‑Justiz RS0041115). Die formelle Rechtskraft tritt mit der Zustellung oder Verkündung einer Entscheidung ein, wenn die der Partei zur Verfügung stehende Rechtsmittelfrist verstrichen ist (RIS‑Justiz RS0080109). Die Wirkung der formellen Rechtskraft tritt kraft Gesetzes ein und haftet der Entscheidung als eine Eigenschaft an (RIS‑Justiz RS0041308). Die Rechtskraftwirkung besteht darin, dass die Rechtsbeziehungen zwischen den Streitteilen hinsichtlich des strittigen Rechtsschutzanspruchs unbestreitbar, dauernd bindend und daher unwiderlegbar und unabänderbar festgestellt werden (RIS‑Justiz RS0041272). Eine im materiellen Recht begründete selbständige Klage auf Beseitigung der durch die Erfüllung der urteilsmäßigen Leistungspflicht herbeigeführten Wirkungen unter Berufung auf einen Tatbestand des materiellen Rechtes, der zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz der Schlüssigkeit des Klagebegehrens entgegenstand, ist daher ausgeschlossen. Die Rechtskraft eines Urteils kann nur durch eines der erschöpfend in der Prozessordnung vorgesehenen Mittel beseitigt werden (RIS‑Justiz RS0001217, RS0041272).

Es kann also kein Rechtsstreit geführt werden, der darauf abzielt, die Wirkungen des im Verfahren 4 C 119/09v des Bezirksgerichts Lienz ergangenen Urteils zu beseitigen. Die Versicherungsverträge waren im Zeitpunkt dieses Verfahrens bereits gekündigt (4. 9. 2008). Dies hätte von der Klägerin eingewendet werden und zu einer Vorfragenprüfung (und einer allfälligen Unterbrechung des Verfahrens) führen müssen. Die nunmehrige Klagsführung über diesen Betrag verstößt gegen den Einmaligkeitsgrundsatz.

Der Nichtigkeitsgrund ist gemäß dem § 411 Abs 2 ZPO (bei sonstiger Nichtigkeit des Verfahrens) aus Anlass der Revision der Klägerin, die diesen Teil des Berufungsurteils bekämpft, von Amts wegen zu berücksichtigen (RIS‑Justiz RS0039968).

Zu II. und III.:

Die Revision des Beklagten ist zulässig, sie ist auch berechtigt.

Eine stillschweigende Erklärung im Sinn des § 863 ABGB besteht in einem Verhalten, das primär etwas anderes als eine Erklärung bezweckt, dem aber dennoch auch ein Erklärungswert zukommt, der vornehmlich aus diesem Verhalten und den Begleitumständen erschlossen wird. Sie kann in einer positiven Handlung (konkludente oder schlüssige Willenserklärung) oder in einem Unterlassen (Schweigen) bestehen. Nach der von Lehre und Rechtsprechung geforderten Kriterien muss die Handlung ‑ oder Unterlassung ‑ nach der Verkehrssitte und nach dem im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer Richtung zu verstehen sein, also den zwingenden Schluss zulassen, dass die Parteien einen Vertrag schließen, ändern oder aufheben wollten. Es darf kein vernünftiger Grund bestehen, daran zu zweifeln, dass ein ganz bestimmter Rechtsfolgewille vorliegt, wobei stets die gesamten Umstände des Einzelfalls zur Beurteilung heranzuziehen sind (RIS‑Justiz RS0109021).

Der Beklagte kündigte die zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsverträge nach der rechtskräftigen Entscheidung des Berufungsgerichts im Verfahren 26 Cg 213/08g des Landesgerichts Klagenfurt zwar grundlos, seine Kündigung zum 4. 9. 2008 wurde jedoch für rechtswirksam erkannt, weil die Klägerin ihr nicht rechtzeitig widersprochen hat (vgl RIS‑Justiz RS0080729).

Signifikant ist im vorliegenden Fall, dass sich nach Einbringen der Klage des Beklagten auf Feststellung, dass die Versicherungsverträge durch seine Kündigung aufgelöst seien, beide Parteien dennoch weiter so wie bei aufrechten Versicherungsverträgen verhielten. Der Beklagte bezahlte die Prämien für die gekündigten Versicherungsverträge weiter und meldete auch Versicherungsfälle. Die Klägerin deckte die Schäden, soweit dies den gekündigten Versicherungsverträgen entsprach. Der Beklagte klagte die Klägerin sogar im Verfahren 4 C 119/09v des Bezirksgerichts Lienz auf Deckung aus einem von ihm gekündigten Vertrag und die Parteien stellten außer Streit, dass das entsprechende Versicherungsverhältnis zur Deckung eines Einbruchsdiebstahls aufrecht sei. Gleichzeitig führten sie aber das Verfahren, in dem die Wirksamkeit der Kündigung des Beklagten beurteilt werden sollte, weiter. Damit gaben sie unzweifelhaft zu erkennen, dass sie trotz ihres gegenteiligen Verhaltens grundsätzlich nicht von ihren bisherigen Rechtsstandpunkten zur Frage der Wirksamkeit der Kündigung der Versicherungsverträge abgehen wollten. Sie wollten ganz offensichtlich diese Rechtsfrage gerichtlich abklären lassen. Sie machten aber bei den wechselseitigen Zahlungen keinen Vorbehalt der Rückforderung je nach dem Ausgang des gerichtlichen Verfahrens und gaben auch sonst keinen Hinweis darauf, dass ihre Leistungen nur „vorläufig“ erfolgen sollten. Unter diesen Umständen kann ihr Verhalten redlicherweise, insbesondere auf Grund des im Versicherungsrecht im besonderen Maß geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben (RIS‑Justiz RS0018055), nur so verstanden werden, dass sie unabhängig davon, ob die Kündigung wirksam sein sollte oder nicht, jedenfalls bis zur Klärung der Rechtslage die Fortdauer des Versicherungsschutzes wie bei aufrechten Verträgen vereinbaren wollten. Anders ließe es sich nicht erklären, warum der Beklagte weiter Prämien bezahlte und keine neuen Versicherungsverträge abschloss und die Beklagte ohne Vorbehalt Versicherungsleistungen erbrachte. Beide Parteien wogen sich mangels gegenteiliger Erklärungen mit ihrem Verhalten sozusagen gegenseitig in Sicherheit, dass bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits „alles beim Alten“ bleiben solle.

Dieses Auslegungsergebnis entspricht auch der im Versicherungsrecht von der Judikatur im Interesse der Beteiligten geforderten möglichst raschen Abklärung einer unklare Situation über das Bestehen eines Versicherungsvertragsverhältnisses, wie dies zum Beispiel bei der Beurteilung der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer Kündigung ‑ wie oben dargelegt ‑ vertreten wird. Im vorliegenden Fall entspricht es dem Grundsatz von Treu und Glauben, dass die während eines Zeitraums von immerhin rund drei Jahren wechselseitig erbrachten Leistungen nur dann zurückgefordert hätten werden können, wenn dies von den Parteien jeweils klar zum Ausdruck gebracht worden wäre. Ansonsten haben Versicherer und Versicherungsnehmer ihre Leistungen im Hinblick auf die schlüssige Vereinbarung über das entgeltliche Versichert‑Halten bis zur Klärung der Rechtslage endgültig erbracht.

Der Beklagte stellte zwar in der Folge ein Anbot an die Klägerin, die Leistungen aus den Versicherungsverträgen dennoch bis auf jenen, der das Einbruchsdiebstahlsrisiko deckt, zurückzustellen, damit war jedoch die Klägerin nicht einverstanden. Diese wollte eine Rückstellung aller Zahlungen, womit wiederum der Beklagte nicht einverstanden war. Die Parteien haben damit eine von der schlüssigen Vereinbarung abweichende Folgevereinbarung ‑ mangels Willenseinigung ‑ nicht getroffen.

Die schlüssige Vereinbarung bezieht sich naturgemäß auf alle Versicherungsverträge. Es ist damit beiden Parteien das verwehrt, was sie hier umzusetzen versuchen, nämlich sich nur die Vorteile aus einer ex post‑Betrachtung zuzuwenden. Es kann weder die Klägerin ihre Leistungen für Schadensfälle zurückverlangen noch der Beklagte die Rückzahlung der Prämien ‑ ausgenommen hinsichtlich jenes Versicherungsvertrags, bei dem die Summe der Versicherungsleistungen die Summe der Prämienzahlung überschreitet ‑ erhalten. Beide Verhaltensweisen widersprechen dem Grundsatz von Treu und Glauben.

Das Begehren der Klägerin auf Rückzahlung ihrer Versicherungsleistungen ist daher abzuweisen.

Der Vollständigkeit halber ist zur Forderung des Beklagten aus dem Einbruchsdiebstahl vom 12. 11. 2011 auszuführen, dass dieser rund sieben Wochen nach Zustellung des Urteils des Berufungsgerichts über die Rechtswirksamkeit der Kündigung erfolgte. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin mangels ‑ auch nur schlüssiger ‑ Vereinbarung nicht mehr verpflichtet, Deckung zu gewähren.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 51 Abs 1, 50 und 41 ZPO. Die Klägerin trifft an der Nichtigkeit des Verfahrens ein Verschulden, weil ihr das Prozesshindernis von vornherein erkennbar war. Den Beklagten trifft hingegen kein Verschulden. Er wies von Anfang an darauf hin, dass im zunächst nicht aufgeschlüsselten Klagebegehren zu Unrecht die Forderung und Nebenforderungen aus dem rechtskräftig entschiedenen Verfahren inkludiert seien. Die Klägerin hat die Kosten auch des nichtigen Verfahrens zu tragen.

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