OGH 16Ok7/13

OGH16Ok7/137.11.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm und Univ.‑Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Kartellrechtssache der Antragstellerin Bundeswettbewerbsbehörde, 1020 Wien, Praterstraße 31, gegen die Antragsgegnerinnen 1. J***** O***** Verwaltung und Vertrieb GesmbH, *****, 2. J***** O***** Beteiligungsgesellschaft mbH, *****, 3. J***** O***** H***** GmbH, *****, sowie 4. J***** O***** W***** Gesellschaft mbH, *****, alle vertreten durch Angerer Hochfellner Pontasch Leitner, Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, wegen Hausdurchsuchung nach § 12 WettbG, über den Rekurs der Antragsgegnerinnen gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Kartellgericht vom 4. Juli 2013, GZ 25 Kt 76, 77, 78, 79/13‑5, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Antragstellerin beantragte die Anordnung einer Hausdurchsuchung in den Geschäftsräumlichkeiten und Fahrzeugen der Antragsgegnerinnen. Aufgrund einer anonymen Beschwerde, anonymen telefonischen Hinweisen im Zusammenhang mit Zeitungsartikeln habe sich der begründete Verdacht ergeben, dass es zwischen den Antragsgegnerinnen und anderen Unternehmen auf dem Markt der Sägeindustrie und holzverarbeitenden Industrie zu kartellrechtswidrigen horizontalen Preisabsprachen/‑abstimmungen, Weitergabe nicht aggregierter Unternehmensdaten und Vereinbarungen über die Einschränkung des Absatzes gekommen sei. Aufgrund dieser mutmaßlichen Zuwiderhandlungen bestehe der Verdacht, dass Verbraucher über einen längeren Zeitraum erhöhte Preise für Holzprodukte bezahlt hätten. Es bestehe die Vermutung, dass sich bei den Antragsgegnerinnen die zur Erlangung von Informationen notwendigen Geschäftsunterlagen befinden könnten. Die Hausdurchsuchung diene zudem der Abklärung, welche weiteren Unternehmen an den Absprachen mit der O*****‑Gruppe beteiligt gewesen seien und wie lange die Verstöße durch die betroffenen Unternehmen angedauert haben bzw noch andauern. Da die vier Antragsgegnerinnen alle demselben Konzern zuzuordnen seien und an derselben Adresse firmieren, sei der Hausdurchsuchungsbefehl für alle Gesellschaften auszustellen. Es müsse kein gesonderter begründeter Verdacht für die einzelnen Gesellschaften nachgewiesen werden. Sobald eine räumliche Nahebeziehung der Konzernunternehmen gegeben sei, sei es zweckmäßig den Hausdurchsuchungsbefehl auf den Gesamtgebäudekomplex auszudehnen und nicht auf Teile davon zu beschränken, widrigenfalls die Gefahr einer raschen Verbringung von inkriminierendem Material innerhalb des Gebäudekomplexes in die Räume einer nicht vom Durchsuchungsbefehl betroffenen Gesellschaft bestünde. Bei einer in Geltung stehenden Absprache seien gelindere Mittel, etwa in Form eines Auskunftsverlangens, regelmäßig zur Aufklärung des Sachverhalts nicht zielführend. Die beantragte Hausdurchsuchung sei daher erforderlich und angemessen, um Beweismittel sicherstellen zu können.

Das Erstgericht erließ den beantragten Hausdurchsuchungsbefehl. Dabei nahm es folgenden Sachverhalt als bescheinigt an:

Mit einer anonymen Beschwerde, gerichtet an die Bundeswettbewerbsbehörde im Dezember 2012, weist der Beschwerdeführer auf Ausschüsse und Runden in der Sägeindustrie hin, die vom langjährigen Obmann der Säger J***** O***** gelenkt und gesteuert würden und bei denen verbotene Absprachen getroffen würden. Es gelte als offenes Geheimnis, dass sich unter O***** die großen Säger, die sogenannte G10‑Runde seit vielen Jahren regelmäßig zu Absprachen über das Marktgeschehen und Preisen treffe und zwar quartalsmäßig im Hubertushof in Anif. Es handle sich dabei um die allseits bekannten „Anif‑Runden“. Parallel sei in Graz unter der Kärntner Regie und unter dem Geschäftsführer J***** R***** über Jahre das Marktinformationssystem „Schnitzi“ aufgebaut worden, was offiziell auf der Homepage von proholz (www.proholz.stmk.at ) eingesehen werden könne. Seit einigen Jahren würden die G10 online mehr oder weniger geheim ihre aktuellen Daten wie Produktion, Preise, Lager, Absatz, Einkauf, Import an Proholz in Graz melden und online aktuelle detaillierte Auswertungen zurückhalten, über die man dann in den Anif‑Runden ausführlich spreche. O***** wache als Chef streng darüber, dass die Rundholzpreise für die Waldbauern ja nicht zu hoch und die Verkaufspreise für Hackgut, Späne, Schnittholz nicht zu niedrig ausfallen. Im Euwid und Holzkurier könne man die gewünschten „Einheitspreise“ nachlesen und auch was man mit den Produktionen vor hat, damit das Angebot ja nicht zu groß werde.

Diesem Beschwerdeschreiben war angeschlossen eine Terminliste über Treffen der Sägeindustrie vom Jänner 2007 bis einschließlich der geplanten Treffen im Mai 2013. Weiters wurde dem Schreiben beigelegt ein Mail vom September 2012 vom Obmann der Fachgruppe KR Dipl.‑Ing. J***** O***** und Obmannstellvertreter M***** S*****, mit folgendem Inhalt:

„Aktuelle Rundholzsituation Kärnten

Die derzeitige Situation am Absatzmarkt ist äußerst angespannt. Die Finanzkrise in Südeuropa, vor allem im Hauptabsatzmarkt Italien, lässt einen stärkeren Einbruch in der Geschäftstätigkeit erwarten. Anlässlich der Klagenfurter Holzmesse hat der Strategieausschuss der Sägeindustrie ‑ auch in Diskussion mit der Anif‑Runde ‑ unisono festgestellt, dass es derzeit ein krasses Missverhältnis zwischen gezahlten Rundholzpreisen bzw Schnittholzpreisen gibt, wobei sich der Schnittholzpreis vor allem international aufgrund der Vernetzung der Unternehmen bildet. In unserem nördlichen Umfeld, vor allem in der Bundesrepublik Deutschland als auch Skandinavien, werden laufend niedrigere Rundholzpreise durchgesetzt. Dies wird zur Folge haben, dass insbesondere die Kärntner Betriebe weiter unter Druck geraten werden. Umso unverständlicher und unakzeptabler ist die Vorgangsweise, die in den letzten Tagen in Kärnten publik wurde. Wir können daher nur eindringlich vor solchen ruinösen Praktiken warnen und Sie bitten die derzeitige Geschäftssituation verstärkt in ihre Überlegungen sowohl beim Einkauf als auch beim Verkauf einzubeziehen.“

Im Sommer 2012 und Herbst 2012 gingen zwei anonyme Anrufe bei der Bundeswettbewerbsbehörde ein, die sich über das Verhalten der Sägeholzindustrie beschwerten. Der anonyme Anrufer vom Sommer 2012 beschwerte sich im Wesentlichen darüber, dass er in seinem Marktverhalten eingeschränkt werde, da er mit Repressalien zu rechnen hätte.

In einem Interview vom österreichischen Wirtschaftsblatt äußerte sich J***** O***** im März 2010 wie folgt: „Die Diskussion des vergangenen Jahrzehnts ‑ Kartellverfahren, verbotene Absprachen ‑ haben zu einer Überreaktion geführt. In der Folge sprechen Leute nicht mehr miteinander. Aber sehr oft lösen Gespräche Branchenprobleme (...). Nicht reden ist eine Katastrophe. (...) Die Holzbranche darf verglichen mit anderen nicht von Krise reden. 2009 haben wir gelernt mit Augenmaß zu produzieren, was der Markt verlangt. (...) Wir haben die Produktion zurückgefahren, keiner kam auf die Idee das Gegenteil zu tun. Außer einem sehr großen, der sofort auf die Nase gefallen ist.“

Im Informationsmedium für die Holzbranche, und zwar in der Zeitschrift Euwid (Europäische Wirtschaftsdienst GmbH), die sich nach ihren Mediendaten als zentrale Nachrichtenquelle für die Holz‑, Holzwerkstoff‑, Oberflächen‑, Möbel‑ und Bauelementebranche bezeichnet und seine Leser als die Fach‑ und Führungskräfte aus der Branche bezeichnet, die sich wöchentlich mit dem Printmedium Euwid Holz und Holzwerkstoffe sowie tagesaktuell im Internet auf www.euwid ‑holz.de über die aktuellen Marktentwicklungen informieren, wurden folgende Artikeln veröffentlicht:

August 2011: „Österreichische Sägeindustrie fährt ihre Produktion im August merklich zurück. (...) Weite Teile der österreichischen Sägeindustrie werden ihre bereits im Juli begonnenen Produktionskürzungen im laufenden Monat fortsetzen (...) Im August ruht in zahlreichen Sägewerken für durchschnittlich 2 Wochen der Einschnitt komplett, einige Werke haben auch 3‑wöchige Abstellungen angekündigt. Produktionskürzungen bzw ‑abstellungen erfolgen dabei über alle Größenklassen hinweg. Einige Betriebe planen ihren Einschnitt stärker zu reduzieren als im Vorjahr. Begründet werden die Kürzungen in erster Linie mit dem Ziel, das im Juni/Juli zeitweilig zu hohe Schnittholzangebot an die jeweiligen Absatzbedingungen anzupassen und damit die Verkaufspreise zumindest auf dem Anfang August gültigen Niveau zu stabilisieren. Bei einer deutlichen Angebotsreduzierung eröffnen sich nach Einschätzung vom Produzenten aber auch wieder reelle Chancen, im Herbstgeschäft Preiserhöhungen bei einigen Sortimenten durchsetzen zu können (...) Österreichische Lieferanten haben in diesem Zusammenhang wie ihre deutschen Wettbewerber Preiserhöhungen einiger Hauptwarensortimente angekündigt.“

In der Euwid‑Ausgabe September 2011 ist unter dem Artikel mit der Überschrift „Österreich: Einschnitt der Sägeindustrie hat sich im dritten Quartal merklich verlangsamt ‑ strikte Mengendisziplin Grundvoraussetzung für notwendige Preiserhöhungen“ zu lesen: „Bereits vor den Sommerferien hatten verschiedene österreichische Sägewerksbetriebe angekündigt, ihren Einschnitt im August stärker als in den Vorjahren zurücknehmen zu wollen (...) wurden diese Maßnahmen auch weitgehend umgesetzt (...) haben verschiedene Schnittholzproduzenten ihre Kunden in den vergangenen Tagen darüber informiert, dass sie ihre Preise spätestens zum 1. Oktober anheben werden.“ Im Artikel vom 25. 11. 2011, der einen Bericht vom Treffen der österreichischen Sägeindustrie vom 23. 11. 2011 in Neu‑Anif enthielt, heißt es: 2 bis 3 Wochen Stillstand.

Im Euwid‑Artikel vom 25. 11. 2011 heißt es: „In Neu‑Anif wurde bekannt, dass die meisten Sägewerke über Weihnachten zumindest 2 Wochen abstellen. Die Marktanpassung würde bereits seit Oktober durch die Rücknahme der Schichten erfolgen. Man konnte jedoch die letzten Rundholzpreiserhöhungen nicht an den Schnittholz‑Absatzmarkt weitergeben. Wo das sehr wohl geklappt hat, war beim Sägerestholz, gaben sich die Säger in Neu‑Anif zufrieden.“ Derzeit seien die Schnittholzlager der Produzenten leerer als im Vorjahr ‑ „und unsere Kunden haben gar nichts“, heißt es. „Kommt ein normaler Winter wird das Schnittholz‑Angebot im Frühjahr nicht allzu hoch sein.“

Rechtlich folgerte das Erstgericht: Es bestehe der begründete Verdacht, dass bei den Anif‑Treffen der Sägeindustrie von den dort beteiligten Unternehmen die Holzpreise abgesprochen und die Einschränkungen der Produktion und damit des Absatzes abgestimmt werden, wobei für diese Absprachen die von den Unternehmen auf Informationsplattformen preisgegebenen Daten über Produktion, Preise, Lager, Absatz, Einkauf, Import und Export diesen Absprachen zugrunde gelegt werden. Der begründete Verdacht betreffe horizontale Preisabsprachen iSd § 1 Abs 2 Z 1 KartG und Wettbewerbsbeschränkungen, die eine Einschränkung oder Kontrolle der Erzeugung, des Absatzes durch teilweise Produktionsstillstände iSd § 1 Abs 2 Z 2 KartG bedeuteten. Angesichts dieses begründeten Verdachts von Verstößen gegen Art 101 AEUV bzw § 1 KartG sei die beantragte Hausdurchsuchung sowohl erforderlich als auch verhältnismäßig. Wenn Muttergesellschaften und Holdinggesellschaften denselben Geschäftssitz hätten und daher zumindest eine räumliche Nahebeziehung gegeben sei, sei es naheliegend und zweckmäßig, den Hausdurchsuchungsbefehl auf den Gesamtgebäudekomplex auszudehnen und nicht auf Teile davon zu beschränken.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der rechtzeitige Rekurs der Antragsgegnerinnen mit dem Antrag, den Hausdurchsuchungsbefehl aufzuheben.

Die Bundeswettbewerbsbehörde erstattete eine Rekursbeantwortung, in der sie beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Die Rekurswerberinnen machen im Wesentlichen geltend, dass kein wettbewerbswidriges Verhalten der Antragsgegnerinnen bescheinigt sei. Der Hausdurchsuchungsbefehl gebe lediglich Anschuldigungen anonymer Anzeiger wieder. Es sei nicht ersichtlich, warum der Ermittlungserfolg nicht auch durch Auskunftsverlangen nach § 11a WettbG erlangt werden hätte können.

2.1. Nach § 12 Abs 1 WettbG hat das Kartellgericht, wenn dies zur Erlangung von Informationen aus geschäftlichen Unterlagen erforderlich ist, auf Antrag der Bundeswettbewerbsbehörde bei Vorliegen des begründeten Verdachts einer Zuwiderhandlung gegen §§ 1, 5 oder 17 KartG, Art 101 oder 102 AEUV eine Hausdurchsuchung anzuordnen (vgl dazu 16 Ok 5/11, 16 Ok 7/11; 16 Ok 2/12; 16 Ok 5/12 und 16 Ok 1/13).

2.2. In Anlehnung an Lehre und Rechtsprechung zur Hausdurchsuchung im Strafverfahren ist nach mittlerweile gefestigter Judikatur für einen erfolgreichen Antrag auf Bewilligung einer Hausdurchsuchung erforderlich,

a) einen Verstoß gegen das Kartellgesetz in rechtlicher Hinsicht schlüssig zu behaupten,

b) Umstände darzutun, aus denen sich der begründete Verdacht ergibt, sowie

c) darzulegen, warum die Hausdurchsuchung zur Erhärtung dieses Verdachts erforderlich und verhältnismäßig ist (16 Ok 1/13).

3.1. Nach § 1 Abs 2 Z 1 KartG ist unter anderem die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung von Verkaufspreisen verboten. Kernbeschränkungen des Wettbewerbs wie Preisabsprachen, Produktions‑ und Absatzbeschränkungen und Marktaufteilungsabsprachen sind grundsätzlich bezweckte Beschränkungen des Wettbewerbs (RIS‑Justiz RS0120917). Sowohl das Vereinbarungskartell durch Vertrag als auch jenes durch Absprache setzen eine Willenseinigung zwischen den Beteiligten voraus. Ob eine solche vertragliche Übereinkunft oder Absprache vorliegt, ist eine Frage der Tatsachenfeststellungen (RIS‑Justiz RS0114081). Nach § 1 Abs 2 Z 2 KartG sind Wettbewerbsbeschränkungen, die eine Einschränkung oder Kontrolle der Erzeugung oder des Absatzes betreffen, verboten.

3.2. Der begründete Verdacht derartiger Absprachen iSd § 1 Abs 2 Z 1 und Z 2 KartG, an denen die Antragsgegnerinnen beteiligt waren, wurde vom Kartellgericht in Form der sogenannten Anif‑Runden bzw G10‑Runden als bescheinigt angenommen. Dass die Antragsgegnerinnen an den Gesprächen der Anif-Runden nicht vertreten waren, haben sie im Rekurs nicht behauptet.

3.3. Im Übrigen muss sich der begründete Verdacht einer Zuwiderhandlung gegen die im Gesetz genannten wettbewerbsrechtlichen Vorschriften grundsätzlich nicht gegen die Person richten, in deren Räumlichkeiten die Hausdurchsuchung anzuordnen ist (RIS‑Justiz RS0125748). Insoweit kann es daher nicht auf die subjektive Tatseite dieser Person ankommen.

4.1. Begründet ist ein Verdacht iSd § 12 Abs 1 WettbG, wenn er sich rational nachvollziehbar dartun lässt, wofür Tatsachen vorliegen müssen, aus denen vertretbar und nachvollziehbar geschlossen werden kann, dass eine Zuwiderhandlung gegen Wettbewerbsbestimmungen vorliegt (RIS‑Justiz RS0125748 [T1]). Ein „dringender Tatverdacht“ ist weder nach dem Kartellgesetz bzw WettbG noch nach der StPO Voraussetzung für eine Hausdurchsuchung (RIS‑Justiz RS0125748 [T4]). Ob ein begründeter Verdacht iSd § 12 WettbG vorliegt, ist durch eine rechtliche Würdigung der tatsächlichen verdachtbegründend behauptenden Umstände zu ermitteln und daher im Rekursverfahren vor dem Obersten Gerichtshof überprüfbar (RIS‑Justiz RS0125748 [T5]).

4.2. Ein begründeter Verdacht (§ 12 Abs 1 WettbG) einer kartellgesetzwidrigen Absprache kann sich auch daraus ergeben, dass sich ein Unternehmen an Abstimmungen beteiligt oder nur an diesen teilgenommen hat, ohne sich offen dagegen auszusprechen (RIS‑Justiz RS0114081 [T1]).

4.3. Auch der Inhalt einer anonymen Anzeige kommt als eine die Durchsuchung von Orten rechtfertigende bestimmte Tatsache in Betracht (14 Os 46/09k = RIS-Justiz RS0125169; daran anschließend auch 16 Ok 7/11 zu § 12 WettbG). Eine derartige anonyme Anzeige ist selbstverständlich sorgfältig zu würdigen; gerade dann, wenn diese den entsprechenden Verdacht substanziiert, wie dies im vorliegenden Fall durch detaillierte Schilderung der angeblichen Absprachen zweifellos der Fall ist, kann dadurch ein ausreichender, eine Hausdurchsuchung nach § 12 Abs 1 WettbG rechtfertigender Verdacht begründet werden. Dies entspricht der Rechtsprechung zum Strafverfahren, wonach eine anonyme Anzeige eine ausreichende Verdachtslage begründen kann, wenn ihr Inhalt glaubwürdig und plausibel erscheint (14 Os 46/09k).

4.4. Die monokausale Argumentation der Rekurswerberinnen, das „Zurückfahren“ der Produktion der Sägeindustrie im August sei einfach darauf zurückzuführen, dass in Italien (dem Hauptabnehmer dieses Produkts) ab 15. 8.„Ferragosto“ herrsche und dadurch das Geschäftsleben auf ein Minimum reduziert werde, greift zu kurz, wurde doch im August 2011 im Informationsmedium der Holzbranche, der Zeitschrift Euwid, berichtet, dass die Produktionskürzungen bereits im Juli begonnen und das Ziel verfolgt haben, das zu hohe Schnittholzangebot an die jeweiligen Absatzbedingungen anzupassen und die Verkaufspreise zu stabilisieren, um im Herbst Preiserhöhungen durchsetzen zu können (Beilage ./H).

5.1. Zwischen den der Bundeswettbewerbs‑ behörde zustehenden Ermittlungsbefugnissen besteht nach ständiger Rechtsprechung keine hierarchische Ordnung. Es ist daher weder die Durchführung eines Auskunftsverlangens noch dessen Ankündigung Voraussetzung für die Erlassung eines Hausdurchsuchungsbefehls. Auskunftsverlangen und Nachprüfung sind vielmehr zwei von einander unabhängige Ermittlungsinstrumente zur Sachverhaltsaufklärung (RIS‑Justiz RS0127267; zuletzt 16 Ok 1/13). Weil Hausdurchsuchungen einen schwerwiegenden Eingriff in die Individualsphäre des Betroffenen darstellen, ist an das Interesse an der Sachverhaltsaufklärung ein strengerer Maßstab anzulegen als bei Auskunftsverlangen (RIS‑Justiz RS0127268). Daher muss eine Hausdurchsuchung nach § 12 WettbG einerseits erforderlich, andererseits verhältnismäßig sein (RIS‑Justiz RS0127268 [T1]). Die Erforderlichkeit ist anhand des bekanntgegebenen Zwecks zu prüfen (16 Ok 7/11).

5.2. Die Rekurswerberinnen argumentieren, man hätte zunächst Hausdurchsuchungen bei Dritten, und zwar der WKO, dem Verein Pro Holz Steiermark und der Holzcluster Steiermark GmbH durchführen müssen oder Informationen bei Dritten wie dem Agrarverlag und der Fachzeitschrift Euwid einholen müssen. Entgegen der im Rekurs vertretenen Auffassung ist bei Vorliegen eines Verdachts gegen ein bestimmtes Unternehmen von einer Hausdurchsuchung jedoch nicht schon allein deshalb Abstand zu nehmen, weil auch eine Hausdurchsuchung bei Dritten erfolgversprechend wäre. Für eine derartige „Subsidiarität“ der Hausdurchsuchung bei den Rekurswerberinnen gegenüber Hausdurchsuchungen bei anderen Parteien besteht keine gesetzliche Grundlage. Dass die Hausdurchsuchung auch nicht gegenüber einem Auskunftsverlangen subsidiär ist, wurde bereits ausgeführt.

5.3. Dazu kommt, dass eine Nachprüfung durch Hausdurchsuchung insbesondere dann zweckmäßig ist, wenn aus Sicht der Behörde Verdunkelungsgefahr besteht (16 Ok 7/11), welche hier nach der Lebenserfahrung anzunehmen ist. Bei Vorschaltung eines Auskunftsersuchens in derselben Sache an die Antragsgegnerinnen oder an Dritte oder einer Hausdurchsuchung bei Dritten könnte der Überraschungseffekt einer (weiteren) Hausdurchsuchung leicht unterlaufen werden.

6. Nachvollziehbar verweist das Erstgericht darauf, dass dann, wenn ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ zwischen einer Muttergesellschaft und einer Holdinggesellschaft mit demselben Geschäftssitz eine Hausdurchsuchung angeordnet wird, der Hausdurchsuchungsbefehl auf den Gesamtgebäudekomplex auszudehnen ist. Andernfalls könnten willkürlich und unüberprüfbar bestimmte Räume den einzelnen Gesellschaften zugeordnet werden bzw bestünde die Gefahr einer raschen Verbringung von inkriminierendem Material innerhalb des Gebäudekomplexes in Räume einer nicht vom Hausdurchsuchungsbefehl betroffenen Gesellschaft.

7.1. Nicht berechtigt ist auch der Rekurs, soweit er Aktenwidrigkeit geltend macht. Eine Aktenwidrigkeit liegt nur vor, wenn Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen werden, wenn also der Inhalt einer Urkunde, eines Protokolls oder eines sonstigen Aktenstücks unrichtig wiedergegeben und infolgedessen ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen wurde, nicht aber schon dann, wenn das aufgrund der Beweisaufnahme gewonnene Sachverhaltsbild vom Parteienvorbringen abweicht. Erwägungen der Tatsacheninstanzen, weshalb ein Sachverhalt als erwiesen angenommen oder bestimmte Feststellungen nicht getroffen werden könnten, fallen in das Gebiet der Beweiswürdigung, können daher weder eine Aktenwidrigkeit bilden noch gegen den Dispositionsgrundsatz verstoßen (RIS‑Justiz RS0043347; 16 Ok 8/10).

7.2. Die Rekurswerberinnen erblicken eine Aktenwidrigkeit darin, dass dem Hausdurchsuchungsantrag der Bundeswettbewerbsbehörde kein Aktenvermerk über die Telefonate im Sommer und Herbst 2012 beigelegt gewesen sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass es sowohl einen Aktenvermerk der Richterin als auch einen Aktenvermerk der Bundeswettbewerbsbehörde über die Anrufe gibt. Beide Aktenvermerke sind aktenkundig. Von Aktenwidrigkeit kann daher keine Rede sein.

8. Zusammenfassend erweist sich der Beschluss des Erstgerichts daher als frei von Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Rekurs ein Erfolg zu versagen war.

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