OGH 5Ob7/13k

OGH5Ob7/13k6.11.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. H***** M*****, vertreten durch Winkler Reich‑Rohrwig Illedits Wieger Rechtsanwälte‑Partnerschaft (OG) in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. S***** F*****, vertreten durch Mag. Martin Bican, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Wiederherstellung (Streitinteresse 12.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. August 2012, GZ 12 R 172/11v‑37, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 5. August 2011, GZ 58 Cg 230/09h‑31, teilweise bestätigt, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0050OB00007.13K.1106.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 559,15 EUR (darin enthalten 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Urkundenvorlage der beklagten Partei vom 15. 7. 2013 wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Klägerin ist schlichte Miteigentümerin der Liegenschaft, auf dem das Haus *****, errichtet ist. Ihr sind die Wohnungen Top 5 und 6 zur ausschließlichen Nutzung zugewiesen. Mit den im Eigentum der Beklagten stehenden Miteigentumsanteilen an dieser Liegenschaft ist zum einen Wohnungseigentum an der Wohnung Top 15 verbunden, zum anderen ist sie zur ausschließlichen Nutzung der Wohnung Top 16 berechtigt. Diese beiden Wohnungen wurden von den ursprünglichen Mietern mit der Zustimmung der damaligen Alleineigentümerin der Liegenschaft unter Einbeziehung des den beiden Wohnungen zugeordnet gewesenen Gang‑WCs zusammengelegt. Dabei wurde eine Verbindung zwischen den Wohnungen Top 15 und 16 sowie von letzterer zum Gang‑WC hergestellt. Die Eingangstüre zur Wohnung Top 16 sowie die am Gang befindliche WC‑Türe blieben zunächst jedoch bestehen und wurden erst durch den unmittelbaren Rechtsvorgänger der Beklagten entfernt; die Türöffnungen wurden verschlossen.

Die Klägerin begehrte die Beklagte schuldig zu erkennen, im Einzelnen konkret bezeichnete bauliche Veränderungen innerhalb der Wohnungen Top 15 und 16, aber auch im Zusammenhang mit der Zusammenlegung dieser beiden Wohnungen rückgängig zu machen und es zu unterlassen, künftig derartige bauliche Veränderungen vorzunehmen.

Mit dem angefochtenen Teilurteil bestätigte das Berufungsgericht unter anderem die Abweisung der von der Klägerin begehrten Beseitigung der im Zuge der Wohnungszusammenlegung hergestellten Verbindungen zwischen den Wohnungen Top 15 und 16 einerseits und der Wohnung Top 16 zum Gang‑WC andererseits sowie die Wiederherstellung der ursprünglichen Eingänge zu diesen Objekten vom Gang aus. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist ausschließlich das Begehren der Klägerin auf Wiederherstellung der ursprünglichen Zugänge zum Gang‑WC bzw zur Wohnung Top 16 und das damit im Zusammenhang stehende Unterlassungsbegehren. Darüber hinaus erwuchs das Teilurteil des Berufungsgerichts in Rechtskraft.

Das Berufungsgericht ließ die Revision über Antrag der Klägerin nach § 508 Abs 3 ZPO zu, weil der Oberste Gerichtshof in der dasselbe Haus betreffenden Entscheidung 5 Ob 40/12m die von den Vorinstanzen vertretene Ansicht, die von der dortigen Beklagten (= Klägerin des gegenständlichen Verfahrens) vorgenommene Veränderung der Wohnungseingangstüre stelle eine Maßnahme dar, die der Zustimmung aller Miteigentümer bedurft hätte, gebilligt habe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig. Gemäß § 510 Abs 3 ZPO kann sich dieser Beschluss auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

1. Bereits das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass das vormals in § 13 Abs 2 WEG 1975 geregelte Änderungsrecht nach einhelliger Auffassung auch nach dem Inkrafttreten des § 16 Abs 2 WEG 2002 nur Wohnungseigentümer, nicht aber auch schlichte Miteigentümer in sogenannten Mischhäusern betrifft (5 Ob 38/08m; 5 Ob 40/12m; Würth/Zingher/Kovanyi , Miet‑ und Wohnrecht 22 § 16 WEG Rz 3; A. Vonkilch in Vonkilch/Hausmann , Österreichisches Wohnrecht, § 16 WEG Rz 2). Diese Bestimmung regelt, wann die übrigen Wohnungseigentümer ihre Zustimmung zu beabsichtigten Änderungen eines Wohnungseigentümers an seinem Objekt nicht wirksam verweigern können, weil sie sonst zu ersetzen ist ( Würth/Zingher/Kovanyi aaO Rz 10). Für die Beseitigung einer behauptetermaßen eigenmächtig vorgenommenen Änderung, die im Prozessweg begehrt werden kann (vgl dazu RIS‑Justiz RS0013665; RS0083156), macht es aber keinen Unterschied, ob die Beklagte als Wohnungseigentümerin oder als schlichte Miteigentümerin in Anspruch genommen wird (vgl 5 Ob 40/12m). Liegt die behauptete Eigenmacht einer Veränderung vor, ist im Verfahren über die Klage auf Unterlassung oder Beseitigung einer solchen rechtswidrigen Änderung deren Genehmigungsbedürftigkeit, nicht aber die Genehmigungsfähigkeit der Änderung zu prüfen (RIS‑Justiz RS0013665 [T15]; RS0083156 [T6, T14, T20]).

2. In der Entscheidung 5 Ob 40/12m (immolex‑LS 2012/86‑88 = EvBl‑LS 2012/168 = bbl 2013/27), auf die sich die Klägerin in ihrer Revision bezieht, hat der Oberste Gerichtshof unter Berufung auf Vorjudikatur darauf verwiesen, dass einem Miteigentümer, dem der physische Besitz eines Teils der Liegenschaft zur alleinigen Nutzung überlassen wurde, die ausschließliche rechtliche Verfügungsgewalt über diesen Teil zukommt. Das alleinige Nutzungsrecht umfasst unter gewissen Voraussetzungen auch das Recht zur physischen Veränderung (5 Ob 174/02b). Dem steht § 828 ABGB, wonach kein Teilhaber einer gemeinsamen Sache bei Uneinigkeit der Miteigentümer Veränderungen vornehmen darf, nur dann entgegen, wenn durch eine Widmungsänderung oder einen Eingriff in die Substanz in die Rechtssphäre der übrigen Teilhaber eingegriffen und deren wichtige Interessen berührt werden (RIS‑Justiz RS0013205; 1 Ob 47/04z; Gamerith in Rummel , ABGB³ § 828 Rz 4; Gruber/Sprohar-Heimlich in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 829 Rz 9). Solche Substanzveränderungen können insbesondere in Baumaßnahmen liegen. Ohne Einstimmigkeit sind sie dann unzulässig, wenn sie zwar die einzelnen Teilhabern zur Sondernutzung zugewiesenen Teile des Gemeinschaftsguts beträfen, aber in die Rechtssphäre der Übrigen durch eine Berührung deren wichtigen Interessen eingriffen (5 Ob 174/02b; 1 Ob 47/04z ua). Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht nicht abgewichen.

3. Die im Revisionsverfahren noch gegenständlichen baulichen Veränderungen sind unmittelbarer Ausfluss aus der Zusammenlegung der Wohnungen Top 15 und 16 unter Einbeziehung des ehemaligen Gang‑WCs und können nicht losgelöst davon betrachtet werden. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Beseitigung der Verbindung zwischen den beiden Wohnungen bzw von der Wohnung Top 16 zum Gang‑WC und anderer aus der Zusammenlegung resultierender Maßnahmen wurde von den Vorinstanzen bereits rechtskräftig verneint. Die Bindung der Klägerin, die ihre Miteigentumsanteile in einer Zwangsversteigerung erworben hat, an die auf die ursprüngliche Alleineigentümerin zurückgehende Zustimmung zur Zusammenlegung der Wohnungen Top 15 und 16 unter Einbeziehung des Gang‑WCs muss damit nicht mehr geprüft werden. Die sich daraus für das bestehende Mit- und Wohnungseigentum ergebende faktische Gebrauchsordnung, die es der Beklagten erlaubt, die beiden Objekte als eine einheitliche Wohneinheit ausschließlich zu nutzen, wird von der Klägerin in ihrer Geltung auch nicht bestritten. Daraus ergeben sich aber Sondernutzungsrechte der Beklagten, die nicht nur deren alleinige Verfügungsgewalt, sondern auch das Recht zur Vornahme von Veränderungen umfassen, die mit der Zusammenlegung zwangsläufig einhergehend oder Folge davon sind.

4. Schon nach der allgemeinen Verkehrsauffassung umfasst eine Zusammenlegung von Wohnungen regelmäßig auch eine Standardanhebung (wie hier durch Einbeziehung des WCs), die sich nicht zuletzt auch darin zeigt, dass die damit überflüssig gewordenen Zugänge verschlossen werden. Anhaltspunkte für eine Beschränkung der der Beklagten zukommenden ausschließlichen Nutzungsrechte dahingehend, dass ein Rückbau der Zusammenlegungsmaßnahmen durchzuführen wäre, liegen nicht vor und werden von der Klägerin auch nicht behauptet. Auch sonst legt die Klägerin keine Gründe dar, warum diese Türen ungeachtet der Zusammenlegung und Standardverbesserung gegen die Verkehrsauffassung zu erhalten wären. Damit sind die Vorinstanzen aber zutreffend davon ausgegangen, dass diese vom Rechtsvorgänger der Beklagten durchgeführten baulichen Veränderungen keiner Genehmigung bedurften. Die Klägerin hat sie als Teil der Zusammenlegungs‑ und Standardanhebungsmaßnahmen und damit als Teil der bestehenden Gebrauchsordnung hinzunehmen.

5. Auch versucht die Klägerin in ihrem Rechtsmittel erst gar nicht darzulegen, inwieweit durch die Beseitigung der funktionslos gewordenen Eingänge vom Gang in die Rechtssphäre der übrigen Teilhaber eingegriffen werden könnte. Ob Eingangstüren als Übergangsbereich zwischen den zur ausschließlichen Nutzung zugewiesenen Objekten und den allgemeinen Teilen des Hauses zu den Allgemeinflächen zählen, muss hier nicht näher erörtert werden. Soweit die Klägerin daraus eine Wiederherstellungspflicht der Beklagten hinsichtlich der durch die Zusammenlegung funktionslos gewordenen Zugänge ableitet, übersieht sie, dass einer (faktischen) Gebrauchsordnung, der eine Standardanhebung durch Zusammenlegung von Wohnungen zugrunde liegt, ohne konkrete Anhaltspunkte auch keine Aufrechterhaltung der Widmung als selbständige Zugänge, obwohl sie ihre Funktion verloren haben, unterstellt werden kann. Die Ausführungen in der Revision der Klägerin erschöpfen sich hier im Wesentlichen in dem Verweis auf die Entscheidung 5 Ob 40/12m, ohne jedoch zu berücksichtigen, dass in dieser Entscheidung nicht die Beseitigung eines nach Zusammenlegung von Wohnungen überflüssig gewordenen Zugangs vom Gang aus zu beurteilen war. Gegenstand dieses Verfahrens war eine eigenmächtige bauliche Veränderung an der bestehenden Wohnungseingangstüre und damit eine Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes dieses Wohnungszugangs. Davon unterscheidet sich der vorliegende Fall, in dem nicht mehr von einer Widmung der hier strittigen Wandflächen als eigenständige Zugänge ausgegangen werden kann. Mit ihrem Hinweis auf die Entscheidung 5 Ob 40/12m zeigt die Klägerin daher keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung auf.

6. Die Revision ist somit zurückzuweisen, ohne dass es einer weiteren Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO).

7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.

Die Beklagte hat in ihrer Rechtsmittelbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision der Klägerin hingewiesen und daher Anspruch auf Ersatz der darauf entfallenden Kosten (RIS‑Justiz RS0035979).

8. Jeder Partei steht nur eine einzige Rechtsmittelschrift oder Rechtsmittelgegenschrift zu. Weitere Rechtsmittelschriften und Rechtsmittelgegenschriften, Nachträge oder Ergänzungen sind unzulässig (RIS-Justiz RS0041666). Die an den Obersten Gerichtshof gerichtete Urkundenvorlage der Beklagten vom 15. 7. 2013 ist damit zurückzuweisen.

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