OGH 3Ob178/13t

OGH3Ob178/13t29.10.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Musger und Dr. Roch als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei L***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Friedrich Schubert, Rechtsanwalt in Wien, gegen die verpflichtete Partei K*****, vertreten durch Dr. Hellmut Prankl, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 21.754,65 EUR sA, über den Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 31. Juli 2013, GZ 53 R 196/13z, 53 R 197/13x‑20, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 2. August 2013, GZ 53 R 196/13z, 53 R 197/13x‑21, womit infolge Rekurses der verpflichteten Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 23. Mai 2013, GZ 7 E 1119/13y‑2, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs der betreibenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit dem rechtskräftigen und vollstreckbaren Versäumungsurteil des Handelsgerichts Wien vom 2. November 2004 wurde der Verpflichtete (ua) schuldig erkannt, der betreibenden Partei den Betrag von 21.971,85 EUR sA zu zahlen.

Mit Beschluss vom 25. Februar 2005 hat das Bezirksgericht St. Johann im Pongau über das Vermögen des Verpflichteten das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Dieses wurde mit Beschluss vom 20. April 2006 nach rechtskräftiger Einleitung des Abschöpfungsverfahrens aufgehoben. Mit Beschluss vom 10. Juli 2013 hat das Bezirksgericht St. Johann im Pongau das Abschöpfungsverfahren für beendet erklärt und ausgesprochen, dass dem Schuldner die Restschuldbefreiung nicht erteilt wird.

Bereits am 28. Februar 2013 beantragte die betreibende Partei zur Hereinbringung der titulierten Forderung von 21.971,85 EUR sA die Bewilligung der Forderungsexekution gemäß § 294a EO und der Fahrnisexekution. Auf den Vorhalt des Erstgerichts, dass das Abschöpfungsverfahren eingeleitet worden sei, reagierte die betreibende Partei am 22. März 2013 mit dem Hinweis, dass das Abschöpfungsverfahren beendet und keine Restschuldbefreiung erteilt worden sei (ON 3). Daraufhin bewilligte das Erstgericht am 23. Mai 2013 antragsgemäß die Exekution.

Über Rekurs des Verpflichteten (ON 7) änderte das Rekursgericht die angefochtene Exekutionsbewilligung dahin ab, dass der Exekutionsantrag zurückgewiesen wurde.

Während des anhängigen Abschöpfungs-verfahrens seien Exekutionen einzelner Konkursgläubiger in das Vermögen des Schuldners unzulässig; dieses Exekutionshindernis sei von Amts wegen wahrzunehmen. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof mit der Exekutionssperre nach § 206 Abs 1 IO bisher nur in der Entscheidung 3 Ob 208/05t auseinandergesetzt habe; in dieser Entscheidung seien weder die Wahrnehmbarkeit der Exekutionssperre von Amts wegen noch der Zeitraum näher behandelt worden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der betreibenden Partei mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Wiederherstellung der erstgerichtlichen Exekutionsbewilligung. Hilfsweise wird ein Aufhebungs‑ und Zurückverweisungsantrag gestellt. Als „Revisionsgründe werden wesentliche Verfahrensmängel, unrichtige Tatsachenfeststellung, Aktenwidrigkeit sowie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht. Darüber hinaus stützt sich die betreibende Partei auf jeden erdenklichen weiteren Revisionsgrund“.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

Nach den Revisionsrekursausführungen hätte das Rekursgericht den Umstand, dass das Abschöpfungsverfahren zum Zeitpunkt der erstgerichtlichen Beschlussfassung noch beendet gewesen sei, nicht von Amts wegen wahrnehmen dürfen, sondern hätte von dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt ausgehen müssen; die vom Rekursgericht gewählte Vorgangsweise widerspreche dem Neuerungsverbot. Im Übrigen sei die Exekutionssperre zum Zeitpunkt der Beschlussfassung durch das Erstgericht nicht mehr vorgelegen. Letztlich sei nicht der Lebenssachverhalt maßgeblich, der zum Zeitpunkt der Beschlussfassung erster Instanz vorgelegen sei, sondern derjenige zum Zeitpunkt der Beschlussfassung durch das Rekursgericht am 31. Juli 2013.

Dazu wurde erwogen:

1. Da sich die hier maßgebliche Rechtslage durch das IRÄG 2010 (BGBl I 2010/29) nicht geändert hat, wird im Folgenden ‑ ungeachtet der Übergangsbestimmung des § 273 Abs 1 IO ‑ jeweils auf die IO Bezug genommen.

2. Gemäß § 10 Abs 1 IO kann nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (bis zur Rechtskraft der Aufhebung des Insolvenzverfahrens: RIS‑Justiz RS0063964) wegen einer Forderung gegen den Schuldner an den zur Insolvenzmasse gehörigen Sachen kein richterliches Pfand‑ oder Befriedigungsrecht erworben werden. Die Exekutionssperre des § 10 Abs 1 IO bildet eine absolute negative Exekutionsvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen und nicht bloß auf Antrag des Verpflichteten wahrzunehmen ist (RIS‑Justiz RS0004928, RS0063882). Ein gegen § 10 Abs 1 IO verstoßender Exekutionsantrag ist zurückzuweisen (Deixler‑Hübner in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze, § 10 KO Rz 22 mwN).

Da die mit der Aufnahme in die Insolvenzdatei eintretenden Wirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine gerichtsbekannte Tatsache bilden, ist die Exekutionssperre gegebenenfalls auch noch im Rechtsmittelverfahren ‑ von Amts wegen ‑ wahrzunehmen (Jakusch in Angst 2 § 3 Rz 46). Der Gegenansicht, wonach wegen des Neuerungsverbots nur ein Einstellungsantrag in Betracht komme (Angst in Angst 2 § 133 Rz 34), steht die schon erwähnte ständige Rechtsprechung entgegen (siehe auch die Nachweise in den Entscheidungen 3 Ob 226/97z und 3 Ob 74/98y).

3. Auch während des Abschöpfungsverfahrens sind Exekutionen einzelner Insolvenzgläubiger in das Vermögen des Schuldners nicht zulässig (§ 206 Abs 1 IO; 3 Ob 208/05t; Jakusch in Angst 2 § 3 Rz 64). Da der Zweck des § 206 Abs 1 IO der gleiche ist wie der des § 10 Abs 1 IO, nämlich die Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger im Insolvenzverfahren zu gewährleisten, ist auch während des Abschöpfungsverfahrens das Exekutionshindernis von Amts wegen wahrzunehmen.

4. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Exekutionsvoraussetzungen ist der Zeitpunkt der Beschlussfassung erster Instanz (RIS‑Justiz RS0000019, RS0000020 [T6]). Zu diesem Zeitpunkt war das Abschöpfungsverfahren noch anhängig.

Dem Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist daher ein Erfolg zu versagen.

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