OGH 8ObA63/13t

OGH8ObA63/13t28.10.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Werner Hallas und Ing. Thomas Bauer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Betriebsrat der Angestellten der H***** gemeinnützige GmbH, *****, vertreten durch Dr. Stephan Rainer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei H***** gemeinnützige GmbH, *****, vertreten durch Dr. Alfons Klaunzer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung nach § 54 Abs 1 ASGG, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 4. Juni 2013, GZ 15 Ra 16/13k‑46, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Soweit der Kläger in der außerordentlichen Revision auf Beweisergebnisse Bezug nimmt, versucht er, die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts anzugreifen, was in dritter Instanz aber nicht mehr möglich ist (RIS‑Justiz RS0043371). Auch ein sekundärer Feststellungsmangel liegt ‑ wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat ‑ nicht vor.

2. Wie die meisten Tätigkeiten können auch Pflege- und Betreuungsleistungen in Abhängigkeit von den jeweiligen Rahmenbedingungen sowohl selbständig als auch unselbständig erbracht werden (vgl Rebhahn in ZellKomm2 § 1151 ABGB Rz 3). Für die Abgrenzung des Arbeitsvertrags zu anderen Vertragstypen kommt es auch in dieser Hinsicht auf die in der Judikatur entwickelten Kriterien an (vgl dazu RIS‑Justiz RS0021332; RS0021518).

Wie sich ‑ im Einklang mit diesen Grundsätzen ‑ aus § 2 des BAGS‑Kollektivvertrags ergibt, setzt auch dieser ein echtes Arbeitsverhältnis voraus. Dies gilt damit auch für die Anwendbarkeit der Sonderbestimmungen für Pflegeeltern nach § 20 leg cit. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass Pflegeeltern nur dann dem BAGS‑Kollektivvertrag unterliegen, wenn ihr Beschäftigungsverhältnis als echtes Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist, stellt daher keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung dar. Freilich kann die Tätigkeit als Pflegeeltern auch im Rahmen eines echten Arbeitsverhältnisses erfolgen. Die Beurteilung, ob ein echtes Arbeitsverhältnis oder ein freier Dienstvertrag vorliegt, ist aber typisch vom Einzelfall geprägt. Generelle Aussagen für alle Pflegeelternverhältnisse können daher nicht getroffen werden.

3.1 Im Anlassfall ist letztlich zu klären, ob aufgrund der konkreten Umstände im Einzelfall vom Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses auszugehen ist oder nicht. Diese Beurteilung stellt im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (8 ObA 40/13k).

Nach der Judikatur zur Abgrenzung der Vertragstypen ist jeweils konkret zu prüfen, ob von persönlicher Abhängigkeit des Beschäftigten (Weisungsgebundenheit betreffend Arbeitsort, Arbeitsablauf etc), von persönlicher, auf Zeit abgestellter Arbeitspflicht, von Fremdbestimmtheit und von funktioneller Einbindung in das betriebliche Weisungsgefüge auszugehen ist (8 ObA 55/07g; 8 ObA 17/11z). Bei Pflege‑ und Betreuungsleistungen ist maßgebend, ob sich der Vertragspartner (hier die Beklagte) die für ein echtes Arbeitsverhältnis typischen Weisungsbefugnisse vorbehalten hat und die Pflege nach seinen subjektiven Wünschen zu gestalten ist, oder ob die Abwicklung der Betreuung an sachlichen Erfordernissen orientiert ist. Der Umstand, dass die zu erbringenden Betreuungsleistungen allgemein definiert sind, schließt die konkrete Durchführung der Tätigkeit nach dem Sachlichkeitsprinzip und damit die Erbringung der Leistungen im Rahmen einer selbständigen Erwerbstätigkeit nicht aus (vgl 8 ObA 17/11z).

3.2 Der Kläger bestreitet nicht, dass das Berufungsgericht die für die Abgrenzung des echten Arbeitsvertrags vom freien Dienstvertrag maßgebenden Kriterien zutreffend dargestellt hat. Auch in der Anwendung dieser Kriterien auf das hier konkret gelebte Vertragsverhältnis ist dem Berufungsgericht kein Rechtsirrtum unterlaufen.

4.1 Aufgabe der Beklagten ist es, geeignete Pflegeplätze für die Unterbringung behinderter Kinder zu vermitteln. Die Finanzierung erfolgt ‑ über die Beklagte, die das heilpädagogische Honorar an die Pflegeeltern auszahlt ‑ durch das Land Tirol nach einem Tagessätze‑System aufgrund von Abrechnungen mit der Beklagten. Die Basis dafür ist das Pflegeelternkonzept (Beilage ./VI). Unstrittig ist, dass die Unterbringung der Kinder bei den Pflegeeltern aus dem Pflege‑ und Erziehungselement einerseits und dem Element der heilpädagogischen Entwicklungsförderung andererseits besteht. Das zwischen der Beklagten und einem Pflegeelternteil (idR Pflegemutter) abgeschlossene Vertragsverhältnis bezieht sich ausschließlich auf die Förderungskomponente, also auf die heilpädagogischen Leistungen.

4.2 Für die Unterbringung eines Kindes bei Pflegeeltern ist eine (befristete) bescheidmäßige Bewilligung der Rehabilitation nach dem Tiroler Rehabilitationsgesetz, die über Antrag des jeweiligen Kindes erteilt wird, sowie eine bescheidmäßige Pflegebewilligung nach dem Tiroler Jugendwohlfahrtsgesetz, die von den Pflegeeltern beantragt wird, erforderlich. Die Unterbringung ist somit (auch) von einem Antrag der Pflegeeltern abhängig. Daraus folgt, dass die Eltern mit der Betreuung des Kindes einverstanden sein müssen und dieses auch ablehnen können.

Der Dienstvertrag, der zwischen der Beklagten und der jeweiligen Pflegemutter abgeschlossen wird, enthält allgemein gehaltene Zielvorgaben. Zudem ist darin festgehalten, dass die Pflegemutter weisungsunabhängig ist, den Ort und die Zeit der heilpädagogischen Arbeit selbst bestimmen kann und keine persönliche Leistungsverpflichtung trifft. Entgegen den Ausführungen in der außerordentlichen Revision kann sich die Pflegemutter im Fall einer Verhinderung (Krankheit, Urlaub) auch hinsichtlich der heilpädagogischen Arbeit vertreten lassen, was von der Pflegemutter selbst zu organisieren ist. Die Pflegeeltern können auch einer weiteren Beschäftigung nachgehen. Fortbildung und Dokumentation sind nach dem gelebten Vertragsverhältnis nicht verbindlich.

4.3 Das vom Kläger ins Treffen geführte Pflegeelternkonzept betrifft in erster Linie das Verhältnis zwischen der Beklagten und dem Land Tirol. Entgegen den Überlegungen in der außerordentlichen Revision geht aber auch das Berufungsgericht davon aus, dass die Beklagte die Verpflichtungen aus dem Pflegeelternkonzept ‑ allerdings nur im Rahmen seiner Feststellungen ‑ auf die Pflegeeltern überbunden hat. Nach dem gelebten Vertragsverhältnis sind aus dem Pflegeelternkonzept nur Unterstützungs- und Beratungsmöglichkeiten für die Pflegeeltern relevant. Dadurch ändert sich aber nichts an der selbstbestimmten Durchführung der heilpädagogischen Arbeit. Im Pflegeelternkonzept ist schließlich auch festgehalten, dass kein Urlaubsanspruch besteht.

4.4 Ausgehend von den Feststellungen besteht die Aufgabe der Beklagten somit nur in der Qualitätssicherung der heilpädagogischen Entwicklungsförderung. Die konkrete Gestaltung der heilpädagogischen Betreuung, also die Durchführung und der Ablauf der konkreten Betreuungsleistungen, wird ohne Einfluss der Beklagten allein von den Pflegeeltern festgelegt. Der Umstand, dass die zu erbringenden Betreuungsleistungen im Sinn allgemeiner Zielvorgaben vordefiniert sind, ändert daran ebenfalls nichts. Die Möglichkeit zur Auflösung des Vertrags bei Vorliegen eines Extremfalls, der die weitere Zusammenarbeit unzumutbar erscheinen lässt, ist jedem Dauerschuldverhältnis immanent.

5. Insgesamt stellt die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass ‑ bei einer Gesamtbetrachtung nach der Methodik eines beweglichen Systems (vgl RIS‑Justiz RS0021306 [T10]) ‑ die für einen freien Dienstvertrag sprechenden Elemente im Anlassfall deutlich überwiegen, keine Überschreitung des ihm eingeräumten Ermessensspielraums dar (vgl RIS‑Justiz RS0044088).

Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

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