OGH 6Ob176/13w

OGH6Ob176/13w24.10.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Steyr zu FN ***** eingetragenen C***** Privatstiftung mit dem Sitz in S***** über den Revisionsrekurs der Stiftung, vertreten durch Saxinger, Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 12. August 2013, GZ 6 R 116/13s‑5, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Steyr vom 17. Juni 2013, GZ 21 Fr 1426/13i‑2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Aus Anlass des Revisionsrekurses wird der angefochtene Beschluss als nichtig aufgehoben. Die Sache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Rekursgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Mitglied des Senats, mit dem das Rekursgericht einen Beschluss des Erstgerichts bestätigte und den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig erklärte, war die Richterin des Oberlandesgerichts *****. Sowohl im Rekurs‑ als auch im Revisionsrekursverfahren wurde beziehungsweise wird die rechtsmittelwerbende Privatstiftung von der Saxinger, Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz vertreten. Seit August 2011 ist Rechtsanwalt ***** Gesellschafter dieser Gesellschaft und vertritt sie seit 1. 4. 2012 selbstständig als Geschäftsführer; darüber hinaus verfügt die Gesellschaft über rund 20 weitere Gesellschafter und selbstständig vertretungsbefugte Geschäftsführer. Der Rekurs wurde am 4. 7. 2013 erhoben; auf dessen erster Seite wird unter den in dieser Rechtsanwälte GmbH tätigen Rechtsanwälten auch ***** genannt.

Aufgrund einer schriftlichen Mitteilung des Präsidenten des Oberlandesgerichts Linz ist der erkennende Senat seit 22. 10. 2013 in Kenntnis, dass die Richterin des Oberlandesgerichts ***** und Rechtsanwalt ***** aufrecht miteinander verheiratet sind.

Rechtliche Beurteilung

Der angefochtene Beschluss ist nichtig.

1. Nach § 20 Z 2 JN ist ein Richter von der Ausübung des Richteramts unter anderem in Sachen seines Ehegatten ausgeschlossen. Nach herrschender Auffassung (RIS‑Justiz RS0045963, RS0046076 [T1]; zuletzt 5 Ob 93/13g; Mayr in Rechberger, ZPO³ [2006] § 20 JN Rz 3; Kodek/Mayr, Zivilprozessrecht² [2013] Rz 158) hat ein derartiges Verhältnis zum Bevollmächtigten einer Partei ebenfalls die Ausschließung des Richters zur Folge. Dieser Ausschließungsgrund ist in analoger Anwendung des § 20 Z 2 JN vom Rechtsmittelgericht sofort als Nichtigkeitsgrund wahrzunehmen (stRsp, vgl etwa 5 Ob 93/13g; abweichend Ballon in Fasching, ZPO² [2000] § 20 JN Rz 7, der zwar eine Analogie zu § 20 Z 3 JN annimmt, jedoch zum selben Ergebnis gelangt wie die herrschende Auffassung).

2. Der Oberste Gerichtshof hat zwar bereits klargestellt, dass dieser Ausschließungsgrund nicht vorliegt, wenn der Richter lediglich in einem entsprechenden Verhältnis zu einem Rechtsanwalt steht, der selbst von der Partei nicht bevollmächtigt ist beziehungsweise auch nicht (etwa als Substitutionsbevollmächtigter) tätig wird und entweder mit dem tatsächlich einschreitenden Bevollmächtigten der Partei bloß in einer Kanzleigemeinschaft, also einer Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechts, verbunden (6 Ob 642/83) oder bloß angestellter Rechtsanwalt (§ 21g RAO) des tatsächlich Bevollmächtigten (5 Ob 93/13g) ist.

In der Entscheidung 9 ObA 5/92 bejahte der Oberste Gerichtshof hingegen das Vorliegen des Ausschließungsgrundes des § 20 Z 2 JN, weil der Ehegatte eines Mitglieds des Berufungssenats zusammen mit anderen Rechtsanwälten in einer Kanzleigemeinschaft tätig war und (auch) ihm von der Partei Vollmacht erteilt worden war; dies steht insoweit im Einklang mit der bereits erwähnten Entscheidung 6 Ob 642/83. In der Entscheidung 5 Ob 93/13g ließ der Oberste Gerichtshof erst jüngst die Frage, ob ein Ausschließungsgrund vorliegt, wenn der Angehörige des Richters Geschäftsführer, Gesellschafter oder Prokurist der bevollmächtigen Rechtsanwalts-Gesellschaft (§ 21e RAO) ist, ausdrücklich offen.

3.1. Nach § 21e RAO kann Rechtsanwalts-Partnerschaften und Rechtsanwalts-Gesellschaften in Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung Vollmacht erteilt werden; sie sind durch ihre vertretungsbefugten Gesellschafter im Rahmen der diesen zukommenden beruflichen Befugnisse vertretungsbefugt iSd § 8 RAO.

Damit ist der einzelne, tatsächlich tätig werdende Rechtsanwalt zwar nicht der Bevollmächtigte im Sinn der zu 1. dargestellten Rechtsprechung. Bevollmächtigter in diesem Sinn ist aber jeder Machthaber, auch wenn er nicht Rechtsanwalt ist (Ballon in Fasching, ZPO² [2000] § 20 JN Rz 7), also auch die Gesellschaft, wobei diese durch ihre Vertreter handelt. Angesichts der eminenten Bedeutung der Parteienvertreter im Zivilverfahren und deren unbestreitbaren Interesses am Obsiegen der von ihnen vertretenen Parteien (Ballon aaO) ist es unzweifelhaft, dass der Ausschließungsgrund des § 20 Z 2 JN analog jedenfalls auch dann anzuwenden ist, wenn der Richter mit jenem Vertreter der Rechtsanwalts-Gesellschaft verheiratet ist, der für die Gesellschaft im Verfahren tatsächlich auftritt.

3.2. Im hier zu beurteilenden Verfahren ist der Aktenlage nicht eindeutig zu entnehmen, ob ***** als Vertreter der Saxinger, Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH tätig geworden ist. Allerdings hat der Oberste Gerichtshof in einer Sozialversicherungssache, in der ein Angestellter einer Kammer trotz seiner Nennung auf der von einer Partei unterfertigten Vollmachtsurkunde (neben mehreren anderen Angestellten) als Mitglied des entscheidenden Senats tätig geworden war, klargestellt, dass eine Person, die auf der Vollmacht als Vertreter einer Verfahrenspartei aufscheint, vom Richteramt auch dann ausgeschlossen ist, wenn sie in diesem Fall keinerlei Beratungs- oder Vertretungstätigkeit ausübte und die Partei nicht einmal kannte (10 ObS 333/88 SSV‑NF 2/144).

Diese Rechtsprechung ist auch hier beachtlich. Im Unterschied zur Kanzleigemeinschaft, also einer Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechts, bei der nicht alle Mitglieder bevollmächtigt wurden (vgl 6 Ob 642/83), kommt bei der Rechtsanwalts‑Gesellschaft in Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gemäß § 21e RAO jedem vertretungsbefugten Gesellschafter die Vertretungsbefugnis in jedem Mandatsverhältnis der Gesellschaft zu, ohne dass es einer weiteren Bevollmächtigung bedürfte; insoweit entspricht die Situation dem der Entscheidung 10 ObS 333/88 zugrunde liegenden Sachverhalt. Darüber hinaus liegen bei einer Rechtsanwalts-Gesellschaft mit beschränkter Haftung auch die wirtschaftlichen Interessen eines jeden Gesellschafters hinsichtlich eines jeden Mandatsverhältnisses auf der Hand.

3.3. Damit ist aber auch ein Richter analog § 20 Z 2 JN vom Richteramt ausgeschlossen, dessen Ehegatte Gesellschafter oder Geschäftsführer einer Rechtsanwalts-Gesellschaft in Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach § 21e RAO ist, wenn eine Partei des vom Richter zu führenden Verfahrens dieser Rechtsanwalts-Gesellschaft Vollmacht erteilt hat, und zwar auch dann, wenn der Ehegatte in diesem Verfahren tatsächlich nicht als Vertreter der Rechtsanwalts‑Gesellschaft tätig wurde beziehungsweise wird.

4. Die Richterin des Oberlandesgerichts ***** war somit vom Richteramt im vorliegenden Verfahren ausgeschlossen, ohne dass es von Bedeutung wäre, ob sie als Berichterstatterin oder als stimmführendes Mitglied des Rekurssenats tätig wurde.

Die angefochtene Entscheidung war als nichtig aufzuheben; das Rekursgericht wird neuerlich über den Rekurs der Privatstiftung zu entscheiden haben.

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