OGH 9ObA5/92

OGH9ObA5/9212.2.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Gamerith und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Meches und Hermann Wachtberger als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei H***** D*****, Korrektor, ***** vertreten durch Dr. Alfred Eichler, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei *****W***** Gesellschaft mbH, *****vertreten durch Dr. Norbert Nagele, Rechtsanwalt in Linz, wegen 95.377,86 S und Feststellung (Gesamtstreitwert 101.377,86 S sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. September 1991, GZ 12 Ra 82/91-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 22. Mai 1991, GZ 15 Cga 38/91-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Aus Anlaß der Revision wird das angefochtene Urteil als nichtig aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger, ein freigestellter Betriebsrat, begehrt die Zahlung eines Betrages von 95.377,86 S sA sowie die Feststellung, daß ihm jenes Entgelt gebühre, welches die beklagte Partei vergleichbaren Arbeitnehmern als Abgeltung für jene nicht gewährte Freizeit zahle, die gemäß § 16 Abs 2 des Kollektivvertrages für Arbeiter im graphischen Gewerbe für Sonntagsarbeit zustehe.

Die beklagte Partei, die im Verfahren vor dem Erstgericht durch einen qualifizierten Vertreter der oÖ Handelskammer (§ 40 Abs 1 Z 1 ASGG) vertreten war, begehrte die Abweisung der Klage.

Gegen das sein Begehren abweisende Urteil des Erstgerichtes vom 18. 4. 1990 erhob der Kläger Berufung. Die beklagte Partei beantragte in ihrer von dem qualifizierten Vertreter der OÖ Handelskammer erstatteten Berufungsbeantwortung, der Berufung des Klägers nicht Folge zu geben.

Das Oberlandesgericht Linz gab als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen der Berufung des Klägers mit Urteil vom 6. September 1990 nicht Folge. Dem erkennenden Senat gehörte die Richterin des Oberlandesgerichtes Linz Dr. Elisabeth NAGELE an.

Gegen dieses Urteil erhob der Kläger Revision.

Im Revisionsverfahren schritten für die beklagte Partei mehrere Rechtsanwälte, darunter auch Dr. Norbert NAGELE, der Ehegatte der Richterin des Oberlandesgerichtes Linz Dr. Elisabeth NAGELE, ein. Die Anwälte beriefen sich auf die ihnen erteilte Vollmacht (§ 30 Abs 2 ZPO) und beantragten, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

Der Oberste Gerichtshof hob mit Beschluß vom 30. 1. 1991, 9 Ob A 314/90, die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Mit Schriftsatz vom 13. 3. 1991 gaben die Rechtsanwälte, die für die beklagte Partei im Revisionsverfahren eingeschritten waren, bekannt, daß die beklagte Partei den Rechtsanwalt Dr. Norbert NAGELE lediglich mit der Vertretung im Revisionsverfahren beauftragt habe und für die beklagte Partei im weiteren Verfahren wieder der (qualifizierte) Vertreter der OÖ Handelskammer einschreiten werde. Dieser trat in der Folge im Verfahren vor dem Erstgericht als Vertreter der beklagten Partei auf und erstattete auch die Berufungsmitteilung zu der vom Kläger gegen das das Klagebegehren neuerlich abweisende Urteil des Erstgerichtes vom 22. 5. 1991 erhobenen Berufung.

Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge. Dem erkennenden Senat gehörte auch diesmal wieder die Richterin des Oberlandesgerichtes Linz Dr. Elisabeth NAGELE als Berichterstatterin an.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes vom 18. 9. 1991 richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer durch den Rechtsanwalt Dr. Norbert NAGELE erstatteten Revisionsbeantwortung, dem Rechtsmittel des Klägers nicht Folge zu geben.

Das angefochtene Urteil ist nichtig.

Rechtliche Beurteilung

Nach Lehre und Rechtsprechung hat auch ein Verwandtschafts- oder Schwägerschaftsverhältnis des Richters zum Bevollmächtigten einer Partei wie auch eine aufrechte Ehe mit diesem die Ausschließung des Richters im Sinne des § 20 Z 2 JN zur Folge (vgl Fasching, Kommentar I § 20 JN Anm 5; derselbe ZPR2 Rz 163; SpR 171; 11 Ns 18/89; zuletzt 9 Ob A 9/92). Richter sind daher auch in Rechtssachen, in denen ihr Ehegatte als Bevollmächtigter einer Partei auftritt, ausgeschlossen.

Dr. Norbert NAGELE hat gemeinsam mit anderen Rechtsanwälten die Revisionsbeantwortung im ersten Rechtsgang erstattet und sich dabei darauf berufen, daß ihm von der beklagten Partei Prozeßvollmacht erteilt worden sei (§ 30 Abs 2 ZPO); an dieser Vollmachtserteilung bestehen auch keine Zweifel. Nach Vorliegen des Aufhebungsbeschlusses gab er dem Erstgericht bekannt, daß er nur mit der Vertretung im Revisionsverfahren beauftragt worden sei. Die Prozeßvollmacht ist genau durch das Gesetz bestimmt (§ 31 ZPO); sie ist eine Formalvollmacht, weil ihr Entstehen an die Verwendung des Begriffes "Prozeßvollmacht" oder eines sinngemäßen Ausdruckes gebunden ist. Die Berufung eines Rechtsanwaltes auf die ihm erteilte Vollmacht gemäß § 30 Abs 2 ZPO bringt zum Ausdruck, daß dem Anwalt Prozeßvollmacht erteilt wurde. Die gewillkürte Vertretung im Prozeß stützt sich grundsätzlich auf die Vertretungsregeln des Privatrechtes. Auch hier ist zwischen dem Außenverhältnis und dem Innenverhältnis zu unterscheiden. Durch die Bevollmächtigung wird der Vertreter nach außen zum Handeln im Namen der Partei berechtigt. Im Innenverhältnis ist es im allgemeinen der Auftrag, durch den der Auftraggeber den Beauftragten verpflichtet, für ihn tätig zu werden (Fasching ZPR2 Rz 425). Die Vollmacht kann auch im Prozeß jederzeit widerrufen oder gekündigt werden; der Widerruf wird dem Prozeßgegner gegenüber jedoch erst mit der Mitteilung an ihn wirksam (§ 36 Abs 1 ZPO). Eine solche Mitteilung ist hier jedoch nicht erfolgt.

Im zweiten Rechtsgang hat Dr. Norbert NAGELE dem Erstgericht (unter Anschluß einer Gleichschrift für den Prozeßgegner) nur mitgeteilt, daß ihn die beklagte Partei nur zur Vertretung im Revisionsverfahren beauftragt habe und der qualifizierte Vertreter der OÖ Handelskammer wieder einschreiten werde. Er hat damit nur eine seinen Auftrag, sohin das mit seiner Mandantschaft bestehende Innenverhältnis betreffende Mitteilung gemacht. Die erteilte Prozeßvollmacht blieb von dieser Erklärung unberührt, zumal diese keinerlei Hinweis auf die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses enthielt. Es kann unerörtert bleiben, wie der Fall zu beurteilen wäre, wenn im zweiten Rechtsgang tatsächlich eine Vollmachtskündigung erfolgt wäre und ob auch in diesem Fall im Hinblick auf die Vertretung einer Partei durch ihren Ehegatten in einem früheren Verfahrensstadium die Richterin des Oberlandesgerichtes Dr. NAGELE ausgeschlossen gewesen wäre. Da Dr. Norbert NAGELE aus den dargelegten Gründen auch im Berufungsverfahren im zweiten Rechtsgang Prozeßbevollmächtigter der beklagten Partei war, war seine Ehegattin, ungeachtet des Umstandes, daß er im Berufungsverfahren nicht aktiv auftrat, jedenfalls gemäß § 20 Z 2 JN ausgeschlossen. Dieser Ausschließungsgrund ist unverzichtbar und in jeder Lage des Verfahrens auch von Amts wegen wahrzunehmen. Zufolge Teilnahme der Richterin Dr. Elisabeth NAGELE liegt ein Nichtigkeitsgrund vor (§ 477 Abs 1 Z 1 ZPO), der zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen muß.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO, da die Kostenregel des § 51 nicht die Aufhebung der Entscheidung allein, sondern die Aufhebung des Verfahrens betrifft (9 Ob A 9/92 mwH).

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