OGH 2Ob173/13z

OGH2Ob173/13z23.10.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Sol, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Markus S*****, vertreten durch Dr. Herbert Kofler, Dr. Edgar Pinzger, Rechtsanwälte in Landeck, gegen die beklagten Parteien 1. Tarek G*****, vertreten durch Heiss & Heiss Rechtsanwälte OG in Innsbruck, und 2. G***** Versicherung AG, *****, vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 85.222,29 EUR sA, Rente und Feststellung (Gesamtstreitwert 100.358,29 EUR sA), über die außerordentlichen Revisionen der klagenden Partei sowie der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 5. Juni 2013, GZ 10 R 21/13h-119, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Revision der klagenden Partei:

Der Kläger begehrt statt des Zuspruchs von 45.000 EUR an Schmerzengeld eine Ausmittlung mit 60.000 EUR.

Geht das Berufungsgericht bei der Prüfung der Berechtigung des begehrten Schmerzengelds von den nach dem Gesetz zu berücksichtigenden Umständen aus, handelt es sich bei dessen Ausmessung selbst um einen Einzelfall, auf den die Kriterien des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO (nunmehr § 502 Abs 1 ZPO) nicht zutreffen. Nur im Rahmen einer eklatanten Fehlbemessung ist zur Vermeidung einer gravierenden Ungleichbehandlung durch die Rechtsprechung eine Revision ausnahmsweise dennoch zulässig (RIS-Justiz RS0042887 [T2, T6]). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

Vergleicht man die Unfallsfolgen in der vom Revisionswerber herangezogenen Entscheidung 2 Ob 24/02x mit den hier festgestellten, erweist sich die Ansicht des Berufungsgerichts, dass das dort zugesprochene höhere Schmerzengeld mit weit umfangreicheren Schmerzperioden korreliert und daher nicht vergleichbar ist, als unbedenklich.

Die geforderte Berücksichtigung der Geldentwertung für Schmerzperioden, die der Kläger in Zukunft zu erleiden haben wird, hat nicht zu erfolgen:

Nach der Judikatur ist für die Bemessung des Schmerzengeldes der Zeitpunkt der Urteilsfällung maßgeblich und eine Änderung des Geldwerts seit dem Unfallstag zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0031402). Ebenso ist, wenn bereits eine Teilzahlung geleistet wurde, bei der endgültigen Bemessung die seit der Teilzahlung eingetretene Änderung des Geldwertes insoweit zu berücksichtigen, als die geleistete Teilzahlung „aufzuwerten“ ist (RIS-Justiz RS0031242). Keineswegs ist aber, wie der Kläger meint, jetzt ein höherer Schmerzengeldbetrag deshalb zuzusprechen, weil der Kläger in der Zukunft unfallskausale Schmerzen zu erleiden haben wird.

In seinen Ausführungen zur abstrakten Rente meint der Kläger ganz allgemein, das Berufungsgericht sei von der Judikatur abgewichen, ohne konkret anzugeben, von welcher. Im Übrigen entfernt er sich dabei von den Feststellungen der Vorinstanzen.

2. Zur Revision des Erstbeklagten:

Der Erstbeklagte wurde infolge des hier strittigen Vorfalls wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung strafgerichtlich verfolgt, aber freigesprochen.

Das Berufungsgericht hat dem Erstbeklagten ohnehin keine Vorsatztat, sondern nur Fahrlässigkeit vorgeworfen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gibt es keine Bindung des Zivilrichters an ein freisprechendes Strafurteil (RIS-Justiz RS0106015). Dies gilt sogar dann, wenn aufgrund des Beweisverfahrens vom Strafgericht festgestellt wurde, dass der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Tat gar nicht begangen hat (vgl 6 Ob 18/09d).

Die vom Revisionswerber zitierte Entscheidung des EGMR vom 25. 8. 1993 Sekanina, ÖJZ 1993/46, vermag daran nichts zu ändern, betraf sie doch einen Fall, in dem eine Haftentschädigung im Hinblick auf den im Strafverfahren nicht entkräfteten Tatverdacht verweigert wurde. In diesem Zusammenhang meinte der EGMR, dass der Ausspruch von Verdächtigungen nach Rechtskraft des Freispruchs unzulässig und eine darauf basierende Begründung für den Nichtzuspruch einer Haftentschädigung mit der Unschuldsvermutung unvereinbar sei.

Wie der Oberste Gerichtshof bereits in 3 Ob 199/07x zur ebenfalls eine nicht gewährte Haftentschädigung betreffenden Entscheidung des EGMR vom 21. 3. 2000 Rushiti, ÖJZ 2001/5, dargelegt hat, fußte die Begründung des EGMR auf den im damaligen österreichischen Recht bestehenden engen Konnex zwischen strafrechtlicher Verantwortung und Freispruch einerseits und Haftentschädigung andererseits, und bezog sich daher nur auf das Strafverfahren. Diese Judikatur kann für das Zivilverfahren keine Geltung haben. Im Strafverfahren wird der öffentliche Strafanspruch abgehandelt, dem Täter steht der Staat gegenüber. Der Verletzte bzw Geschädigte ist dagegen nicht Partei. Über seine zivilrechtlichen Ansprüche wird grundsätzlich nicht entschieden. Die vom Revisionswerber angestrebte Bindungswirkung eines Freispruchs würde aber bedeuten, dass der Geschädigte durch ein Verfahren, dem er nicht beigezogen wurde, seiner Ansprüche verlustig gehen könnte. Eine solche Bindung wäre ihrerseits grundrechtswidrig (3 Ob 199/07x).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte