OGH 3Ob195/13t

OGH3Ob195/13t8.10.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des H***** P*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des bisherigen Sachwalters Ing. B***** P*****, vertreten durch Mag. Petra Cernochova, Rechtsanwältin in Wien, sowohl im eigenen Namen als auch im Namen des Betroffenen gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 24. Juni 2013, GZ 25 R 5/13g‑89, womit über Rekurs des Betroffenen der Beschluss des Bezirksgerichts Gänserndorf vom 18. Dezember 2012, GZ 2 P 350/10z‑79, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0030OB00195.13T.1008.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Sachwalters im eigenen Namen wird zurückgewiesen.

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs des Sachwalters im Namen des Betroffenen wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Sachwalterschaftssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Begründung

Mit Beschluss vom 11. Mai 2011 bestellte das Erstgericht den Rechtsmittelwerber gemäß § 268 ABGB zum Sachwalter für seinen Vater und sprach aus, dass er alle Angelegenheiten zu besorgen habe (§ 268 Abs 3 Z 3 ABGB).

Die Bezirkshauptmannschaft, in deren Sprengel der Betroffene in einem Pflegeheim untergebracht ist, teilte dem Erstgericht mehrfach, zuletzt am 4. Oktober 2012, mit, dass es nicht möglich sei, mit dem bestellten Sachwalter Kontakt aufzunehmen, um den Vermögensstand des Betroffenen, der sich seit 1. Dezember 2010 in Heimpflege befinde, zu erfahren. Es sei auch schwierig, die Verpflegungskosten abzudecken oder im Pflegeheim entstehende Kosten für Friseur etc zu begleichen, zumal dem Betroffenen kein Taschengeld zur Verfügung stehe.

Am 20. November 2012 ermittelte der Erstrichter anlässlich eines persönlichen Besuchs im Pflegeheim und beim Betroffenen, dass der Sachwalter im Jahr 2012 lediglich vier Mal den Betroffenen besucht hat. Es bestanden offene Rechnungen etwa für den Friseur, die Kontaktaufnahme mit dem Sachwalter war für das Heimpersonal kaum möglich, der Betroffene beklagte selbst die mangelnde Betreuung durch den Sachwalter sowie das Fehlen von Taschengeld.

Das Erstgericht enthob daraufhin den bisherigen Sachwalter seines Amtes und bestellte eine Rechtsanwältin zur neuen Sachwalterin, gleichfalls mit dem Ausspruch, dass sie wie ihr Vorgänger alle Angelegenheiten zu besorgen habe. Es bestehe Grund zur Annahme, dass der bisherige Sachwalter seiner Verpflichtung zur Rechnungslegung und auch zur Personensorge nicht nachzukommen gewillt oder in der Lage sei, weshalb ein Wechsel in der Person des Sachwalters vorzunehmen sei.

Das Rekursgericht bestätigte über Rekurs des Sachwalters diese Umbestellung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nach § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig sei. Der bisherige Sachwalter sei schon nach seinem eigenen Vorbringen aufgrund gesundheitlicher Umstände und der örtlichen Gegebenheiten offensichtlich nicht in der Lage, seinen Aufgaben ausreichend nachzukommen. Er habe es ohne nachvollziehbare Begründung abgelehnt, für den Betroffenen Geldbeträge für Bedürfnisse des täglichen Lebens (Friseur, Pediküre, Arzneimittelrechnungen etc) bei der Heimleitung zu hinterlegen. Die vom Rechtsmittelwerber ins Treffen geführten erforderlichen Sanierungsarbeiten an der Liegenschaft des Betroffenen könnten von der neu bestellten Sachwalterin ohne weiters erledigt werden, weil auch deren räumliche Entfernung zur Liegenschaft nicht besonders hoch wäre, mit unverhältnismäßigen Kosten sei daher nicht zu rechnen. Die Neubestellung der Rechtsanwältin zur Sachwalterin sei daher zum Wohle des Betroffenen.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Sachwalters, mit dem er die ersatzlose Aufhebung des Umbestellungsbeschlusses anstrebt, ist, soweit das Rechtsmittel im eigenen Namen erhoben wurde, unzulässig, soweit es im Namen des Betroffenen erhoben wurde aber zulässig und im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

1. Ein Rekursrecht im eigenen Namen gegen seine Enthebung vom Amt des Sachwalters steht einem enthobenen Sachwalter nicht zu (RIS‑Justiz RS0006229 [T17, T18, T23]). Ein Sachwalter, dessen Bestellung nicht in seinem Interesse, sondern in dem des Betroffenen erfolgt, hat aus seiner Bestellung keine eigenen Rechte erworben, in die eingegriffen werden könnte (4 Ob 67/13a mwN; vgl RIS‑Justiz RS0007280). Es besteht kein gesetzlich verankertes Recht, in der Funktion des Sachwalters zu verbleiben (RIS‑Justiz RS0006229 [T10, T25]). Ein nicht im Namen und im Interesse des Betroffenen eingebrachtes Rechtsmittel eines Sachwalters ist mangels Rechtsmittellegitimation zurückzuweisen (4 Ob 67/13a mwN).

2. Infolge des im Außerstreitverfahren allgemein geltenden Untersuchungsgrundsatzes bei der Sammlung der Entscheidungsgrundlagen (§ 16 AußStrG) sind über die in § 55 Abs 3 AußStrG genannten Gründe hinaus alle Rechtsmittelgründe von Amts wegen aufzugreifen, sofern dafür gewisse Anhaltspunkte erkennbar werden und sie die Richtigkeit der Entscheidung potenziell zu hindern geeignet sind (10 Ob 49/10v mwN). Der vom Erstgericht enthobene Sachwalter hat in seinem auch im Namen des Betroffenen erhobenen Rekurs vorgetragen, dass die neu als Sachwalterin bestellte Rechtsanwältin infolge ihrer räumlichen Entfernung zur Liegenschaft des Betroffenen nicht geeignet wäre bzw hohe Kosten zu befürchten seien. Das Rekursgericht hätte sich daher ‑ nicht nur in diesem einen Aspekt ‑ mit den Auswahlkriterien für einen neu zu bestellenden Sachwalter auseinanderzusetzen gehabt.

Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass der bisher tätige Sachwalter dem alleine maßgeblichen Wohl des Betroffenen (RIS‑Justiz RS0117813) nicht zu entsprechen vermochte, ist im Hinblick auf die festgestellten eklatanten Betreuungsmängel nicht zu beanstanden.

Auch wenn bei der Umbestellung des Sachwalters die Sachwalterschaft „dem Grunde nach“ nicht in Rede steht, weshalb keine besonderen Anforderungen an den Grundrechtsschutz und Verfahrensgarantien bestehen ( Hengl/Mänhardt in Barth/Ganner , Handbuch des Sachwalterrechts 2 585 mwN), besteht kein Grund, die Kriterien für die erstmalige Auswahl der Person des Sachwalters nicht auch auf jenen Fall zu übertragen, in dem ‑ wie hier ‑ sich der bisher tätige Sachwalter als ungeeignet erweist und ein neuer Sachwalter zu bestellen ist.

Nach den Gesetzesmaterialien verfolgt § 279 ABGB unter anderem das Ziel, jene Personenkreise abschließend zu regeln, die für die Bestellung als Sachwalter potenziell in Frage kommen. Dabei ist ein Stufenbau vorgesehen. Primär ist als Sachwalter eine von der betroffenen Person selbst gewählte oder von einer nahestehenden Person empfohlene Person (§ 279 Abs 1 zweiter Satz ABGB) heranzuziehen. Sekundär ist ein der betroffenen Person nahestehender Mensch zum Sachwalter zu bestellen (§ 279 Abs 2 ABGB). Ist eine solche geeignete Person nicht verfügbar, ist (mit dessen Zustimmung) der örtlich zuständige Sachwalterverein zu bestellen (§ 279 Abs 3 erster Satz ABGB). Ist ein Vereinssachwalter nicht verfügbar (etwa mangels freier Kapazitäten), so ist ein Rechtsanwalt oder Notar (Berufsanwärter) oder ‑ mit ihrer Zustimmung ‑ eine andere geeignete Person zu bestellen (§ 279 Abs 3 zweiter Satz ABGB). Nur wenn die Besorgung der Angelegenheiten der behinderten Person besondere Fachkenntnisse erfordert, ist von vornherein ‑ je nach der notwendigen Expertise ‑ ein Rechtsanwalt oder Notar bzw der Sachwalterverein zum Sachwalter zu bestellen (1 Ob 187/10x; RIS‑Justiz RS0123297).

Nach der Aktenlage haben es die Vorinstanzen unterlassen zu prüfen, ob andere nahestehende Personen oder ein örtlich zuständiger Sachwalterverein für die Übernahme der Sachwalterschaft im vorliegenden Fall in Frage kommt. Nach dem Akteninhalt hat der Betroffene mehrere Kinder, es wäre daher zunächst die Eignung der weiteren Kinder zu prüfen. Nicht ersichtlich ist bislang auch, dass die zu besorgenden Angelegenheiten besondere Fachkenntnisse erfordern, insbesondere die Bestellung eines Rechtsanwalts infolge zu erwartender oder bereits bestehender besonderer rechtlicher Schwierigkeiten angezeigt wäre.

Das Erstgericht wird daher im fortzusetzenden Verfahren im Sinne der dargelegten Überlegungen zum Stufenbau bei Auswahl der Person des Sachverständigen zu überprüfen haben, ob aus den persönlichen Umfeld des Betroffenen ein geeigneter Sachwalter zu finden ist oder welche besonderen Anforderungen allenfalls an die Person des Sachwalters im konkreten Fall zu stellen sind.

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