OGH 7Ob136/13w

OGH7Ob136/13w4.9.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Betroffenen E***** T*****, vertreten durch J***** W*****, als Sachwalter, dieser vertreten durch Dr. Horst Brunner und andere Rechtsanwälte in Kitzbühel, über den Revisionsrekurs der Betroffenen gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 2. April 2013, GZ 52 R 34/13a‑73, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 5. Februar 2013, GZ 4 P 4/13z‑57, ersatzlos behoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Begründung

Mit Beschluss vom 26. 11. 2012 wurde der Betroffenen ein Sachwalter zur Besorgung aller Angelegenheiten bestellt. Der Betroffenen gehört unter anderem eine Eigentumswohnung, in der sie bis zu ihrer Übersiedlung ins Altenwohnheim ca Mitte Oktober 2012 gewohnt hat. Die Vermögenssicherung der Betroffenen gestaltete sich nicht zuletzt auf Grund der mangelnden Kooperationsbereitschaft ihrer Tochter schwierig. Diese tauschte knapp nach dem Auszug der Betroffenen aus der Wohnung das Schloss aus und meldete dort am 2. 11. 2012 mit der Behauptung eines ihr eingeräumten Wohnrechts einen Nebenwohnsitz an.

Das Erstgericht trug der Tochter nach § 133 Abs 4 AußStrG auf, alle Wohnungsschlüssel zur Wohnung der Betroffenen dem Sachwalter auszufolgen. Eine einstweilige Vorkehrung nach § 133 Abs 4 AußStrG könne auch Dritten gegenüber ausgesprochen werden. Ohne Schlüssel zur Wohnung sei der Sachwalter nicht in der Lage, seinen Aufgaben ordnungsgemäß nachzukommen.

Das Rekursgericht hob diesen Beschluss ersatzlos auf. Ohne konkrete gesetzliche Grundlage dürfe das Pflegschaftsgericht nicht unmittelbar in Rechte Dritter eingreifen, weil damit unter Umständen Entscheidungen ergehen würden, für die der außerstreitige Rechtsweg unzulässig sei. Hier sei ein zivilrechtlicher Herausgabeanspruch zu klären, dem, wie der erhobene Einwand eines Wohnrechts deutlich zeige, ein strittiges Rechtsverhältnis zugrunde liege. Das Außerstreitverfahren biete für die unmittelbare Klärung strittiger Sachverhalte zwischen Betroffenen und Dritten keinen Raum. Gegenüber Dritten müsse der Sachwalter die Rechte des Betroffenen mit den dafür vorgesehenen rechtlichen Möglichkeiten wahren. Dazu könne das Pflegschaftsgericht lediglich Aufträge, wie etwa die Durchsetzung des Anspruchs auf dem streitigen Rechtsweg, erteilen, nicht aber selbst einen vollstreckbaren Titel schaffen. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zur Klarstellung zulässig sei, gegenüber welchem Personenkreis eine einstweilige Vorkehrung nach § 133 Abs 4 AußStrG erlassen werden dürfe.

Dagegen richtet sich der vom Sachwalter im Namen der Betroffenen erhobene Revisionsrekurs mit einem Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

1. Das Sachwalterbetreuungsverfahren ‑ das Verfahren nach rechtswirksamer Sachwalterbestellung und außerhalb der Beendigung, Einschränkung oder Erweiterung ‑ ist grundsätzlich nach den Bestimmungen des allgemeinen Teils abzuwickeln. Die Rechtsmittellegitimation ergibt sich somit aus der Parteistellung im Sinn des § 2 AußStrG (4 Ob 100/09y mwN). Partei ist jede Person, soweit ihre rechtlich geschützte Stellung durch die begehrte oder vom Gericht in Aussicht genommene Entscheidung oder durch eine sonstige gerichtliche Tätigkeit unmittelbar beeinflusst wird (§ 2 Abs 1 Z 3 AußStrG). Die ersatzlose Behebung der erstinstanzlichen Anordnung auf Ausfolgung sämtlicher Wohnungsschlüssel durch die Tochter der Betroffenen beeinflusst unmittelbar deren rechtliche Stellung als Wohnungseigentümerin.

Der Revisionsrekurs ist daher zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

2.1 Nach der Verweisungsnorm des § 275 Abs 3 ABGB ist § 229 ABGB auch im Rahmen einer Sachwalterschaft die für die Erforschung und Verwaltung des Vermögens maßgebliche Bestimmung. Danach hat der Sachwalter zunächst nach gründlicher Erforschung des Vermögens dem Gericht gegenüber das Vermögen im Einzelnen aufzulisten. Das Gericht hat die Tätigkeit des Sachwalters zur Vermeidung einer Gefährdung des Wohls der betroffenen Person zu überwachen und die dazu notwendigen Aufträge zu erteilen. Näheres wird in den (in § 229 Abs 1 letzter Satz ABGB erwähnten) „Verfahrensgesetzen“, nämlich im 10. Abschnitt des AußStrG „Vermögensrechte Pflegebefohlener“, §§ 132 bis 139 AußStrG, geregelt ( Müller in Barth/Ganner , Handbuch des Sachwalterrechts², 273). § 133 AußStrG ist daher auch in Sachwalterschaftssachen anzuwenden. Zum Wohl der betroffenen Person besteht die wesentliche Rolle des Gerichts nach § 133 AußStrG darin, gegebenenfalls Maßnahmen zur Sicherung der Vermögenswerte zu setzen und den Sachwalter bei der Verwaltung des Vermögens zu überwachen (RIS‑Justiz RS0126331).

2.2 Die zulässigen Mittel zur Überwachung der Vermögensverwaltung und Sicherung der Vermögenswerte sind in § 133 Abs 4 AußStrG beispielhaft aufgezählt. Insbesondere kann das Gericht danach dem Sachwalter Aufträge erteilen, Auskünfte von Kreditunternehmen oder von gemäß § 102 AußStrG auskunftspflichtigen Personen einholen, eine Schätzung, die Sperre von Guthaben sowie die gerichtliche Verwahrung von Urkunden und Fahrnissen anordnen und einstweilige Vorkehrungen treffen. Der Begriff der „einstweiligen Vorkehrung“ beinhaltet sowohl die Möglichkeit des § 382 EO als auch andere geeignete Maßnahmen (RIS‑Justiz RS0123511, 7 Ob 38/08a; Zankl/Mondel in Rechberger , Kommentar zum AußStrG² § 133 Rz 5).

2.3 Das außerstreitige Verfahren ist allerdings nur für den Missbrauch der Vermögensverwaltungsbefugnisse des Obsorgeberechtigten vorgesehen (3 Ob 115/10y). Hingegen darf das Pflegschaftsgericht in die Rechte Dritter nicht unmittelbar eingreifen. Es hat sich darauf zu beschränken, dem Vermögensverwalter, wenn dies notwendig sein soll, die notwendigen Aufträge zu geben und Genehmigungen und Ermächtigungen zum Vorgehen gegenüber Dritten zu erteilen ( Feil/Marent AußStrG³ II § 133 Rz 12).

2.4 Zutreffend ging das Rekursgericht davon aus, dass es hier nicht um die Überwachung der Verwaltung des Vermögens der Betroffenen durch den Sachwalter, sondern um das behauptete Wohnrecht der Tochter an der Eigentumswohnung und die Herausgabe von Vermögensbestandteilen durch Dritte geht. Dieser Anspruch, dem damit ein strittiges Rechtsverhältnis zugrunde liegt, ist auf dem streitigen Rechtsweg zu verfolgen.

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