OGH 15Os108/13s

OGH15Os108/13s21.8.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. August 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Dr. Michel-Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kurzthaler als Schriftführer in der Strafsache gegen Gerhard S***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 23. April 2013, GZ 37 Hv 6/13h-27, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält, wurde Gerhard S***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (A) sowie des Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (B) schuldig erkannt.

Danach hat er zwischen August und Oktober 2011 in F*****

A. außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person, nämlich an der am 23. April 2000 geborenen L*****, vorgenommen, indem er ihre Scheide küsste;

B. durch die unter A. beschriebene Tat mit einer minderjährigen Person, die seiner Aufsicht unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person eine geschlechtliche Handlung vorgenommen.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf Z 4 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die ihr Ziel verfehlt.

Im Ermittlungsverfahren war ein psychologisches Gutachten unter anderem zum Thema der Aussagefähigkeit und -tüchtigkeit der Zeugin L***** eingeholt worden (ON 13). Dieses Gutachten wurde in der Hauptverhandlung in Anwesenheit des Verteidigers, der auch sein Fragerecht ausübte, von der Sachverständigen erstattet und erörtert (ON 26 S 15 ff).

Durch die Abweisung (ON 26 S 39) des in der Hauptverhandlung am 23. April 2013 unter Hinweis auf behauptete Widersprüche in der Aussage des Tatopfers gestellten Antrags auf Einholung eines (weiteren) aussagepsychologischen Gutachtens (ON 26 S 28; augenscheinlich zum Beweis der Unglaubwürdigkeit der Zeugin) wurden - der Verfahrensrüge zuwider - Verteidigungsrechte nicht geschmälert.

Ein durch Z 4 garantiertes Überprüfungsrecht in Bezug auf erstattete Befunde und Gutachten von Sachverständigen hat der Beschwerdeführer nämlich nur dann, wenn er in der Lage ist, einen der in § 127 Abs 3 StPO angeführten Mängel von Befund und Gutachten aufzuzeigen (RIS-Justiz RS0117263). Solche Mängel werden vom Rechtsmittelwerber allerdings nicht einmal behauptet.

Was die von der Rüge ebenfalls angesprochene Frage der Glaubwürdigkeit einer Zeugin betrifft, so hat diese das Gericht grundsätzlich selbst zu beurteilen (RIS-Justiz RS0098297; Lendl, WK-StPO § 258 Rz 23). Nur in Ausnahmefällen, wenn objektive Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung, Entwicklungsstörung oder einen sonstigen Defekt vorhanden sind oder bei einer habituellen Falschbezichtigungstendenz der Zeugin, kommt die Hilfestellung durch einen Sachverständigen in Betracht (RIS-Justiz RS0120634; Hinterhofer, WK-StPO § 126 Rz 8). Darauf hinweisende Umstände wurden aber anlässlich der Antragstellung nicht dargelegt.

Das erst im Rechtsmittel erstattete Vorbringen zur Frage einer - behaupteten, aktenmäßig aber nicht indizierten (vgl ON 13 S 25; ON 26 S 17) - Suggestibilität der Zeugin ist angesichts des auf Nachprüfung der erstgerichtlichen Vorgangsweise angelegten Konzeption dieses Nichtigkeitsgrundes prozessual verspätet und daher unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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