OGH 2Ob37/13z

OGH2Ob37/13z30.7.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin A***** W*****, vertreten durch Dr. Georg‑Christian Gass und Dr. Alexander M. Sutter, Rechtsanwälte in Graz, gegen den Beklagten H***** S*****, vertreten durch Dr. Dieter Zaponig, Rechtsanwalt in Graz, wegen 11.905,25 EUR sA und Feststellung (Streitwert 2.000 EUR), über die Revision der Klägerin (Revisionsinteresse 8.473,25 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 29. November 2012, GZ 3 R 215/12f‑36, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 21. September 2012, GZ 37 Cg 38/11i‑32, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten binnen 14 Tagen die mit 744,43 EUR (darin 124,07 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Das Berufungsgericht wies die Klage auf Schadenersatz wegen der mittelbar durch eine „Lawine“ vom Dach des Beklagten und anschließenden Sturzes (als Schreckreaktion) verursachten Verletzung der Klägerin ab. Lediglich eine geringfügige Schneemenge sei unterhalb der Schneefänger des Daches abgerutscht. Das Dach sei mit einem ausreichend dimensionierten, dem neuesten Stand der Technik entsprechenden Schneerückhalte- und Schneefangsystem versehen gewesen. Das Abgehen kleiner Schneemengen sei nicht vermeidbar. Darauf müsse auch nicht mit Warnstangen hingewiesen werden. Die Unbill des Sturzes sei allgemeines Lebensrisiko, das jeder selbst zu tragen habe. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil die Verneinung der Pflicht zum Anbringen von Warnhinweisen als Abgehen von der Judikatur des Obersten Gerichtshofs beurteilt werden könnte.

Die Klägerin macht in ihrer Revision (im Umfang des erstgerichtlichen Zuspruchs ‑ 6.473,25 EUR samt Feststellung) geltend, dass nach der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofs der Hauseigentümer in Fällen wie diesem verpflichtet sei, sämtliche Vorkehrungen zu treffen, um derartige Schäden hintanzuhalten. Nach der Entscheidung 2 Ob 2267/96p sei infolge mangelnden Auffälligkeitswerts nicht einmal die Anbringung einer Warntafel in DIN-A4-Größe an Stelle von Schneestangen ausreichend.

Damit zeigt die Klägerin jedoch keine Rechtsfragen in der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf, noch ergeben sich solche aus der Zulassungsbegründung des Berufungsgerichts:

Rechtliche Beurteilung

1. Das Maß der Zumutbarkeit geeigneter Vorkehrungen gegen einen Schadenseintritt richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, sodass der Entscheidung im Regelfall keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl RIS‑Justiz RS0029874). So bestimmt sich auch bei der Versorgung zur Abwendung der Gefahr eines Schadens durch abgehende Dachlawinen der Grad der anzuwendenden Sorgfalt sowie die Art und der Umfang der Sicherungspflicht nach den im Einzelfall gegebenen Verhältnissen (RIS‑Justiz RS0023407).

2. Die Entscheidung 2 Ob 2267/96p ging von einem Dach aus, das keinerlei Vorrichtungen zur Verhinderung des Abgangs von Schneelawinen aufwies. Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch um ein Dach (des Beklagten) mit ausreichend dimensioniertem Schneerückhaltesystem und Schneefangsystem, das nach Dimensionierung und Anzahl dem neuesten Stand der Technik entspricht. Die zitierte Entscheidung ist daher nicht einschlägig.

3. Im vorliegenden Fall wurde die Klägerin von einer geringen Schneemenge, die vom Dach des Beklagten abging, getroffen, wobei das Abgehen derartiger kleiner, granulierter Schneemengen nicht vermeidbar und aufgrund der gegebenen Witterungsverhältnisse vorhersehbar war. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach den Beklagten ‑ dessen Hausdach über ein Schneefangsystem neuester Technik verfügt ‑ durch die Unterlassung zusätzlicher Sicherungsvorkehrungen keine Verletzung seiner Sorgfaltspflicht treffe, ist jedenfalls vertretbar, zumal die Verkehrssicherungspflicht ihre Grenze in der Zumutbarkeit findet (vgl RIS‑Justiz RS0023397) und im Winter jeder Passant mit dem Abgehen von kleinen Schneemengen von höher gelegenen Objekten rechnen muss.

4. Da es der Lösung von Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht bedarf, ist die Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.

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