OGH 1Ob82/13k

OGH1Ob82/13k18.7.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** P*****, vertreten durch Mag. Susanna Perl, Rechtsanwältin in Baden, gegen die beklagte Partei R***** P*****, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger, Dr. Peter Mardetschläger und Mag. August Schulz, Rechtsanwälte in Wien, wegen 3.153,36 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei (Rekursinteresse 3.086,16 EUR sA) gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 28. Februar 2013, GZ 18 R 297/12y‑27, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Ebreichsdorf vom 24. September 2012, GZ 2 C 162/11a‑22, aus Anlass der Berufung der beklagten Partei in seinem nicht in Rechtskraft erwachsenen Teil als nichtig aufgehoben und die Rechtssache in das zwischen den Parteien anhängige Aufteilungsverfahren überwiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0010OB00082.13K.0718.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird ersatzlos aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird die Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei aufgetragen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 695,52 EUR (darin enthalten 61,92 EUR USt und 324 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

Begründung

Die Ehe der Streitteile wurde mit Wirksamkeit vom 17. 8. 2011 rechtskräftig geschieden. Beim Bezirksgericht Baden ist ein nicht auf bestimmte Vermögensgegenstände eingeschränktes Verfahren über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse anhängig.

Am 19. 3. 2009 brachte die Klägerin gegen den Beklagten eine Besitzstörungsklage ein. Der Beklagte habe den auf seinen Namen zugelassenen Pkw, den beide Streitteile bis zum Auszug des Ehegatten aus der ehelichen Wohnung benutzt hätten, verbracht, sodass der Klägerin die Benutzung des Fahrzeugs nicht mehr möglich sei. In der mündlichen Verhandlung am 30. 3. 2009 schlossen die Parteien folgenden gerichtlichen Vergleich:

„1. Der Beklagte verpflichtet sich, ab 3. 4. 2009 den PKW Mazda 2500B (Pick‑up) oder ein gleichwertiges Fahrzeug jedes zweite Wochenende um 18.00 Uhr zum Haus ***** zu bringen und der Klägerin samt Schlüssel und Zulassungsschein zu übergeben und am jeweils darauffolgenden Sonntag um 18.00 Uhr von dort wieder abzuholen.

2. Für allenfalls von der Klägerin selbstverschuldete Beschädigungen am Fahrzeug haftet die Klägerin.“

Der Beklagte war im November 2008 oder im März 2009, jedenfalls aber vor dem 30. 3. 2009 aus der Ehewohnung ausgezogen.

Mit der vorliegenden Klage begehrte die Klägerin zuletzt 3.153,36 EUR sA. Der Beklagte habe sich von Juni 2010 bis 21. 5. 2012 47‑mal nicht an die vergleichsweise getroffene Vereinbarung gehalten und ihr das Fahrzeug nicht zur Verfügung gestellt. Sie habe daher ‑ zumal sich der Vergleich als nicht vollstreckbar erwiesen habe ‑ eine Ersatzvornahme vorgenommen, indem sie ihren Bruder bzw teilweise auch den Lebensgefährten ihrer Schwester ersucht habe, sie bei ihren Besorgungen zu chauffieren. Dafür sei das amtliche Kilometergeld verlangt worden. Multipliziert mit den gefahrenen Kilometern ergebe sich der eingeklagte Betrag.

Der Beklagte wendete ein, es sei ihm aufgrund grob nachteiligen Gebrauchs des Fahrzeugs nicht mehr zumutbar, dieses weiter zur Verfügung zu stellen. Es sei erheblich verunreinigt und am 9. 11. 2009 ohne Treibstoff ungesichert auf der B17 zurückgelassen worden. Im März 2010 seien ein Kratzer und eine Beschädigung am Frontspoiler aufgetreten. Der Vergleich sei spätestens mit der Scheidung hinfällig gewesen. Mangels Bezahlung der Forderung an die jeweils Fahrenden sei keine Fälligkeit eingetreten. Das in der Vereinbarung genannte Fahrzeug existiere nicht mehr. Bis zur Höhe des ursprünglich eingeklagten Betrags von 806,40 EUR erhob er eine Gegenforderung.

Das Erstgericht stellte die Klagsforderung mit 3.086,16 EUR als zu Recht bestehend, die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend fest, gab dem Klagebegehren mit 3.086,16 EUR sA statt und wies das Mehrbegehren von 67,20 EUR unbekämpft ab. Es stellte unter anderem fest, dass der Klägerin das im Vergleich genannte Fahrzeug der Marke Mazda zunächst zur Verfügung gestellt, im Mai 2009 aber bei einem Verkehrsunfall total beschädigt wurde, und der Beklagte das von ihm angeschaffte Ersatzfahrzeug an bestimmten Wochenenden nicht mehr übergab. In der rechtlichen Beurteilung führte es aus, dass der Vergleich ein materiell‑rechtlicher Vertrag sei, dessen Nichterfüllung Schadenersatzansprüche nach sich ziehe. Der Vergleich sei bereits nach Aufhebung des gemeinsamen Haushalts abgeschlossen worden und daher eine Verfügung über das gemeinsame, der Aufteilung unterliegende Vermögen, weshalb sein Zweck nicht bereits mit der rechtskräftigen Scheidung, sondern erst mit dem Abschluss des Aufteilungsverfahrens wegfalle.

Aus Anlass der Berufung des Beklagten hob das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichts, das in der Abweisung von 67,20 EUR unbekämpft in Rechtskraft erwachsen war, in seinem klagsstattgebenden Teil und in der Kostenentscheidung als nichtig auf und überwies die Rechtssache in das zwischen den Parteien anhängige Verfahren über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse. Nach ständiger Judikatur bestehe ein Vorrang des Aufteilungsverfahrens. Soweit aufzuteilendes Vermögen der Ehegatten betroffen sei, solle zuerst dessen Rechtszuständigkeit im Außerstreitverfahren geklärt werden. Erst nach dort erfolgter Klärung, dass einzelne Gegenstände, Ersparnisse oder Rechte nicht der Aufteilung unterlägen, könnten Rechtsstreitigkeiten der Ehegatten untereinander im Streitweg geführt werden. Damit solle verhindert werden, dass das in einem Rechtsstreit gewonnene Ergebnis durch eine noch mögliche Rechtsgestaltung im Außerstreitverfahren umgestoßen oder überholt würde. So habe der Oberste Gerichtshof insbesondere ausdrücklich ausgesprochen, dass mit dem Vorrang des außerstreitigen Aufteilungsverfahrens die behauptete Zulässigkeit, schadenersatzrechtliche Ansprüche im Zusammenhang mit in die Aufteilungsmasse fallenden Wechselverbindlichkeiten im streitigen Verfahren geltend zu machen, bevor die endgültige Zuweisung im Aufteilungsverfahren erfolgt sei, jedenfalls nicht vereinbar sei. Auch im konkreten Fall sei aufzuteilendes Vermögen der Ehegatten betroffen, resultierten die Ansprüche doch aus der Entziehung des zum ehelichen Gebrauchsvermögen gehörenden Fahrzeugs. Ähnlich wie bei schadenersatzrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit in die Aufteilungsmasse fallenden Wechselverbindlichkeiten bestünde die Gefahr, dass das im gegenständlichen Rechtsstreit gewonnene Ergebnis durch eine noch mögliche Rechtsgestaltung im Außerstreitverfahren umgestoßen oder überholt würde.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der klagenden Partei ist zulässig (RIS‑Justiz RS0008556; RS0041890) und berechtigt.

1. Nach der ständigen Rechtssprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0111605) besteht ein Vorrang des Aufteilungsverfahrens. Damit soll verhindert werden, dass das in einem Rechtsstreit gewonnene Ergebnis durch eine noch mögliche Rechtsgestaltung im Außerstreitverfahren umgestoßen oder überholt würde.

2. Dieser Zweck des Vorrangs war ein wesentliches Argument der Entscheidung 10 Ob 16/08p = EF‑Z 2008/107 (zustimmend Gitschthaler ), in der die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs für den Anspruch des Ehemanns auf Benutzungsentgelt und Ersatz für verbrauchsabhängige Betriebskosten wegen der Mitbenützung der Ehewohnung durch die Ehefrau nach Scheidung der Ehe verneint wurde. Der Oberste Gerichtshof verwies dabei auf die Möglichkeit, diese (Mit‑)Benutzung im Rahmen der Billigkeitsentscheidung bei der Festsetzung der Höhe einer Ausgleichszahlung zu berücksichtigen.

3. Ein gegenteiliges Ergebnis wurde in der Entscheidung 3 Ob 187/07g erzielt, die eine im Aufteilungsverfahren geltend gemachte Forderung des Ehemanns betraf, seine geschiedene Ehefrau zur Zahlung des von ihm nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft getragenen Mietzinses für die Ehewohnung zu verpflichten. Der Oberste Gerichtshof bejahte die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs, weil der Antragsteller nach seinen Antragsbehauptungen eindeutig die Zahlung von Mietzinsschulden erst für eine Zeit nach dem für die nacheheliche Aufteilung maßgebenden Zeitpunkt geltend mache.

4. Diese Differenzierung hat der Oberste Gerichtshof in der jüngeren Entscheidung 1 Ob 177/09z nicht aufrecht erhalten. Er führte dazu aus, dass es sich bei den aus dem Titel der Bereicherung eingeklagten Einnahmen aus Wohnungseigentumsobjekten um Einkünfte aus ehelicher Ersparnis handle, die nicht während der aufrechten ehelichen Lebensgemeinschaft angefallen seien und daher nicht zum Aufteilungsvermögen gehörten. Die fehlende Zugehörigkeit zur Aufteilungsmasse bedeute aber nicht zwingend, dass diese Einkünfte bei der Entscheidung im Aufteilungsverfahren überhaupt keine Rolle spielten und völlig zu negieren wären. Die ausschließlich auf das Eigentumsrecht gegründete bereicherungsrechtliche Zuordnung der Einkünfte könne einen Widerspruch zu der Aufteilung der Eigentumsobjekte im außerstreitigen Verfahren bedeuten, insbesondere wenn dort eine oder mehrere Wohnungen an den anderen Ehegatten übertragen würden und sich die Frage einer Ausgleichszahlung stellte, welche die wechselseitigen Beiträge der Ehegatten um den erzielten Nutzen zu berücksichtigen hätte. Mit dem Vorrang des außerstreitigen Aufteilungsverfahrens sei die Zulässigkeit, bereicherungsrechtliche Ansprüche im Zusammenhang mit in die Aufteilungsmasse fallenden Vermögenswerten solange im streitigen Verfahren geltend zu machen, bis die endgültige Zuweisung im Aufteilungsverfahren erfolgt sei, jedenfalls nicht vereinbar.

6. Der hier beklagte Ehemann hatte sich in dem von der Klägerin eingeleiteten Besitzstörungsverfahren in einem Vergleich verpflichtet, ihr den vor Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft gemeinsam benützten oder einen gleichwertigen PKW an jedem zweiten Wochenende zur Verfügung zu stellen. Dieser Verpflichtung kam er (unstrittig) nicht vollständig nach. Wie die Klägerin in ihrem Rekurs zutreffend aufzeigt, macht sie nach ihrem für die Abgrenzung des streitigen vom außerstreitigen Verfahren maßgeblichen (RIS‑Justiz RS0013639) Vorbringen nunmehr Schadenersatzansprüche geltend, die auf die Verletzung dieser Vereinbarung gestützt werden. Dass diese Ansprüche einen Zeitraum nach Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft betreffen, wäre an sich im Sinn der jüngeren, oben zitierten Judikatur des Obersten Gerichtshofs für die Zulässigkeit des außerstreitigen Aufteilungsverfahrens ohne Bedeutung. Dennoch trägt der Grundsatz des Vorrangs dieses Verfahrens im konkreten Fall die vom Berufungsgericht ausgesprochene Überweisung in das außerstreitige Verfahren nicht. Es ist nicht erkennbar, dass sich das Ergebnis des Schadenersatzprozesses auf eine künftige Zuweisung des zum ehelichen Gebrauchsvermögens gehörenden PKWs (der nach dem feststellten Sachverhalt bei einem Verkehrsunfall total beschädigt wurde und gar nicht mehr existiert) und die Ermittlung einer Ausgleichszahlung im anhängigen Aufteilungsverfahren auswirken könnte. Es geht nicht um einen allfälligen Ausgleich einer ausschließlichen Benutzung ehelichen Gebrauchsvermögens (also einer Bereicherung) durch eine im außerstreitigen Verfahren zu ermittelnde Ausgleichszahlung, wenn einer Forderung als Rechtsgrund nach dem Vorbringen eindeutig nicht Bereicherungsrecht, sondern die Verletzung einer vertraglichen Vereinbarung und daraus resultierende Schadenersatzansprüche zugrunde gelegt werden. Diesem Ergebnis steht die vom Berufungsgericht zitierte Entscheidung 10 Ob 29/10b, in der die Zulässigkeit des außerstreitigen Aufteilungsverfahrens bejaht wurde, nicht entgegen. Dem Fall lag nämlich ein nicht vergleichbares Begehren zugrunde. Ungeachtet der gewählten Bezeichnung des Rechtsgrundes als Schadenersatz forderte die Klägerin dieses Verfahrens von ihrem geschiedenen Mann, er müsse die Hälfte jenes Betrags, über den ein Wechselzahlungsauftrag erlassen worden sei, zahlen, weil beide Ehegatten gemeinsam einen Kredit aufgenommen und einen Blankowechsel unterfertigt hätten. Aus ihrem Vorbringen ergab sich kein wie immer gearteter Anhaltspunkt dafür, dass sie gegen ihren geschiedenen Mann einen vertraglichen Schadenersatzanspruch geltend machen wollte. Inhaltlich begehrte sie vielmehr die Aufteilung von in die Aufteilungsmasse fallenden Verbindlichkeiten.

7. Aus diesen Erwägungen ist die Zulässigkeit des streitigen Verfahrens gegeben, weshalb der Beschluss des Berufungsgerichts aufzuheben und ihm die neuerliche Entscheidung über die Berufung des Beklagten aufzutragen ist.

8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 und § 50 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat in diesem selbständigen Zwischenstreit über die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs (vgl 10 Ob 29/10b mwN) obsiegt.

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