OGH 4Ob118/13a

OGH4Ob118/13a9.7.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Betroffenen Mag. A*****, infolge Rekurses des Betroffenen gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien in Ablehnungssachen vom 18. Februar 2013, GZ 12 Nc 4/13z-2, womit der Ablehnungsantrag des Betroffenen zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Der Ablehnungsantrag gegen alle Richter des Oberlandesgerichts Wien wird zurückgewiesen.

2. Der Rekurs ist nicht berechtigt.

3. Mit seinem „Antrag auf vollständige Nichtigkeit des Beschlusses und aller vorhergehenden Beschlüsse“ im Sachwalterverfahren wird der Rechtsmittelwerber auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Begründung

Das Bezirksgericht Gloggnitz leitete (auf Anregung des mit Streitigkeiten über die Obsorge für die Enkelkinder des Rechtsmittelwerbers befassten Bezirksgerichts Mödling) ein Sachwalterverfahren über den Rechtsmittelwerber ein. Dieser brachte noch vor der Erstanhörung einen Ablehnungsantrag wegen Befangenheit der zuständigen Richterin ein, der von der Vorsteherin des Bezirksgerichts Gloggnitz als unbegründet zurückgewiesen wurde. Gegen diesen Beschluss erhob der Rechtsmittelwerber Rekurs und brachte zugleich einen Ablehnungsantrag wegen Befangenheit der Vorsteherin des Bezirksgerichtes Gloggnitz ein. Dieser Antrag wurde vom Landesgericht Wiener Neustadt als unbegründet zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss des Ablehnungssenats des Landesgerichts Wiener Neustadt brachte der Rechtsmittelwerber Rekurs und einen Ablehnungsantrag wegen Befangenheit aller Richter und Richterinnen des Landesgerichts Wiener Neustadt einschließlich der an der Rekursentscheidung beteiligten Richterinnen und Richter ein.

Das Oberlandesgericht Wien wies den Ablehnungsantrag mangels Vorliegens von Befangenheitsgründen zurück.

Gegen diesen Beschluss geht der unvertretene Ablehnungswerber mit einem Ablehnungsantrag wegen Befangenheit der an dieser Entscheidung beteiligten Richterinnen und Richter des Oberlandesgerichts Wien sowie aller Richterinnen und Richter des Oberlandesgerichts Wien, einem Rekurs und einem „Antrag auf vollständige Nichtigkeit des Beschlusses und aller vorhergehenden Beschlüsse“ im Sachwalterverfahren vor.

Rechtliche Beurteilung

Zu 1.

Der Ablehnungsantrag wegen Befangenheit richtet sich einerseits namentlich gegen die Richterinnen und Richter des Ablehnungssenats und andererseits pauschal gegen alle Richterinnen und Richter des Oberlandesgerichts Wien (ON 3, S 1).

Gemäß § 23 JN entscheidet über die Ablehnung, falls der abgelehnte Richter einem Gerichtshof angehört und dieser durch das Ausscheiden des abgelehnten Richters beschlussunfähig werden sollte, der zunächst übergeordnete Gerichtshof. Dies gilt auch, wenn sämtliche Richter eines Gerichtshofs abgelehnt werden, mag die Ablehnung auch nur pauschal erfolgen (RIS-Justiz RS0109137; Ballon in Fasching, JN² § 23 Rz 2).

Hier richtet sich der Ablehnungsantrag nicht nur gegen die namentlich genannten Mitglieder des Ablehnungssenats, sondern ganz allgemein auch gegen „andere Richter am OLG Wien“, somit pauschal im Zweifel gegen alle Richterinnen und Richter des genannten Oberlandesgerichts. Zur Entscheidung ist damit der Oberste Gerichtshof berufen (RIS-Justiz RS0045997).

In der Begründung seiner Eingabe unterscheidet der Ablehnungs- und Rechtsmittelwerber nicht zwischen dem Ablehnungsantrag und dem Rekurs. Folgende Ablehnungsgründe werden erkennbar geltend gemacht: Es sei Strafanzeige gegen Justizorgane einschließlich Richter erstattet worden; Amtsträger ignorierten Anträge und Tatsachenbeweise und verletzten Art 6 und 8 EMRK, weil die Enkelkinder anstatt bei ihren Großeltern zu leben, in einem Kinderheim festgehalten würden; Amtsträger ignorierten den akademischen Titel des Ablehnungswerbers; es bestehe ein kollegiales Naheverhältnis der Richter des Ablehnungssenats zu ihren Kollegen, dem Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien und einer weiteren Richterin des Bezirksgerichts Gloggnitz. Mit diesen pauschalen Ausführungen wird ein Ablehnungsgrund aller Richter und Richterinnen des Oberlandesgerichts Wien nicht aufgezeigt.

Die pauschale Ablehnung aller Richter eines Gerichtshofs ist unzulässig; die Ablehnung eines ganzen Gerichts ist vielmehr nur durch die Ablehnung jedes einzelnen Richters unter Angabe detaillierter Ablehnungsgründe für jede einzelne Person möglich, weil immer nur ein Richter als Person, niemals aber das Gericht als Institution abgelehnt werden kann (Fasching, LB² Rz 165; RIS-Justiz RS0046005; RS0045983). Die sachliche Erledigung einer Ablehnungserklärung setzt darüber hinaus gemäß § 22 Abs 1 JN voraus, dass sämtliche die Ablehnung begründenden Umstände in dem Schriftsatz, mit dem die Ablehnung erklärt wird, genau angegeben sind (4 Nc 19/12z).

Der Ablehnungswerber behauptet keine konkreten, auf einen einzelnen Richter des pauschal abgelehnten Gerichtshofs zweiter Instanz bezogene Ablehnungsgründe. Das Antragsvorbringen kann allenfalls als Behauptung eines kollegialen Naheverhältnisses zwischen den Richtern des Ablehnungssenats und den anderen Richtern des Oberlandesgerichts Wien verstanden werden. Allein aus der Zugehörigkeit eines Richters zu einem bestimmten Gremium lässt sich die Befangenheit der anderen - noch dazu sämtlicher - Richter dieses Gremiums keinesfalls ableiten (RIS-Justiz RS0046005 [T11]).

Weder die (angebliche) Unrichtigkeit einer Gerichtsentscheidung noch die Vertretung einer bestimmten Rechtsmeinung durch den Richter ist ein Ablehnungsgrund. Meinungsverschiedenheiten in Rechtsfragen sind nicht im Ablehnungsverfahren auszutragen (RIS-Justiz RS0111290). Auch der Umstand, dass die abgelehnten Richter in negativer Weise über ein Rechtsmittel des Antragstellers entschieden haben ist kein tauglicher Befangenheitsgrund (7 N 502/90).

Werden in einer Ablehnungserklärung - wie hier - keine konkreten, also gegen die Person der abgelehnten Richter gerichtete substantiierte und detaillierte Befangenheitsgründe ins Treffen geführt, besteht kein Anlass, vor der Entscheidung darüber Äußerungen (§ 22 Abs 2 JN) der als befangen abgelehnten Richter einzuholen (RIS-Justiz RS0045983 [T14]).

Der unschlüssige und nicht ausreichend detaillierte Ablehnungsantrag ist daher zurückzuweisen (vgl 4 Nc 19/12z).

Zu 2.

Vorauszuschicken ist, dass gemäß § 520 Abs 1 ZPO schriftliche Rekurse mit der Unterschrift eines Rechtsanwalts versehen sein müssen (RIS-Justiz RS0036429 [T1]). Diese Bestimmung findet auch auf das Verfahren über die Ablehnung von Richtern Anwendung (RIS-Justiz RS0043982; RS0113115). Soweit die §§ 19 bis 25 JN keine Sonderregelungen für das Rechtsmittelverfahren in Ablehnungssachen enthalten, richtet sich dieses nach den Vorschriften jenes Verfahrens, in dem die Ablehnung erfolgt. Besteht in diesem Verfahren kein Anwaltszwang, müssen schriftliche Rekurse nicht mit der Unterschrift eines Rechtsanwalts versehen sein. Da im Sachwalterschaftsverfahren kein Anwaltszwang besteht, müssen auch - soweit es um die Ablehnung eines Richters in einem solchen Verfahren geht - schriftliche Rekurse nicht mit der Unterschrift eines Rechtsanwalts versehen sein (RIS-Justiz RS0006000 [T2]).

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Im Rahmen unzulässiger Pauschalablehnungen offenbar rechtsmissbräuchlich ausgesprochene substanzlose Verdächtigungen und Beschuldigungen, die wegen ihres mangelnden Tatsachengehalts nicht auf ihre abstrakte Berechtigung überprüft werden können und die ihren Grund offenbar in der Missbilligung vorangegangener Entscheidungen haben, sind völlig unbeachtlich und stehen der Verhandlung und Entscheidung der nach der Zuständigkeitsordnung berufenen betroffenen Richter nicht hindernd entgegen (RIS-Justiz RS0046011).

Von diesen Grundsätzen ist das Oberlandesgericht Wien bei seiner angefochtenen Entscheidung nicht abgewichen, wenn es den Ablehnungsantrag, der sich in nicht überprüfbaren Pauschalvorwürfen und Vermutungen gegen die Richter des Landesgerichts Wiener Neustadt erschöpft, als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt zurückgewiesen hat.

Der Rechtsmittelwerber führt - wie schon im Antrag selbst - keinerlei personenbezogene Gründe an, die die Unbefangenheit der von ihm genannten Richter in Zweifel ziehen könnten. Er zeigt auch keine Entscheidungsfehler des Gerichts zweiter Instanz auf, sondern erhebt pauschale Anschuldigungen gegen alle Richter, die jemals im den Rechtsmittelwerber betreffenden Obsorge-, Sachwalterschafts- oder Ablehnungsverfahren tätig geworden sind, und lehnt sie kaskadenartig ab. Dass die Vorsteherin des Bezirksgerichts Gloggnitz ein kollegiales Naheverhältnis zu den Richtern des Landesgerichts Wiener Neustadt habe und mehrere Richter des Landesgerichts Wiener Neustadt an einer den Rechtsmittelwerber betreffenden Entscheidung mitgewirkt hätten, obwohl sie bereits ordnungsgemäß abgelehnt worden seien, verwirklicht (wie schon zuvor zu Punkt 1. ausgeführt) keinen Ablehnungsgrund.

Dem unbegründeten Rekurs kann deshalb kein Erfolg beschieden sein.

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