OGH 13Os51/13v

OGH13Os51/13v2.7.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. Juli 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kurzthaler als Schriftführer in der Strafsache gegen Ulrike K***** wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 27. Februar 2013, GZ 8 Hv 150/12s-45, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ulrike K***** des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB schuldig erkannt.

Danach hat sie als Obfrau des Vereins „Ö*****“ vom 25. Februar 2008 bis Ende Oktober 2012 in G***** und an anderen Orten in zahlreichen Angriffen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz andere durch die Vorspiegelung, Mitglieds- und Förderbeiträge - dem Zweck des von ihr vertretenen Vereins entsprechend - zur Unterstützung von Blinden und Sehbehinderten sowie für Präventionsmaßnahmen zu verwenden, zur Zahlung von insgesamt rund 106.000 Euro verleitet, was die Getäuschten mit eben diesem Betrag am Vermögen schädigte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten geht fehl.

Indem die Mängelrüge (Z 5, nominell verfehlt auch Z 9 lit a) die Frage releviert, ob die Beschwerdeführerin die betrügerisch herausgelockten Beträge „für sich selbst“ verwendete, bezieht sie sich nicht auf schuld- oder subsumtionsrelevante Umstände. Der vom Tatbestand des § 146 StGB geforderte erweiterte Vorsatz, sich oder einen Dritten durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, betrifft nämlich allein die innere Tatseite, womit es insoweit bedeutungslos ist, ob eine Bereicherung des Täters (oder eines Dritten) tatsächlich eingetreten ist (Kirchbacher in WK² StGB § 146 Rz 118, Kert SbgK § 146 Rz 334).

Die in diesem Zusammenhang (mit Blick auf die Tatbestandselemente der Täuschung und der Schädigung) wesentliche Feststellung, dass die erlangten Gelder zweckwidrig verwendet wurden (US 9), ist deutlich (Z 5 erster Fall) und - durch die nachvollziehbare Bezugnahme auf die diesbezüglichen Polizeierhebungen, das Gutachten des Sachverständigen Dr. S***** und das Zugeständnis der Beschwerdeführerin, während des gesamten Tatzeitraums keine dem Vereinszweck entsprechenden Aktivitäten gesetzt zu haben, (US 13) - mängelfrei begründet (Z 5 vierter Fall).

Aktenwidrig (Z 5 fünfter Fall) ist ein Urteil dann, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS-Justiz RS0099431; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 467). Mit dem Einwand, eine bestimmte Urteilsannahme sei mit den Angaben eines Zeugen nicht in Einklang zu bringen, wird Aktenwidrigkeit in der Bedeutung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes somit nicht behauptet.

Inhaltlich bezieht sich das diesbezügliche Vorbringen auf die Aussage des Zeugen Armin E*****, dem die Beschwerdeführerin nach den Urteilsfeststellungen einen Beitrag zur Finanzierung seines Blindenhundes in der Höhe von 2.000 Euro zugesagt hat (US 11) und der sie nach dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung (ON 44) anhand ihrer Stimme identifizierte (ON 44 S 41). Da es für die Lösung der Schuld- oder der Subsumtionsfrage bedeutungslos ist, ob die Beschwerdeführerin anlässlich dieser Finanzierungszusage tatsächlich persönlich mit Armin E***** in Kontakt getreten ist, bezieht sich die Kritik an den Urteilserwägungen zur Identifizierung Ersterer durch Letzteren zudem nicht auf entscheidende Tatsachen im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 StPO (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 22).

Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass das insoweit wesentliche Argument der Tatrichter, es entspreche der Lebenserfahrung, dass blinde Menschen über ein ausgeprägtes Hörvermögen verfügen (US 12), unabhängig davon, ob die betroffene Person von Geburt an (vollkommen) blind oder zunächst sehbehindert gewesen und erst in der Folge (gänzlich) erblindet ist (vgl ON 44 S 41), weder den Gesetzen folgerichtigen Denkens noch grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht (Z 5 vierter Fall).

Mit den Ausführungen zur Spende der Astrid H*****, die sich nach den Konstatierungen des Erstgerichts auf 20 Euro belief (US 9), bezieht sich die Beschwerde im Hinblick auf den die Wertgrenze des § 147 Abs 3 StGB (50.000 Euro) um mehr als das Doppelte übersteigenden Schadensbetrag einmal mehr nicht auf schuld- oder subsumtionsrelevante Umstände.

Aus Gründen der Vollständigkeit sei ergänzt, dass die in Bezug auf das Auftreten der Beschwerdeführerin für den Verein „Ö*****“ angestellte beweiswürdigende Überlegung, wonach die Beschwerdeführerin von mehreren Zeugen eindeutig identifiziert worden sei und dies im Einklang mit der Aussage der Zeugin Astrid H***** stehe, nach der die Beschwerdeführerin „vom Typ her zu jener Person passen würde, die damals bei ihr vorsprach und Geld kassierte“ (US 12), unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden ist.

Der Einwand der Rechtsrüge (Z 9 lit a), das Erstgericht treffe keine hinreichenden Konstatierungen zum Bereicherungsvorsatz, geht nicht vom festgestellten Sachverhalt aus und verfehlt solcherart den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).

Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO sei hinzugefügt, dass die Feststellung, wonach es der Beschwerdeführerin „letztlich doch nur um ihre eigene unrechtmäßige Bereicherung“ ging (US 12), eine hinreichende Sachverhaltsbasis für das angesprochene Tatbestandselement darstellt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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