OGH 8ObA85/12a

OGH8ObA85/12a27.6.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Monika Lanz und Wolfgang Cadilek als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. H***** S*****, vertreten durch Dr. Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. B***** AG, *****, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH in Wien, 2. V***** AG. *****, vertreten durch Dr. Andreas Grassl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 52.183,17 EUR sA und Feststellung (Interesse 66.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Oktober 2012, GZ 13 Ra 31/12z-55, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass der Arbeitgeber gegenüber seinen Arbeitnehmern im Zusammenhang mit Vorschlägen, die auf eine Befreiung des Arbeitgebers von direkten Leistungsverpflichtungen aus einer Pensionsvereinbarung hinauslaufen, zur umfassenden Aufklärung verpflichtet ist (9 ObA 243/02d; 8 ObA 36/10t mwH; 8 ObA 81/11m; 9 ObA 151/11p; 8 ObA 6/12h; RIS-Justiz RS0017049 ua). Die zumutbare Aufklärungspflicht erstreckt sich auf das allgemeine Risiko einer Pensionskasse und Umstände, die für eine mit Sachkenntnis ausgestattete Person vorhersehbar sind, insbesondere jene Risken, die sich im Übertragungszeitpunkt aus der vorangegangenen längerfristigen Entwicklung der Finanzmärkte ableiten lassen (Schrammel, Aktuelle Fragen des Betriebspensions- und Pensionskassenrechts, DRdA 2004, 211 [218]).

Allgemein gültige Kriterien, welche Informationen ein Arbeitgeber konkret bieten muss, um seiner Aufklärungspflicht zu entsprechen, können nicht aufgestellt werden (9 ObA 66/08h; 8 ObA 6/12h ua). Ob der Arbeitgeber seine Verpflichtung zur umfassenden Aufklärung erfüllt hat, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab und begründet im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (vgl RIS-Justiz RS0119752).

Eine unvertretbare Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht, die dessen ungeachtet die Zulässigkeit der Revision begründen konnte, liegt hier nicht vor.

Der Kläger, ein promovierter Jurist, war seit 1983 bis zu seiner Pensionierung im Jahre 2002 der Leiter der Personalabteilung der Erstbeklagten. Er fungierte bereits ab 1997 als Projektverantwortlicher für die Auslagerung der teils auf Kollektivvertrag, teils auf Einzelverträgen beruhenden direkten Pensionszusagen der Erstbeklagten an die Zweitbeklagte.

Der Kläger repräsentierte die Erstbeklagte im Verhandlungsteam bei den Beratungen mit der Gewerkschaft über eine Änderung des Kollektivvertrags. Dieses Team wurde von einem Sachverständigen mit diversen Modellberechnungen unterstützt, denen unterschiedliche Prozentsätze für Rechnungszins und rechnungsmäßigen Überschuss zugrunde lagen. Der Kläger tauschte sich auch mit den Projektverantwortlichen der beiden weiteren Mitglieder jener Bankengruppe aus, der die Erstbeklagte angehörte, und bezog weitere Informationen von der Zweitbeklagten.

Der Kläger war sich über Vor- und Nachteile eines beitragsorientierten Pensionskassensystems im Klaren, insbesondere wusste er, dass keine Mindestleistung besteht, die Leistungsfixierung fehlt und die Höhe der Pension vom Veranlagungserfolg der Pensionskasse abhängt. Er wusste sowohl, wie das Pensionskassenmodell im Wesentlichen funktioniert, als auch um die einzelnen Parameter des schlussendlich aufgrund der Verhandlungsergebnisse dem Auslagerungskollektivvertrag zugrundegelegten Modells. Es war ihm bewusst, dass im beitragsorientierten System der Einzelne das Risiko trägt, wenn die zugrundegelegten Parameter langfristig nicht eintreffen.

Er war bei der Beklagten im Zusammenhang mit der Auslagerung der Pensionszusagen derjenige, der weitaus am meisten Wissen darüber hatte. Auch seine Vorgesetzten verfügten nur über jenes Wissen, das sie vom Kläger selbst vermittelt bekamen.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Zweitbeklagte dem Kläger jemals Informationen vorenthalten oder Auskünfte erteilt hat, die nicht dem damals aktuellen Informationsstand entsprachen. Soweit sich der Kläger auf das ihm 1997 anlässlich des Vertragsabschlusses zwischen der Erstbeklagten und der Rechtsvorgängerin der Zweitbeklagten übermittelte „Pensionszertifikat“ bezieht, übergeht er den bereits vom Berufungsgericht hervorgehobenen Umstand, dass dieses Schreiben Jahre vor dem Pensionskassenübertritt der Arbeitnehmer ausgestellt wurde, zu einem Zeitpunkt, als der Kläger selbst noch über eine Direktpensionszusage seines Dienstgebers verfügte, sodass es sich auch nur auf diese Situation beziehen konnte.

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, das eine Verletzung von Aufklärungspflichten durch die beiden Beklagten verneint hat, ist insgesamt auch unter Berücksichtigung der in Lehre und ständiger Rechtsprechung entwickelten Grundsätze keinesfalls unvertretbar.

Da es auf den Informationsstand zum Zeitpunkt der Aufklärung ankommt, ist für den Standpunkt des Revisionswerbers nichts daraus zu gewinnen, dass die Veranlagungserfolge der Zweitbeklagten in den folgenden Jahren wider Erwarten hinter den Prognosen zurückgeblieben sind. Die grundsätzliche Möglichkeit einer solchen negativen Entwicklung war dem Kläger bekannt.

Soweit die Revisionsausführungen darauf abzielen, dass der Kläger seinerzeit, ungeachtet seiner Stellung als Projektverantwortlicher auf Arbeitgeberseite, wesentliche Mechanismen des von ihm ausverhandelten Pensionskassenvertrags nicht verstanden habe, und dass dieses Unverständnis den beiden Beklagten erkennbar und vorwerfbar gewesen wäre, entfernen sie sich von den für den Obersten Gerichtshof bindenden Tatsachenfeststellungen.

2. Die Frage des Erlöschens früherer einzelvertraglicher Zusagen der Erstbeklagten mit dem freiwilligen Übertritt des Klägers in das Pensionskassenmodell begründet die Revisionszulässigkeit nicht. Die Ablöse der Direktzusagen des Dienstgebers war gerade der allen Beteiligten offenkundige Sinn des Pensionskassenvertrags.

3. In Ermangelung eines haftungsbegründenden Fehlverhaltens der Beklagten ist die Frage einer Verjährung von Ansprüchen ohne Bedeutung, sodass darauf nicht näher einzugehen ist.

Einer weiteren Begründung bedarf diese Entscheidung nicht (§ 2 ASGG, § 510 Abs 3 ZPO).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte