OGH 9ObA20/13a

OGH9ObA20/13a25.6.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Robert Hauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei E***** AG, *****, vertreten durch Dr. Hartmut Ramsauer, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei H***** H*****, vertreten durch Waitz - Obermühlner Rechtsanwälte OG in Linz, wegen 25.000 EUR sA und Rechnungslegung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Linz vom 7. November 2012, GZ 12 Ra 74/12g‑23, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:009OBA00020.13A.0625.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

In dem zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Vertriebspartnervertrag war dem beklagten Vertriebspartner jede weitere gleichartige Tätigkeit ohne ausdrückliche schriftliche Zustimmung der klagenden Gesellschaft untersagt. Der Beklagte verpflichtete sich, der Klägerin für jeden Verstoß gegen das vereinbarte Wettbewerbsverbot eine Vertragsstrafe von 25.000 EUR und, sollte er noch vor rechtswirksamer Beendigung seines Vertrags zur Gesellschaft (und deren Partnergesellschaften) für ein zur Gesellschaft (bzw deren Partnergesellschaften) in Wettbewerb stehendes Unternehmen tätig werden, für jeden einzelnen für ein Wettbewerbsunternehmen vermittelten Vertrag eine Vertragsstrafe von 1.000 EUR zu bezahlen. Daneben besteht vertraglich eine umfassende Auskunftspflicht des Beklagten gegenüber der Klägerin.

Bereits vor Vertragsende vermittelte der Beklagte für ein Konkurrenzunternehmen Lebens‑ und Rentenversicherungen.

Rechtliche Beurteilung

Die Vorinstanzen erachteten das von der Klägerin erhobene Rechnungslegungsbegehren über alle vom Beklagten für das Konkurrenzunternehmen vermittelten Verträge als berechtigt. Dazu zeigt der Beklagte in seiner außerordentlichen Revision keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:

Der erste Anwendungsfall des Art XLII EGZPO begründet keinen neuen materiell‑rechtlichen Anspruch auf Vermögensangabe, Rechnungslegung oder Auskunftserteilung; er setzt vielmehr voraus, dass eine solche Verpflichtung schon nach bürgerlichem Recht besteht (RIS‑Justiz RS0034986; Konecny in Fasching/Konecny² Art XLII EGZPO Rz 4). Diese Verpflichtung kann sich entweder unmittelbar aus einer Norm des bürgerlichen Rechts oder aus einer privatrechtlichen Vereinbarung zwischen den Parteien ergeben (RIS‑Justiz RS0034986 [T3]).

Der Rechnungslegungsanspruch gemäß Art XLII Abs 1 erster Fall EGZPO steht an sich jedem zu, der gegen einen ihm aus materiell‑rechtlichen Gründen zur Auskunftserteilung Verpflichteten ein bestimmtes Klagebegehren auf Leistung nur mit erheblichen Schwierigkeiten, die durch eine solche Abrechnung beseitigt werden können, zu erheben vermag, wenn dem Verpflichteten die Auskunftserteilung nach redlicher Verkehrsübung zumutbar ist (RIS‑Justiz RS0106851). Dies gilt auch bei Vertragsverhältnissen (RIS‑Justiz RS0035050).

Zweck der Rechnungslegungspflicht ist es ua, den Berechtigten in die Lage zu versetzen, Herausgabeansprüche oder Schadenersatzansprüche gegen den Rechnungslegungspflichtigen festzustellen und geltend zu machen (1 Ob 17/12z mwN; RIS‑Justiz RS0019529 [T6]). Nur wenn sich Schadenersatzansprüche lediglich aus dem Gesetz ableiten und keine Sonderregelung besteht, begründet dies keinen Anspruch auf eine Stufenklage (7 Ob 48/12b; vgl RIS‑Justiz RS0034949).

Um einem Kläger mit den in Art XLII EGZPO normierten Offenlegungs‑ und Eidesleistungspflichten den Weg zur Durchsetzung von Leistungsansprüchen zu öffnen, umschreibt der Gesetzgeber mit den Begriffen „Vermögen“ und „Schulden“ umfassend sämtliche Werte, die Gegenstand von Aufklärungsansprüchen und auf dem Auskunftsergebnis aufbauenden Herausgabeklagen werden können (Konecny aaO Rz 13). Vermögen ist jeder Aktivwert, der Gegenstand einer Leistungsklage sein kann (3 Ob 47/11z mwN).

Im Lichte der oben zitierten Rechtsprechung ist die Bejahung des Manifestationsbegehrens der Klägerin durch die Vorinstanzen jedenfalls vertretbar. Sie stellt keine (grobe) Fehlbeurteilung dar, die vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen wäre. Der Beklagte ist vertraglich zur umfassenden Auskunft über die von ihm während aufrechten Vertriebsvertrags mit der Klägerin für ein Konkurrenzunternehmen vermittelten Verträge verpflichtet. Die Klägerin benötigt die mit ihrem Manifestationsbegehren angestrengten Auskünfte, um ihren Schadenersatzanspruch gegen den Beklagten beziffern zu können. Die den Entscheidungen der Vorinstanzen zugrundeliegende Rechtsansicht, die Bekanntgabe dieser Verträge sei einem vermögenswerten Recht gleichzusetzen und stellten daher einen Aktivwert dar, ist im vorliegenden Einzelfall nicht korrekturbedürftig.

Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage ist die außerordentliche Revision des Beklagten zurückzuweisen.

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