OGH 10Ob28/13k

OGH10Ob28/13k25.6.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch und Dr. Schramm sowie die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei 1. J*****, und 2. E*****, beide wohnhaft in *****, beide vertreten durch Schubeck & Schubeck Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei J*****, vertreten durch Mag. Friedrich Kühleitner und Mag. Franz Lochbichler, Rechtsanwälte OG in Schwarzach im Pongau, wegen Herstellung (Streitwert: 3.000 EUR) und Unterlassung (Streitwert: 1.500 EUR), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 27. Februar 2013, GZ 22 R 35/13w‑13, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom 21. November 2012, GZ 5 C 135/12d‑10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0100OB00028.13K.0625.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 492,56 EUR (darin enthalten 82,09 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Die Parteien sind Eigentümer angrenzender Liegenschaften. Im November 2007 räumten sie einander wechselseitig die Dienstbarkeit des Fahrrechts für eine über beide Liegenschaften verlaufende, geschotterte Zufahrtsstraße ein. In einer Nebenvereinbarung verpflichtete sich der Beklagte zur Errichtung eines Maschendrahtzauns entlang seiner westlichen Grundstücksgrenze zum Grundstück der Kläger hin, „wobei dieser Zaun auch 1,5 Meter entlang des Wegrandes auf dem Grundstück ... (Anmerkung: des Beklagten) situierten Wegs verlängert wird“.

Im Frühjahr 2008 errichtete der Beklagte einen Maschendrahtzaun entlang der Grundstücksgrenze. Die Verlängerung um 1,5 Meter nahm er so vor, dass er vorerst ein Maschendrahtzaunfeld auf einem Holzpfosten errichtete. Der Holzpfosten war aus dem Erdreich lösbar, um das Zaunfeld nach innen schwenken und so auch in diesem Bereich zum Grundstück zu‑ und abfahren zu können. Ende 2008 oder Anfang des Jahres 2009 ersetzte der Beklagte dieses schwenkbare Zaunelement aus Holz durch ein ebenso bewegliches Nirostazaunfeld.

Die Kläger begehren, den Beklagten schuldig zu erkennen einen fixierten Maschendrahtzaun auf einer Länge von 1,5 Meter entlang des Wegrandes zu errichten und es ab sofort zu unterlassen, ihr Grundstück außerhalb des im Dienstbarkeitsvertrag eingeräumten Fahrtrechts zu befahren oder sonst zu benutzen.

Die Kläger bringen vor, der Beklagte habe sich durch die Errichtung des schwenkbaren Zaunfeldes eine weitere Möglichkeit des Zu‑ und Abfahrens auf bzw von seiner Liegenschaft auch in diesem Bereich geschaffen. Beim Zu‑ und Abfahren im Bereich des schwenkbaren Zauns maße er sich das Befahren von Grundstücksflächen an, die von der Vereinbarung über die gegenseitige Benützung des Zufahrtswegs nicht umfasst seien. Dadurch würde die auf dem Grundstück der Kläger gelegene Zufahrtsstraße beschädigt.

Der Beklagte wendete zusammengefasst ein, der von ihm errichtete Zaun samt Verlängerung um 1,5 Meter entspreche zur Gänze der Zusatzvereinbarung. Diese enthalte keine näheren Bestimmungen über die Ausgestaltung des Zauns. Er befahre in keiner Weise Grundstücksflächen, die nicht von der Dienstbarkeit umfasst seien. Das Klagebegehren sei offensichtlich rechtsmissbräuchlich bzw schikanös.

Das Erstgericht wies beide Klagebegehren ab. Es traf folgende weitere Feststellungen:

„Die Kläger wollten mit der Zusatzvereinbarung die Errichtung eines Zauns an der Grundgrenze des Beklagten sicherstellen. Sie erwähnten nicht, dass es sich ihrer Meinung nach um eine durchgehend fixe Konstruktion handeln sollte. Bei einer fixen Zaunkonstruktion wäre aufgrund der Steilheit des Abhanges das Zu‑ und Abfahren zu bzw von der Liegenschaft des Beklagten in diesem Bereich nicht möglich. Einer Vereinbarung, die den Einbau eines beweglichen bzw schwenkbaren Teils in diesem Bereich nicht erlaubt hätte, hätte der Beklagte niemals seine Zustimmung erteilt. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagte beim Zu‑ und Abfahren von oder zu seinem Grundstück die zwischen Schotterrille und Grundstücksgrenze befindliche Grundfläche der Kläger befahren hat. Weiters kann nicht festgestellt werden, dass durch das Zu‑ und Abfahren im Bereich des schwenkbaren Zauns der Dienstbarkeitsweg erheblich und über die normale Abnützung hinaus beeinträchtigt oder beschädigt wird. Bei der nicht dienstbaren Fläche, die nach den Behauptungen der Kläger beim Zu- und Abfahren im Bereich des schwenkbaren Zauns in Anspruch genommen werde, handelt es sich in Anbetracht der Gesamtfläche um einen äußerst geringen bis verschwindenden Anteil (Ersturteil S 19).“

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, der Beklagte habe die Abgrenzung entsprechend der Vereinbarung errichtet. Diese müsse nicht zwingend eine durchgehende fixe Konstruktion sein, insbesondere in Bereichen, die sich zweckmäßigerweise für eine (weitere) Zufahrtsmöglichkeit anbieten. Eine Inanspruchnahme von nicht dienstbaren Flächen durch Fahrzeuge, welche vom oder zum Grundstück des Beklagten ab‑ oder zufahren, sei nicht festgestellt. Beide Klagebegehren seien daher abzuweisen. Weitere Beweise zum Thema, dass der Beklagte beim Zu- und Abfahren im strittigen Bereich notwendigerweise nicht dienstbare Flächen befahren müsse, sei nicht erforderlich. Selbst wenn man nämlich dieser Behauptung folgen wollte, wäre beim Zu- und Abfahren nur eine derart kleine Teilfläche des Fahrbahnrandes am Grundstück der Kläger in Anspruch genommen, dass davon auszugehen sei, die Kläger hätten anlässlich der Errichtung der Verträge deren Nutzung zumindest konkludent zugestimmt. Im Übrigen wäre der Umfang derjenigen nicht dienstbaren Fläche, welche nach den Angaben der Kläger vom Beklagten bzw von dessen Mieter befahren würde, so gering und stellte einen derart verschwindenden Anteil an der Gesamtfläche der Liegenschaft dar, dass das Unterlassungsbegehren rechtsmissbräuchlich wäre. Die im Rahmen der Prüfung des Vorliegens von Rechtsmissbrauch vorzunehmende Interessensabwägung fiele eindeutig zugunsten des Beklagten aus, zumal ein drohender Nachteil am Eigentum der Kläger durch das allfällige Befahren der (fotografisch dokumentierten) winzigen Teilfläche nicht erkennbar wäre.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es erachtete die bekämpfte Entscheidung als richtig und ging davon aus, dass mit einer auf das Wesentliche beschränkten Zusatzbegründung das Auslangen gefunden werden könne (§ 500a ZPO). Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts und erachtet die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts als tragfähig und nicht zu beanstanden. Selbst wenn die Kläger einen Anspruch auf Errichtung eines fixen, nicht schwenkbaren Zaunelements hätten, wäre die (Unterlassungs‑)Klage rechtsmissbräuchlich. Bei der zur Prüfung des Rechtsmissbrauchs vorzunehmenden Interessensabwägung sei nämlich vor allem zu berücksichtigen, dass das Schwenken des Zaunelements und das dabei mögliche Befahren einer winzigen Teilfläche am Eck des Fahrbahnrandes für die Kläger keinen spürbaren Nachteil mit sich bringe, während der Beklagte durch einen fixen Zaun massiv behindert wäre. Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens wegen Nichteinholung eines kfz-technischen Sachverständigen-gutachtens zum Beweis dafür, dass der Beklagte beim Zu- und Abfahren nicht vermeiden könne, auf nicht dienstbare Flächen zu gelangen, sei mangels rechtlicher Relevanz im Hinblick auf das Vorliegen von Rechtsmissbrauch zu verneinen.

Das Berufungsgericht bewertete den Wert des Entscheidungsgegenstands jeweils mit 5.000 EUR jedoch nicht 30.000 EUR übersteigend und sprach in Stattgebung eines Abänderungsantrags aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es bestehe keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage, ob die Klage auf Errichtung eines fixen Maschendrahtzauns in einer Länge von 1,5 Meter und das Unterlassungsbegehren selbst dann als rechtsmissbräuchlich anzusehen wären, wenn der Beklagte sich zur Errichtung eines fixen, nicht schwenkbaren Zaunelements auf seinem eigenen Grund verpflichtet hätte.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts ‑ ist die Revision nicht zulässig.

I.1. Soweit das Berufungsgericht die Rechtsmittelausführungen für nicht stichhältig, hingegen die damit bekämpften Entscheidungsgründe für zutreffend erachtet, kann es sich unter Hinweis auf deren Richtigkeit mit einer kurzen Begründung seiner Beurteilung begnügen (§ 500a ZPO). Diese Möglichkeit ist nicht auf bestimmte Berufungsgründe beschränkt. Ob den Anforderungen des § 500a ZPO genügt wurde, ist eine Frage des Einzelfalls, die vom Obersten Gerichtshof nur bei einer ‑ hier nicht vorliegenden ‑ grob fehlerhaften Anwendung der eingeräumten Möglichkeit der Begründungserleichterung aufgegriffen werden kann (RIS-Justiz RS0123827). Ein Mangel des Berufungsverfahrens liegt nicht vor.

I.2. Ob die Auslegung von Vertragsbestimmungen zutrifft, oder nicht kann immer nur anhand der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden und begründet daher ‑ von Fällen krasser Fehlbeurteilung abgesehen ‑ im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0042936). Auch die Ermittlung des objektiven Erklärungswerts unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls stellt in der Regel keine im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung dar (RIS‑Justiz RS0044358). Überzeugende Argumente dafür, dass die von den Vorinstanzen vorgenommene Auslegung im Hinblick auf die Auslegungsgrundsätze der §§ 914 f ABGB unvertretbar erfolgt wäre, bringen die Revisionswerber nicht vor. Vielmehr beschränken sie sich weitgehend auf eine Wiedergabe und damit Wiederholung ihres Standpunkts, ein Zaun zu Zwecken der Einfriedung könne immer nur (durchgehend) unbeweglich sein.

I.3. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt auch dann nicht vor, wenn Fragen bloß rein theoretischer Natur gelöst werden sollen (RIS‑Justiz RS0111271). Ob die Klagebegehren unter der (fiktiven) Voraussetzung als rechtsmissbräuchlich anzusehen wären, dass sich der Beklagte (doch) zur Errichtung eines fixen nicht schwenkbaren Zaunelements auf seinem Grund verpflichtet hätte, begründet demnach für sich keine erhebliche Rechtsfrage. Es ist nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs, abstrakte Rechtsfragen zu lösen.

II.1.1. In ihrer Rechtsrüge zum Unterlassungsbegehren wenden sich die Revisionswerber dagegen, dass das Berufungsgericht das Vorliegen eines erstinstanzlichen Verfahrensmangels infolge Abweisung des Antrags auf Einholung eines kfz-technischen Gutachtens aus rechtlichen Gründen ‑ unter Hinweis auf Rechtsmissbrauch ‑ verneint hat.

II.1.2. Nach der neueren und nunmehr ständigen Rechtsprechung liegt Rechtsmissbrauch auch dann vor, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein krasses Missverhältnis besteht (RIS-Justiz RS0026265; Karner in KBB 3 § 1295 ABGB Rz 22). Deshalb ist auch das Recht des Grundeigentümers, die Unterlassung von Eingriffen in sein Eigentumsrecht von einem Störer zu begehren, durch das Verbot der rechtsmissbräuchlichen Rechtsausübung beschränkt (RIS-Justiz RS0010395). Ob ein Rechtsmissbrauch gegeben ist, ist grundsätzlich nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (RIS-Justiz RS0110900; RS0026265 [T12]) und wirft in der Regel keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf.

II.1.3. Auch im vorliegenden Fall zeigen die Revisionswerber nicht auf, aus welchen Gründen die von den Vorinstanzen ‑ im Rahmen einer Zusatzbegründung ‑ vorgenommene Interessenabwägung eine grobe Fehlbeurteilung darstellen sollte, die ein Eingreifen des Obersten Gerichtshofs erfordert. Die Ansicht, es bestehe ein krasses Missverhältnis, weil es sich bei der angeblich in Anspruch genommenen Fläche um eine winzige Teilfläche am Wegrand handelt, aus deren Benützung für die Kläger kein spürbarer Nachteil resultiert, während der Beklagte massiv behindert wäre, ist schon im Hinblick darauf nicht unvertretbar, als die Wegfläche der Kläger ja ohnehin schon durch das Zufahrtsrecht des Beklagten (zu einem anderen Teil des Grundstücks) belastet ist und durch die weitere Zufahrtsmöglichkeit nicht weiter beeinträchtigt wird.

2. Der Unterlassungsanspruch setzt die Feststellung schon erfolgter Störungen oder doch zumindest die Gefahr künftiger Störungen voraus, denen mit vorbeugender Unterlassungsklage begegnet werden kann (RIS-Justiz RS0114254 [T2]). Wurde im vorliegenden Fall aber aufgrund eines mängelfreien Verfahrens die negative Festellung getroffen, es stehe nicht fest, dass der Beklagte oder sein Mieter beim Zu‑ und Abfahren von und zu seinem Grundstück im strittigen Bereich Grundstücksflächen der Kläger befahren habe und steht weiters auch eine Erstbegehungsgefahr nicht fest, ist die vorbeugende Unterlassungsklage nicht gerechtfertigt (RIS‑Justiz RS0037661).

5. Da der Beklagte auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, waren ihm die Kosten seiner zweckentsprechenden Revisionsbeantwortung zuzusprechen.

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